Fachkräftemangel drückt die Euphorie in der IT-Sicherheitsbranche

06.09.2007
Von Alexander Deindl
Trübe Aussichten bei der Personalrekrutierung prognostizieren Marktbeobachter im Umfeld der Anbieter von Sicherheitslösungen.

"Experten sind rar", bringen Martin Krömer, Deutschlandchef bei der Eschborner Radware GmbH, und Rolf Wassermann, Vertriebs- und Marketing-Chef bei der Visonys AG, die aktuelle Situation auf den Punkt: In der Branche für IT-Sicherheitslösungen trübt ein akuter Mangel an qualifizierten Arbeitskräften die Euphorie über den wirtschaftlichen Aufschwung. Die Nachfrage steigt enorm. Bis 2010 soll die Zahl der Fachkräfte im Umfeld der IT-Sicherheitsanbieter von derzeit rund 1,4 Millionen Mitarbeiter auf zwei Millionen Beschäftigte anwachsen, so eine aktuelle Studie des Marktforschungsinstituts IDC.

Rolf Wassermann, Visonys: "Experten sind rar."
Rolf Wassermann, Visonys: "Experten sind rar."
Foto: Visonys

Dass sich das Klima in den letzten drei bis vier Jahren nochmals deutlich verändert hat, spürt etwa der seit knapp 25 Jahren auf den Datensicherheitsmarkt spezialisierte Hersteller Utimaco: "Wir stellen einen Wandel von einem Stellen- in einen Kandidatenmarkt fest", erklärt Anja Müller, Verantwortliche für Human Resources bei der Data Security Company aus Oberursel bei Frankfurt. Die Gründe für das Defizit an geeignetem Personal seien offensichtlich: Während früher viele mittelständische deutsche Kunden zu den Abnehmern der Datensicherheitslösungen von Utimaco zählten, benötigten IT-Hersteller in Zeiten der globalisierten Wirtschaft und internationaler Aktivitäten Mitarbeiter, die auch den veränderten Herausforderungen Utimacos mit Großkunden gewachsen seien.

Dazu gehörten zusätzlich zur technischen Expertise, dem betriebswirtschaftlichen Know-how und der Erfahrung im Projektmanagement auch perfekte Englischkenntnisse sowie das Gespür für den Umgang mit einer weltweiten Klientel. Müller: "Ein erfolgreiches IT-Unternehmen muss künftig in der Lage sein, ein Produkt zu entwickeln, das sowohl europäischen als auch US-amerikanischen und asiatischen Ansprüchen genügt". Denn während beispielsweise US-amerikanische Kunden Wert auf einfache Benutzeroberflächen legten, schätze ein deutscher IT-Administrator den großen Funktionsumfang und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Softwareprogramme. Einher gehe, dass die Komplexität der Systemumgebungen bei Kunden nicht zuletzt auch aufgrund der hohen Innovationsgeschwindigkeit neuer IT-Technologien rapide zunehme. Um der Flaute auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken, habe der mittlerweile in zehn Ländern vertretene Hersteller bereits frühzeitig damit begonnen, Spezialisten im Rahmen eines dedizierten Fachkarriereprogramms für die Bereiche Entwicklung, Qualitätssicherung, Pre-Sales und Support zu schulen. Für die benötigten internationalen Qualifikationen sorgt ein Austauschprogramm für die Mitarbeiter der weltweiten Utimaco-Niederlassungen.

Aus eher technischem Blickwinkel betrachtet der deutsche Antivirenspezialist, die Avira GmbH aus Tettnang am Bodensee, die Personalprobleme der Branche. Schadsoftware wie Phishing- und Farming-Programme - aber auch klassische Viren - würden nach den Worten von Rainer Witzgall, Executive Vice-President, zunehmend von professionellen Programmierern entwickelt, die ihren Code für gezielte Attacken auf bestimmte Unternehmen anböten. Diese Entwicklung führe zu direkten Konsequenzen für das Bewerberprofil: "Unsere potenziellen Mitarbeiter müssen über wesentlich technischeres Know-how verfügen und mit den vielfältigen dubiosen Methoden in der Szene der Programmierer von Schadsoftware vertraut sein", so der Manager. Ebenso zählten umfassende Kenntnisse über plattformübergreifende Virtualisierungsprojekte sowie der versierte Umgang beim Schnittstellen-Management für die Datensicherheit und Datenspeicherung zum benötigten Repertoire eines idealen Bewerbers. Typisch sei dabei vor allem in der IT-Branche, dass der Bewerberstrom heute hauptsächlich von Online-Jobbörsen generiert werde, klassische Print-Anzeigen im IT-Umfeld indes kaum noch Beachtung fänden. Witzgalls knappes Fazit: "Viel Masse, wenig Klasse".

Rainer Witzgall, Avira: "Die Bewerber müssen mitd en dubiosen Methoden der Programmierer von Schadsoftware vertraut sein."
Rainer Witzgall, Avira: "Die Bewerber müssen mitd en dubiosen Methoden der Programmierer von Schadsoftware vertraut sein."
Foto: Avira GmbH

Zustände, weshalb die Branche für die Zukunft mit verschärften Wettbewerbsbedingungen bei der Akquise neuer Mitarbeiter – und fürstlichen Gehältern für das begehrte Personal - kalkuliert. Gunilla Pendt, Director Marketing & Communication bei der Hamburger TC TrustCenter GmbH etwa erwartet, dass in den kommenden Jahren Personalabteilungen anderer Branchen – wie etwa aus dem Finanz- und Versicherungssektor – "unsere Kräfte abwerben, um sie dann intern für ihre Bereiche zu schulen". Mitarbeiter mit Berufserfahrung in der IT-Branche gälten nicht umsonst als "besonders belastbar und flexibel". Deshalb sei dringend auch die Politik gefordert, um durch kürzere Studiengänge, mehr Praxisbezug innerhalb der Universitäten und eine spezifischere Ausrichtung auf neue Berufsbilder bessere Bedingungen für den Markt zu schaffen. Hilfreich wäre hier die Aufnahme von IT-Security-Themen in das Ausbildungsangebot und die Möglichkeit der Spezialisierung auf Sicherheitsaspekte in den Studiengängen der Informatik. (hk)