"Es gibt keine Bastelecken mehr"

23.08.2007
Auf die Anbietermaxime Service-Management reagieren Anwender zurückhaltend. Olav Strand, Geschäftsführer von BMC Deutschland, verteidigt im Interview mit CW-Redakteur Ludger Schmitz die Orientierung.

CW: Wie hat sich der Markt entwickelt, seit BMC 2003 mit Business-Service-Management (BSM) ein neues strategisches Ziel des IT-Managements ausgegeben hat?

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Strand: Der Markt hat es honoriert. Zunächst stieg die Nachfrage nur mäßig an, aber seit drei Jahren verzeichnen wir nun deutliches Wachstum. Seit etwa zwölf Monaten nimmt die Nachfrage nach einer Integration von Service-Desk, Change-Management und Asset-Management rasant zu. Zentraler Bestandteil in praktisch allen Ausschreibungen ist die Change and Configuration Management Database (CMDB).

CW: Verwunderlich ist die Nachfrage beim Asset-Management kein neues Thema und eine Itil-Eingangsdisziplin.

Strand: Kunden verwenden als Tools für das Asset-Management oft genug Excel-Anwendungen. Diese haben keine Verbindung zum Finance- und Controlling-Backoffice-System und lassen sich nur bedingt in ein umfangreicheres BSM und die zentrale CMDB integrieren. Ähnlich steht es mit den althergebrachten Trouble-Ticket-Systemen. Die Einbindung von Teillösungen anderer Anbieter in ein umfassendes BSM-Konzept ist generell möglich. Die Mehrzahl der Unternehmen bevorzugt jedoch den Aufbau einer homogenen BSM-Plattform.

CW: Wie gut überprüfen Anwender ihre Service-Level-Agreements (SLAs)?

Strand: Es gibt kein Unternehmen mehr, das keine Service-Level-Agreements hätte. Aber es ist ganz unterschiedlich, was darunter verstanden und wie damit umgegangen wird. SLAs beziehen sich meist auf die Verfügbarkeit und Performance technischer Komponenten wie Server oder Netzwerke. Ein höher entwickeltes Service-Level-Management bezieht sich auf die Anwendung, den Business-Service oder den Kerngeschäftsprozess. Hier geht es nicht nur um Antwortzeiten und Verfügbarkeiten, sondern darum, welche Geschäftsprozesse für ihr Funktionieren welche technischen Leistungen erfordern.

CW: Sind Firmen bestimmter Größen oder Branchen besonders weit bei der BSM-Implementierung?

Strand: Die so genannten Early Adopters sind eindeutig Telekommunikationsfirmen. Danach kommen Finanzdienstleister, wobei hier die Banken den Versicherungen voraus sind. Momentan entsteht eine stärkere Nachfrage aus produzierenden Unternehmen, besonders aus dem Bereich Automobilindustrie.

CW: Was sind die nachweisbaren Vorteile, wenn man Produkte für eine BSM-Strategie verwendet?

Strand: Es gibt eine Aussage von Forrester, dass Unternehmen, die BSM konsequent betreiben, bis zu 25 Prozent ihres IT-Budgets umschichten können: Bisher für die reine Aufrechterhaltung des IT-Betriebs benötigte Gelder werden dadurch für IT-Innovationen frei. Wir haben Kunden, die das bestätigen. In einem Fall konnten rund 20 Prozent des IT-Budgets von der Backoffice-Unterstützung zur Unterstützung der Kerngeschäftsprozesse umgelenkt werden. Ein anderer Kunde von uns hat festgestellt, dass er unnötigerweise Speicher für mehrere Millionen Euro vorgehalten hat.

CW: Stellen sich positive Ergebnisse erst nach einer gewissen Zeit, nach vielen Investitionen in Teillösungen ein?

Strand: Es ist eindeutig so, dass ein umfassendes BSM mehr ist als die Summe seiner Teile. Aber jeder einzelne Schritt hat seinen Wert. Ein kontrollierter Update-Prozess dank Change-Management senkt das Risiko von Ausfällen und die Aufwendungen für Nacharbeiten. Per Asset-Management wird man möglicherweise feststellen, dass bestimmte Anschaffungen unnötig sind. Eine Performance-Analyse stellt garantiert fest, dass ein Rechenzentrum bei weitem nicht ausgelastet ist.

CW: Dann geht es also mehr um Rationalisierung als um Innovation.

Strand: BSM bedeutet "Industrialisierung des IT-Betriebs". Die Qualität der internen IT-Prozesse ist vergleichbar mit dem "Handwerk der ersten Stunde". Das sind keine industrialisierten Prozesse. Man stelle sich bei einem Automobilhersteller eine Produktionsstraße vor, die zu zwölf Prozent ausgelastet ist! IT ist nicht so viel anders, sie ist eine Fertigungsstraße für Informationen.

CW: IT ist aber eine Dienstleistung und keine Massenproduktion von Waren.

Strand: Mit IT-Industrialisierung meine ich die Optimierungspotenziale im Datacenter, das heißt die kontinuierliche Verbesserung der internen IT-Prozesse, die Automatisierung von Standardabläufen sowie das Kapazitäts-Management. Ich bin davon überzeugt, dass es keine Alternative dazu gibt, die IT-Auslastung zu steigern. Die Fertigung eines modernen Autos ist auch nicht komplexer als die Einrichtung und Versorgung eines Desktops mit remoten Server-Applikationen.

CW: Welche Hemmnisse stellen sich der Automatisierung durch Service-Management entgegen?

Strand: Zum einen müssen die IT-Anbieter ihre Hausaufgaben machen. Wir haben bei BMC vier Jahre gebraucht, um unsere Lösungen für die verschiedenen Itil-Disziplinen zu integrieren. Und es kommen ständig weitere Aufgaben hinzu. Zum anderen ist es auf Anwenderseite eine strategische Entscheidung. Natürlich kann sich jemand für eine kurzfristig wirkende, unabhängige Punktlösung zum Beispiel für Asset-Management entscheiden. Aber bei einer strategischen Entscheidung wie BSM geht es um ein großes und risikobehaftetes Projekt, weil es auch organisatorische Änderungen nach sich zieht.

CW: Warum verändert sich die Organisation?

Strand: BSM führt im Datacenter zu einer Re-Fokussierung auf den Kunden. Die bisherige primäre Sicht auf technische Komponenten weicht dem Blick auf die Qualität der Business-Services oder der unterstützten Geschäftsprozesse. Die Mitarbeiter im Rechenzentrum werden dann auch an ihrem Beitrag zur Kundenzufriedenheit gemessen.

CW: Die IT-Spezialisten setzen dem Service-Management den meisten Widerstand entgegen.

Strand: Es werden Erbhöfe verletzt, Bereiche restrukturiert, Mitarbeiter müssen auf verschiedenen Ebenen überzeugt werden. In einem zunehmend industrialisierten Prozess wird die Produktionstiefe der einzelnen IT-Mitarbeiter sinken. Ihre Arbeitsleistung muss zu mindestens 80 Prozent auf ihre Kernkompetenz bezogen sein. Und das schränkt die Kreativität des Einzelnen ein; da gibt es keine Bastelecken mehr. Bisherige Hierarchien ändern sich zu virtuellen, auf Zeit gebildeten Teams. Veränderung wird von vielen per se als negativ empfunden.

CW: Die Anbieter argumentieren mit den Kostenvorteilen von BSM; aber nach einer Forrester-Analyse erleben die Anwender in erster Linie eine kontinuierliche Verbesserung der Prozesse und eine bessere Qualität der IT-Services.

Strand: Beides trifft zu und bestimmt den Erfolg von BSM. Nehmen wir das Thema Automatisierung von Standardabläufen. Neben Qualitätssicherung und Risikominimierung erreichen unsere Kunden dadurch auch Kostenvorteile. Reduzierung von Ausfallzeiten, schnellere Fehlerbearbeitung, weniger fehlerträchtige Updates und Patches, höhere Transparenz bei Veränderungen, eine konsistente Datenbasis, einfachere Budgetierung und IT-Finanzplanung alle diese Aspekte ziehen Kostenvorteile nach sich und bestimmen den Erfolg von BSM.