Nepper, Schlepper, Bauernfänger verkaufen EDV-Grundausbildung

Es gibt auch schwarze Schafe

05.09.1975

STUTTGART - Frau Dora Scheer, Hausfrau im schwäbischen Dörfchen Freiamt und Ehemann Alfred, Bauhilfsarbeiter mit 700 Mark Monatseinkommen, sahen eine rosige Welt vor sich. In einem halbstündigen Gespräch hatte ihnen ein Vertreter der Firma Eurodidact GmbH, Gerlingen, enormen Nebenverdienst versprochen. Vorausgesetzt, Frau Scheer ließe sich zur Programmiererin ausbilden. Das aber sei kein Problem: Lediglich müsse von den braven Eheleuten ein Bestellschein für ein über fünf Semester laufendes Lehrwerk "Elektronische Datenverarbeitung" abgezeichnet werden. Und Scheers unterschrieben.

Doch was ins Freiamter Häuschen kam, war eine saftige Rechnung Über 2430 Mark. Die wiederum konnte die zukünftige Programmiererin nicht zahlen. Eurodidact bemühte den Gerichtsvollzieher. Frau Scheer ging schileßlich zum Rechtsanwalt.

Fernlehr-Täter

Die gescheiterte EDV-Karriere bekam ein Aktenzeichen des Stuttgarter Amtsgerichts: Nr. 8 c 17 115/68.

Amtsgerichtsrat Dr. Kleinknecht traf eine weise Entscheidung. Die Klage der Eurodidact auf Vertragserfüllung und Zahlung wurde kostenpflichtig abgewiesen: Frau Dora habe schließlich gar nicht begreifen können, was man ihr da andrehe.

Der Lehrgangshändler habe seine Aufklärungspflicht verletzt. Und so weiß Frau Scheer in Freiamt bis zum heutigen Tage nicht, was ein Computer ist.

Dieser Fäll ist einer der ersten, aber nur einer von hunderten ähnlicher, mit denen sich die ABI, Aktion Bildungsinformation e. V.9 Stuttgart, seit 1968 beschäftigt hat und noch beschäftigt.

Studenten hatten die ABI 1969 gegründet, um in schwäbischen Dörfern für mehr Bildungswilligkeit zu werben. Sie stellten fest, daß clevere Vertreter von Fernlehrinstituten schon vor ihnen da gewesen waren - und mit Erfolg. Nicht so sehr für die Bildungswilligen, aber durchaus für die Bankkonten windiger Institute und Fernunterricht-Akademien. Die ABI beschloß, den Ferniehr-Tätern ein wenig auf die Finger zu schauen.

Raubritter am Werk

"Eines Tages fiel uns auf, daß man angeblich aus Bäckern und Bergleuten scheinbar mühelos EDV-Fachleute machen kann" erzählt lngo Heinemann (32), Rechtsbeistand und stellvertretender Vorsitzender der ABI "und dann stellten wir fest, daß Raubritter am Werk waren, Absahner, die Dummen lediglich das Geld aus der Tasche ziehen wollten".

Schwierige Rechtslage

Wie diffizil die Thematik ist, zeigt ein noch aktuelles Beispiel aus Hannover. Dort wirkt die DVS GmbH, Datenverarbeitung und Schulung. Für 1700 Mark bieten sie jedermann die Ausbildung zum "Programmierer elektronischer Datenverarbeitungsanlagen" an. ("Die Ausbildung ist ausgerichtet auf Anlagen der 3. Generation".) Ein Betriebsschlosser biß auf das DVS-Werbeargument an, nach dem Lehrgang könne er sich bei der Industrie- und Handelskammer Solingen sozusagen amtlich prüfen lassen. Er unterschrieb einen Vertrag.

Doch erst im Nachherein stellte er fest, daß er betrogen worden war. Denn die IHK hatte der DVS zwar geschrieben, sie sei grundsätzlich bereit, Bewerber auch aus dem Raum Hannover zu prüfen. Aber auch, daß der VDS-Lehrplan wohl nicht ausreiche, genügend qualifizierte Bewerber zu produzieren. Und eben diesen Punkt hatte VDS dem Betriebsschlosserverschwiegen.

Opfer getäuscht

Beim Landgericht Hannover (Aktenzeichen 7 C 476) wurde bestätigt, was schon das Hannoversche Amtsgericht konstatiert hatte: Die VDS GmbH bekommt keinen Pfennig, der Betriebsschlosser braucht nicht zu zahlen. Er sei das Opfer eines Täuschungsmanövers. Anderseits bestätigte das niedersächsische Kultusministerium noch 1974, daß VDS-Absolventen grundsätzlich sehr wohl zur IHK-Prüfung - diesmal in Braunschweig - zuzulassen seien. Und das "Deutsche Institut für angewandte Datenverarbeitung" gutachtete im Dezember 1973, VDS gebe hinreichende Gewähr, für eine qualifizierte Programmiererausbildung.

"Mit den Gutachten hatten wir in der Vergangenheit immer so unsere Probleme", berichtet Heinemann. "Die Rechtsunsicherheit, vor allem wegen mangelnder Berufsbilder, ist hoch." Ein "Problemator" für die ABI ist der Gießener Professor Dr. Corell, Direktor des Instituts für programmiertes Lernen. "Professor Corell hat uns schon manchen Prozeß, den wir eigentlich hätten gewinnen müssen, kaputt-gegutachtet" stellt der ABI-Rechtsbeistand fest.

Im Regelfalle jedoch obsiegen die ABI-Kämpfer, die praktischen Verbraucherschutz mit juristischen Waffen auf ihre Idealisten-Fahne geschrieben haben. Die Rechtsprechung auch höhere Instanzen hat heute in Deutschland in diesen Fällen eine gewisse, für uns positive Einheitlichkeit gewonnen", erklärte Heinemann. - Das ist ohne Zweifel das Verdienst der ABI.