Telekom kündigt für 1993 neue Dienstleistungen an

Europäische PTTs behalten das weltweite TK-Business im Visier

31.05.1991

BONN/MÜNCHEN (CW/IDG) - Die vor der Tür stehende Einführung des Binnenmarktes und die fortschreitende Liberalisierung der TK-Märkte zeigen bei den europäischen PTTs anhaltende Wirkung. So melden die belgische Régie des Télégraphes et Téléphones (RTT) und France Telecom weitere Fortschritte bei ihren Emsanzipationsbemühungen gegenüber den jeweiligen nationalen Administrationen. Die bundesdeutsche Telekom will ab 1993 vor allem ihren Geschäftskunden zusätzliche Diensdeistungen anbieten.

Nach der Abschaffung des TK-Monopols auf der britischen Insel und der Neufirmierung von BT (siehe CW Nr. 15 vom 12. April 1991) machte nun vor allem der belgische Carrier von sich reden. Die RTT bekam vom Gesetzgeber den Status eines "Öffentlichen autonomen Unternehmens" mit weitestgehender Eigenverantwortlichkeit über Budget und Unternehmensstrategie zugesprochen. Der weiterhin unter staatlicher Regie agierenden Telefon-Company soll dadurch mehr Handlungsspielraum im internationalen Wettbewerb, vor allem auch mit privaten Anbietern, eröffnet werden. Auch die französische Regierung kündigte noch für dieses Jahr eine Gesetzesinitiative an, um für die France Telecom vergleichbare Rahmenbedingungen im Netz-Business zu schaffen.

Dem zunehmenden Wettbewerbsdruck ausgesetzt sehen sich aber nicht nur die großen TK-Betreiber, auch kleinere PTTs wie die Swiss Telecom und die Telefonica de Espana sind bestrebt, den Service und das technische Equipment in ihrem Einzugsgebiet für weltweit agierende Großkunden interessanter zu gestalten, um auf diese Weise am internationalen Business weiter zu partizipieren. So planen die Schweizer innerhalb der nächsten vier Jahre die Digitalisierung von mehr als 90 Prozent aller Vermittlungsstellen, zugleich wird ab 1992 flächendeckend ISDN angeboten. Ähnliche Vorgaben taten die spanischen TK-Planer kund: Bis Ende 1992 werden ihren Angaben zufolge auf der iberischen Halbinsel rund 82 Prozent der Fernleitungen und 56 Prozent der Ortsverbindungen digitalisiert sein.

Spätestens im Frühjahr 1993 wird in der Bundesrepublik ein großflächig angelegtes Pilotprojekt an den Start gehen. Unter dem Projektnamen "lntelligentes Netz" will die Telekom in acht Großstädten zusätzliche Dienstleistungen, die den Kundenwünschen individuell angepaßt werden können, ihrer Clientel offerieren. Die Projektvergabe erfolgte nach einer internationalen Ausschreibung an drei Konsortien - Northern Telecom gemeinsam mit Cincinnati Bell Informations Systems (CBIS) für die Standorte Düsseldorf und Frankfurt/Main, Siemens beziehungsweise SNI in Hamburg, Berlin und Hannover sowie SEL und DEC für die Bereiche Stuttgart München und Nürnberg.

Hintergrund des mit 75 Millionen Mark veranschlagten Großauftrages ist laut Telekom, Sprecher Achim Mut "eine gezieltere Lenkung des Telefonverkehrs, um gewisse Engpäße bei starker Frequentierung des Netzes auf weniger ausgelastete Netze zu lenken". Vor allem solle eine Steuerung seitens der Teilnehmer ermöglicht werden.

Bei der Inbetriebnahme der Netzknoten werden den Telekom-Kunden im neuen System vier zum Teil bisher noch nicht vorhandene Dienstleistungen angeboten werden. Darunter fällt der Service 130, bei der der Anrufer zum Nulltarif telefonieren kann, während die Gebühren der Service-130-Anwender übernimmt. Hinzu kommt mit dem "Tele-Info-Service" ein Informationsdienst, der vom jeweiligen Anbieter individuell gestaltet werden kann, sowie mit "Televotum" eine flexible Einrichtung zur Stimmabgabe bei telefonischen Umfragen. Wichtig vor allem für Geschäftskunden wird eine einheitliche Rufnummer für bundesweit tätige Firmen mit mehreren Standorten sein.

Für die technischen Ausgestaltung der jeweiligen Pilotprojekte haben die beauftragten Firmengruppen nach Angaben des Bonner Carriers die alleinige Kompetenz. Klar festgelegt sei nur das Grundschema mit externen Rechnern und Datenbanken, digitalen Vermittlungsstellen und dem Übertragungsweg über Zeichenkanal sieben. Über die letztendliche Konfiguration werde nach Abschluß der Testphase entschieden auch darüber ob ein oder mehrere Bewerber das Rennen machen. In jedem Fall aber wird das neue Netz, von wem auch immer, schlüsselfertig an das Postunternehmen übergeben werden müssen; denn daß die Telekom als Netzbetreiber auf den Plan tritt, stehe so Mut , "außer Frage". +