Europas Dotcoms wachsen aus den Kinderschuhen

26.09.2001
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Mahnungen der Old Economy an die Dotcoms verhallten nicht ungehört. Einer Studie von PricewaterhouseCoopers zufolge besinnen sich Europas Internet-Firmen im Jahr 2001 angesichts der veränderten Marktbedingungen auf eherne ökonomische Werte wie Kostenkontrolle und Profitabilität - und sind damit erfolgreich.

Als das Beratungshaus Mitte vergangenen Jahres 412 Führungskräfte von europäischen Dotcom-Firmen befragte, sahen diese als größte Management-Herausforderungen die Akquisition von geeignetem Personal, eine Etablierung am Markt und den Aufbau einer europaweiten Geschäftstätigkeit. Knapp ein Jahr später haben sich die Schwerpunkte geändert: Nach dem Platzen der Dotcom-Blase nahmen die Führungskräfte die veränderten Marktbedingungen zum Anlass, ihre bisherigen Strategien einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Jetzt spielen vor allem die Kundengewinnung, eine strenge Kostenkontrolle und das Erreichen der Gewinnzone eine wichtige Rolle. Außerdem haben laut Studie 24 Prozent der befragten Manager ihr ursprüngliches Geschäftsmodell bereits geändert. Auch ihre im Vorjahr gesteckten Expansionsziele mussten die Führungskräfte revidieren. Obwohl 78 Prozent damals aufgrund des noch andauernden Internet-Booms mit einer Aufstockung des Personals rechneten, stellten letztendlich nur etwas mehr als ein Drittel der Dotcoms neue Mitarbeiter ein. Plagten die Firmen im vergangenen Jahr vor allem der Mangel an Finanzmittel und eine nur schleppende Etablierung am Markt, so sehen sich die Manager jetzt mit neuen Sorgen konfrontiert: So macht sich nun auch bei ihnen die Angst vor einer Rezession breit und insbesondere deutsche Dotcoms befürchten spürbare Auswirkungen der Konjunkturschwäche in den USA. Hinzu kommt, dass das negative Image der Internet-Branche in den Medien und bei den Investoren den Managern zu schaffen macht.

Die Skepsis der Investoren hat den Unternehmen den einfachen Zugang zu Kapital versperrt. Als Lösung besinnen sich die Befragten auf die unternehmerische Devise "Mehr verkaufen, weniger ausgeben". Die dabei angewandte Taktik zur Steigerung der Profitabilität ist in den einzelnen Ländern jedoch unterschiedlich: So konzentrieren sich rund ein Drittel der befragten Manager in Deutschland sowie knapp ein Viertel ihrer britischen Kollegen primär darauf, ihre Kosten zu senken. In Frankreich hingegen setzen die Internet-Firmen vor allem auf eine bessere Produktqualität (22 Prozent), während über ein Drittel der Niederländer der hofft, dass ein intensiveres Marketing ihre Geschäfte belebt.Mit unterschiedlichem Erfolg: So gaben nur 24 Prozent der britischen Unternehmen an, mit Gewinn zu arbeiten. Im Vergleich dazu erwirtschaften zwei Drittel der befragten Dotcoms hierzulande nach eigenen Angaben Profite. In den Niederlanden und in Großbritannien verbuchen immerhin noch 61 beziehungsweise 49 Prozent Gewinne. Hierbei gilt allerdings zu bedenken, dass in der zweiten Befragungsrunde nur noch 190 von 412 Managern zu einem Interview bereit waren. Laut Studie sind jedoch rund 90 Prozent der ursprünglich befragten Internet-Firmen auch heute noch auf dem Markt, davon 95 Prozent der deutschen Unternehmen.

Management-Erfahrung ist Gold wert

Vor einem Jahr zählten Flexibilität, Kreativität und Risikobereitschaft zu den vorragenden Eigenschaften bei der Rekrutierung von Führungskräften. Jetzt liegt das Hauptkriterium bei der vorhandenen Management-Erfahrung. Dabei haben es die Dotcoms allerdings schwer, qualifizierte Führungskräfte zu rekrutieren. Als Folge davon sind viele Top-Positionen derzeit mit Interims-Managern besetzt. Befürchtungen, dass mit den neugesetzten Prioritäten in der Unternehmensführung jetzt auch der vielgerühmte Spaß der New Economy auf der Strecke blieb, weisen die befragten Manager jedoch überwiegend zurück. 72 Prozent von ihnen sehen es vielmehr als ihre Aufgabe, diesen als Anreizfaktor zu erhalten und mit einer Rückbesinnung auf die neuen unternehmerischen Grundlagen zu verbinden.

Die Studie "Rückbesinnung auf die Fundamentaldaten - Dotcom-Firmen werden erwachsen" kann im PDF-Format kostenlos im Web heruntergeladen werden. Auch die im vergangenen Jahr veröffentliche Untersuchung namens "After the Goldrush - the Dotcom-Dilemma" finden Sie als PDF-File zum Download.