Interview/

Europa ist bald der größte Markt der Welt

30.08.1996

CW: Warum verlassen Sie Deutschland?

Young: Aus persönlichen Gründen.

CW: Sie waren bislang Geschäftsführer, verbessern Sie sich, wenn Sie nun in den USA als Director International Marketing arbeiten?

Young: Ich fasse es als Beförderung auf.

CW: Sie haben sehr lange als Deutschland-Chef bei SCO, Aldus und Adobe gearbeitet. Welche Erfahrungen nehmen Sie mit in Ihr Heimatland?

Young: Es ist für mich schwer, die geschäftliche von der privaten Seite zu trennen. Ich habe erfahren, daß der europäische Markt sehr stark ist. In den USA wird das häufig unterschätzt. In wenigen Jahren wird der Kontinent ein geschlossenes Bild abgeben, was die Ex-und Importbestimmungen sowie die Währung betrifft. Hier entsteht der weltweit größte wirtschaftliche Block, größer als der amerikanische und japanische Markt zusammen.

CW: In Europa, insbesondere hierzulande, sind die Stimmen wesentlich skeptischer.

Young: Zu Unrecht. Die Infrastruktur, die in den vergangenen fünf Jahren in den neuen Bundesländern entstanden ist, ist global ohne Beispiel. Ähnliches gilt für die Investitionen, die überwiegend mit deutschem Geld, aber auch mit den Mitteln aus anderen europäischen Ländern im Osten, in Polen, Ungarn und Tschechien, getätigt wurden. Das summiert sich zu einem ungeheuren wirtschaftlichen Vorsprung.

CW: Lassen sich die ausländischen Firmen denn nicht durch hohe Löhne und Sozialkosten abschrecken?

Young: Nein. Die Produktionskosten sind nur ein Faktor unter vielen. Die Vorteile überwiegen. Am wichtigsten ist vielleicht, daß es innerhalb der Europäischen Union keine Handelsbeschränkungen gibt. Ein amerikanisches Unternehmen, das in Europa Geld machen will, muß sich deshalb auch dort ansiedeln.

CW: Sie haben immer für amerikanische Firmen gearbeitet. War es schwierig, Ihren Chefs die Wünsche deutscher Anwender nahezubringen?

Young: Es gab immer ein Kommunikationsproblem. Man macht es sich aber zu einfach, wenn man sagt, daß die amerikanischen IT-Firmen den europäischen Markt nicht verstehen. Schließlich beliefern sie einen gigantischen Binnenmarkt, aus Deutschland kommen dagegen vielleicht zehn Prozent ihres Umsatzes. Wenn der deutsche Geschäftsführer seine Forderungen vorbringt, dann hat er oft die anderen 90 Prozent nicht im Blick. Das sind schwer vereinbare Standpunkte.

CW: Jetzt machen Sie es sich aber zu leicht.

Young: Ich leugne nicht die Herausforderung, die Europa für die US-Industrie darstellt. Aber einen Teil der Lösung bringt das Internet. In zehn Jahren werden es die deutschen oder japanischen Niederlassungen von US-Konzernen einfacher haben.

CW: Glauben Sie wirklich, daß man Erfahrungen vor Ort via Netz an Manager vermitteln kann, die nach dem Ende der Telekonferenz wieder in einer ganz anderen Welt, in einem anderen sozialen und wirtschaftlichen Klima leben?

Young: Sie gehen von der Theorie aus, daß man global denken und lokal handeln sollte. Ich denke, man sollte auch global handeln. Die US-Entwickler müssen die Anforderungen der deutschen oder französischen Kunden täglich erfahren. Ob man das Internet mag oder nicht, es schafft eine weltweite Kommunikationsplattform. Massenhaft benutzt, eignet es sich durchaus, um die Amerikaner zu Menschen zu erziehen, die in weltweiten Dimensionen denken und handeln. Wir alle werden internationaler.

CW: Droht uns dadurch nicht eine weltweite Einheitskultur?

Young: Ich sehe darin eine sehr positive Entwicklung. Niemand braucht Angst vor einem englisch-amerikanischen Kulturimperialismus zu haben. Schließlich nimmt jeder, der im Web ist, Einfluß.

CW: Sie gehen jetzt in die US-Zentrale von Adobe. Was wollen Sie dort ändern?

Young: Ich möchte das Bewußtsein für den internationalen Markt schärfen. Die Wachstumschancen außerhalb der USA sind weit größer als innerhalb. Man sollte nicht jedes Land für sich betrachten, sondern stärker wahrnehmen, daß in Europa das Wachstumspotential für mehr als die Hälfte des Weltumsatzes steckt.