Kompetenzerwerb wird wichtiger als reine Wissensaneignung

Es muss nicht immer Training sein

20.02.2004
KARLSRUHE (hk) - Früher ging der Mitarbeiter zum Vorgesetzten oder in die Personalabteilung und "bestellte" einen Kurs. Nun soll das anders werden. Abgeleitet von den Unternehmensinteressen und als Bestandteil der Geschäftsprozesse soll die "Kompetenzerweiterung" der Beschäftigten im Mittelpunkt stehen.

Wenn man Joachim Hasebrook danach fragt, wie sich die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter steigern lässt, kommt es wie aus der Pistole geschossen: "Es muss nicht immer Training sein." Das verwundert insofern, als Hasebrook Geschäftsführer eines Bildungsanbieters ist, der sich auf "technologiegestützte Qualifizierung" spezialisiert hat, wie er es formuliert.

Schnell zeichnet der Efiport-Chef ein Diagramm auf und erläutert, dass Studien zufolge traditionelle Weiterbildung der Mitarbeiter nur eine Leistungssteigerung von ein bis fünf Prozent bewirke. Eine starke Verbesserung trete eher durch Organisationsentwicklungs-maßnahmen um 15 bis 20 Prozent. Dazu zählt Hasebrook das Einrichten von Qualitätszirkeln, eine Änderung des Vergütungssystems oder einen professionellen Führungsstil. Umgekehrt gilt: "Management-Fehler fressen die Performance auf", weiß der Frankfurter Manager. Richtig sei aber auch, dass Training Voraussetzung zu einer Leistungsverbesserung sein kann.

Wert der Mitarbeiter soll bilanziert werden

Hasebrook schränkt ein, dass es künftig nicht mehr darum gehen könne, Seminare zu besuchen, um ständig sein Fachwissen zu erweitern. "80 bis 90 Prozent der Trainer vermitteln fachliches Know-how" Das bringe den Teilnehmer aber vor allem dann nicht weiter, wenn er danach sein Wissen nicht anwenden könne. Ziel jedes Unternehmens müsse sein, langfristig die richtigen Kompetenzen, also die Kombination aus Erfahrung und Fachkenntnissen aufzubauen, "und da kann ein zu starkes Faktenwissen manchmal stören", so der Bildungsexperte - zumal es schnell veraltet.

Dieses Thema steht in den nächsten Jahren im Mittelpunkt der Personal- und Bildungsarbeit vieler Unternehmen, denn künftig sollen Kompetenzen bilanziert werden. Die International Accounting Standards (IAS) schreiben vor, dass ab 2006 in den Bilanzen nicht nur die reinen betriebswirtschaftlichen Zahlen zu berücksichtigen sind, sondern auch der Wert der Mitarbeiter. Damit setzen sich mittlerweile eine Heerschar von Wissenschaftlern und Praktikern auseinander (über den Stand dieser Diskussion berichten wir in einer der nächsten CW-Ausgaben).

Das Softwarehaus Siebel arbeitet bereits fleißig an der Kompetenzerweiterung seiner Mitarbeiter, hat aber gleichzeitig eine technische Plattform für Kunden entwickelt, um deren Beschäftigte fit zu machen. Voraussetzung sei, das Training in die Geschäftsprozesse zu integrieren, so Jürgen Habichler, zuständiger Manager für das Employee-Relationship-Management. Doch daran scheiterten viele Unternehmen. 90 Prozent aller Firmen konnten die eigene Strategie den Mitarbeitern nicht vermitteln und diese so logischerweise auch nicht durch Weiterbildung produktiver machen.

Die Unternehmensstrategie als Maßstab

Habichlers Modell sieht im Grunde einfach aus: Der Mitarbeiter versteht die Strategie seines Arbeitgebers und die Ziele seiner Abteilung. Gemeinsam mit dem Vorgesetzten erarbeitet er ein Kompetenzprofil mit seinen Stärken und Schwächen. Jedes halbe Jahr findet im Rahmen eines Gesprächs ein Soll-Ist-Vergleich der Kenntnisse und Fähigkeiten statt. Um an den Schwächen zu arbeiten, setzt Siebel auf das kontextgebundene Lernen. Habichler erläutert an einem Beispiel, was er damit meint. Wenn ein Call-Center-Agent an einem Tag von zehn Anrufen sieben zu ausführlich führt, kann er sofort ein kurzes Training - etwa als E-Learning-Programm - dazu bekommen, wie sich diese Zeiten reduzieren lassen. Vorausgesetzt, es wurde so als Ziel definiert.

Die Trainingsabteilung müsse ihren Blickwinkel ändern. Es gehe nicht mehr darum, dass sich Mitarbeiter einen Kurs aussuchten. Die Frage lautet jetzt: Welches sind die Kernprozesse des Unternehmens, und welche Kompetenzen sind nötig, um sie zu unterstützen? Decken unsere Mitarbeiter mit ihrem Know-how die Kernkompetenzen ab?

Sowohl Siebel als auch Efiport unterstützen mit ihren technischen Systemen diese Form der Förderung. Dem CRM-Anbieter kommt es vor allem darauf an, dass das Zielvereinbarungssystem dem Vorgesetzten die Möglichkeit verschafft, "dem Mitarbeiter ein zeitnahes Feedback zu geben", um beispielsweise auf Schwierigkeiten mit dem bereits angesprochenen kontextbezogenen Lernen zu reagieren. Nach wie vor unterhalten viele Firmen nichtintegrierte Insellösungen für das Trainings-, Wissens- und Leistungs-Management, ist Habichlers Erfahrung.

Skill-Management-System aufbauen

Efiport hat ein Skill-Management-System entwickelt, das Kompetenzprofile erfasst und verwaltet. Jeder Nutzer hat ein Ist-Profil, und jeder Stelle im Unternehmen ist ein Soll-Profil zugeordnet. Eine so genannte Gap-Analyse ermittelt die Lücke zwischen dem aktuellen Kompetenzprofil und dem Profil einer angestrebten Position.

Ziel all dieser Aktivitäten, so formuliert es Habichler, ist ein Business-Performance-System, das von der Leistungsvereinbarung über die Karriereplanung bis hin zur Organisation der Führungskräftenachfolge alle wichtigen Elemente der Personalentwicklung enthält.