Überprüfung aller Inhalte ist unmöglich

Experten: Keine Handhabe gegen Nazi-Websites

18.08.2000
MÜNCHEN (CW) - Nach der Registrierung von rechtsradikalen Domains streiten Experten über Methoden, wie man solche Foren in Zukunft verhindern kann. Eine "schwarze Liste", wie sie Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin vorschlägt, halten die meisten für nicht machbar - in erster Linie aus technischen Gründen.

Der Domain-Verwaltungsstelle Denic (Deutsches Network Information Center) zufolge lässt sich ein Verbot rechtsextremistischer Sites nicht praktizieren, da die Domain-Registrierung vollautomatisch abläuft. Bei rund 200000 Anmeldungen pro Monat sei es nicht zu bewerkstelligen, alle Websites auf anstößigen Inhalt zu überprüfen. Die Einführung von Wortfiltern hätte nach Ansicht von Denic-Sprecher Klaus Herzig auch keinen Sinn, weil sich verfassungsfeindliche Begriffe mit beliebigen Kombinationen verknüpfen ließen und so vom Filter nicht erkannt würden. Außerdem gebe es unzählige Begriffe, die zwar einen ausländerfeindlichen Tenor hätten, aber nicht illegal seien. Herzig plädiert dafür, dass die Internet-Service-Provider (ISPs) schnell reagieren, sobald eine Website mit anstößigem Inhalt registriert wird. Sie könnten Content überprüfen, da sie in direktem Kontakt mit ihren Kunden stünden.

Die ISPs weisen die Verantwortung mit dem Argument zurück, dass sie Websites mit rechtsradikalem Inhalt nur schwer ausmachen könnten. Laut AOL-Sprecher Alexander Adler verfügt kein Provider auch nur über annähernd genügend Manpower, um alle bei ihm registrierten Sites zu prüfen. Hinzu komme, dass Verfasser rechtsradikaler Sites sehr raffiniert vorgingen, um nicht aufzufallen. Die Inhalte seien häufig subtil formuliert und erst auf den zweiten Blick als fremdenfeindlich zu erkennen. So erhielt eine Website, die ein AOL-Mitglied im Namen des "Bund für Gesamtdeutschland" (BGD) ins Netz gestellt hatte, weder nationale Symbole noch direkte verbale Angriffe auf Ausländer. Es habe lediglich geheißen: "Uns Deutschen wird der Lebensraum genommen." Die Texte seien auch strafrechtlich nicht relevant gewesen. Man habe die Site trotzdem gesperrt, da sie, so Adler, genug Spielraum für rassistische Interpretationen geboten habe.

Der Berliner Web-Hoster Strato, der die Internet-Adresse "heil-hitler.de" im Auftrag eines Kunden bei der Denic registriert hatte, verweist ebenfalls auf das Problem des Auffindens rechtsradikaler Angebote. Zum Teil auch, weil hinter zahlreichen suspekt klingenden Domain-Namen gar keine fremdenfeindlichen Inhalte, sondern genau das Gegenteil, nämlich Content zur Bekämpfung rechter Tendenzen, stehe - als Schutz, damit Rechtsradikale diese Begriffe nicht ihrerseits als Adressen verwenden könnten.

Die einzige Möglichkeit, die Verbreitung rechtsradikalen Gedankenguts via Internet zu unterbinden, sieht AOL-Sprecher Adler bei den Content-Providern. Sein Vorschlag: eine Art Gütesiegel für die Anbieter, das sie nur dann erhalten, wenn sie rechtsradikale Websites ausmustern. Allerdings hätte das nur Sinn, wenn das Gütesiegel weltweit eingeführt würde.