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Fußball 2.0

Fans feiern auch im Netz

19.06.2008
EM-Fans fiebern und feiern auch im Internet. Anlässlich der Euro 2008 gibt es dort eine Reihe von Angeboten, bei denen sich Fußball-Anhänger austoben können.

In den Foren wird kräftig gefachsimpelt, viele Fans machen aber nicht nur ihre verbale Unterstützung für die deutsche Mannschaft deutlich. "Singen, filmen, Fahne zeigen" lautet die Devise - oder auch: Fußball 2.0.

Die Fahnen zur Unterstützung der deutschen Mannschaft schrumpfen im Netz auf Briefmarkengröße: Im StudiVZ - Deutschlands größtem sozialen Netzwerk - haben rund 300.000 Mitglieder ihr Profilfoto durch Schwarz-Rot-Gold ersetzt. Motto der Aktion: "Deutschland zeigt Flagge". Anders als bei den Auto-Acessoires haben weder ADAC noch Polizei Bedenken, nur einige Kommilitonen mosern. "Virtuelles Fahnezeigen? Ist die EM auf der Playstation?", schreibt einer.

Schlachtgesänge fürs Stadion oder Public Viewing können Fans mit musikalischen Ambitionen bei den Karaoke-Portalen Mikestar.com oder Talentrun.de üben. Im Gegensatz zu Konsolenspielen wie "Singstar" kann dabei aber die ganze Fußball-Nation zuhören, denn die Lieder lassen sich online abrufen und bewerten. Die Auswahl reicht von der Nationalhymne über "Auf gehts, Deutschland, schieß ein Tor" bis zum finalen "We Are The Champions". Einige Talente hat Benjamin Brandt, Mitgründer von Talentrun, unter den rund 100 Teilnehmern ausgemacht. Er räumt aber ein: "Es sind ein paar gruselige Sachen dabei."

Unter den 80 Millionen Co-Trainern von Jogi Löw wollen viele ihr Expertenwissen bei Tippspielen unter Beweis stellen. Das geht auf Plattformen wie Kicktipp.de, Fussballportal.de oder beim Managerspiel des Fußballmagazins "Kicker" einfach - dort können Fans Tipprunden verwalten und mit anderen um Punkte spielen. "Bei großen Turnieren haben wir immer großen Zulauf", sagt Kicktipp-Chef Janning Vygen. 1,2 Millionen Spieler sind derzeit registriert - "30 bis 40 Prozent" mehr als in der Bundesliga-Saison, nicht zuletzt dank der Frauen, die bei großen Turnieren das Fußballfieber ereilt.

Dass Deutschland den Pokal holen soll, ist klar. Was die Fans aber wirklich interessiert, offenbaren die Bonusfragen, welche die Tipper selbst festlegen können. "Da wird gefragt, ob Kevin Kuranyi wieder erst in der Nachspielzeit eingewechselt wird oder welche Farbe das Trikot des Schiris im Finale hat", berichtet Vygen. Eine Gruppe bezieht die eigenen Leistungen ins Spiel ein, die Bonusfrage: "Wer isst am meisten Würstchen?"

Auch auf den Videoportalen dreht sich derzeit alles um Fußball - und die Fans speisen den Bilderstrom kräftig. Die Aficionados singen Lieder, zeigen Tricks am Ball oder jubeln über Tore von Podolski. Einige von ihnen dürfen auf ein paar Sekunden Ruhm hoffen. Denn YouTube-Mutterkonzern Google wie auch die "Bild"-Zeitung haben mit Detlev Buck und Sönke Wortmann prominente Regisseure engagiert, um aus dem Amateur-Material auf ihren Websites Filme zusammenzustellen - eine Art zweites "Sommermärchen". Google will den Film sogar unter dem Namen "23 Tage" ins Kino bringen.

Ob die Deutschen 23 Tage lang - bis zum Finale - dabei sind, ist ungewiss. Dass man im Web nicht nur feiern, sondern auch trauern kann, machen aber bereits die Österreicher vor. Mangels aktueller Erfolge schwelgen viele in Erinnerungen an die WM 1978, als die eigene Mannschaft die Deutschen in Cordoba bezwang. Im Blog c78.at kann man sich die großen Szenen des Spiels noch mal ansehen - nicht zum Mitmachen, aber zum Mitfeiern. Oder Mitleiden, je nach Perspektive. (dpa/tc)