Erfolge nur mit Re-Engineering erreichbar Diebold: Fuerstentuemer in Form von Abteilungen haben ausgedient

18.02.1994

FRANKFURT/M. (hp) - Rigorose Sparkonzepte schoenen zwar kurzfristig die Bilanz, machen aber noch lange kein erfolgreiches Unternehmen. Eine laengerfristige Trendwende ist nur mit umfassendem Re- Engineering zu erreichen, dem allerdings bislang das traditionelle Abteilungsdenken im Wege steht.

"Die Kosten fuer vergleichbare Leistungen liegen in Deutschland um 30 bis 40 Prozent ueber denen in Japan und den USA. Da nutzt es nichts, an kleinen Schraeubchen zu drehen", zieht Wolfgang Dernbach, Geschaeftsfuehrer der Diebold Deutschland GmbH, das Fazit aus der Studie seines Hauses "Fit aus der Krise".

Fuer den Diebold-Manager liegen die entscheidenden Erfolgsfaktoren nicht im technischen Vorsprung, sondern in den Dienstleistungen rund um ein Produkt, also bei der Lieferzuverlaessigkeit, den Reklamationsraten und der Faehigkeit, schnell auf Kundenwuensche reagieren zu koennen. In diesem Servicebereich fuehlen sich allerdings die wenigsten deutschen Unternehmen stark. So sehen ueber die Haelfte der von Diebold befragten Firmen ihre Schwaeche bei der Lieferzeit und -treue.

Dabei ist sich die deutsche Industrie der Krisensituation bewusst. Davon zeugen allein die unzaehligen gut besuchten Veranstaltungen ueber Total Quality Management, Lean Management, Kaizen, Sparpotentiale, Kuendigungsstrategien oder Mitarbeitermotivation. Bei den konkreten Bemuehungen, die Schwierigkeiten zu meistern, stehen allerdings in erster Linie Kosteneinsparungen im Vordergrund, die vor allem durch Stellenabbau realisiert werden sollen.

"Zwar werden so kurzfristig Kosten gesenkt, aber eine laengerfristige Trendwende in Form eines Quantensprungs ist auf diese Weise nicht herbeizufuehren", fuehrt Dernbach aus. Die grundlegende Schwierigkeit sei, dass diese Methoden nur Einzelbereiche des Unternehmens reformierten, die grundsaetzliche Abteilungsordnung mit dem traditionellen Management-Konzept, das auf funktionaler, hierarchischer Fuehrung basiere, jedoch nicht in Frage stellten.

So versuche jede Abteilung fuer sich, ihren speziellen Zustaendigkeitsbereich zu optimieren. Hier setzt Diebolds Geschaeftsprozessoptimierung genanntes Re-Engineering-Konzept an.

"Den Kunden interessiert nicht, ob jede einzelne Abteilung fuer sich funktioniert, sondern ob das Produkt und der Service seinen Beduerfnissen entsprechen", erklaert Dernbach. Eine nicht an Fachbereichen, sondern an Geschaeftsprozessen orientierte Struktur liesse die Unternehmen bis zu 40 Prozent effektiver wirtschaften.

Voraussetzung hierfuer sei der Abschied von den traditionellen Fuehrungsweisen und die Zusammenarbeit der einzelnen Organisationseinheiten, die eine grundsaetzliche Verhaltensaenderung der Mitarbeiter erfordere. "Das Denken in Fuerstentuemern ist dann vorbei", resuemiert Dernbach.

Der Ansatz, Arbeitsprozesse in den Mittelpunkt zu stellen, sei nicht neu. Eine Innovation stelle jedoch die Optimierung auf Basis quantitativ messbarer Leistungsgroessen dar. Diebold liefert hierzu einige Beispiele aus der Praxis. So nahm sich ein deutscher Anlagenbauer vor, im Rahmen einer Geschaeftsprozessoptimierung die Lieferzeiten von zwoelf auf drei Monate zu reduzieren und die Gemeinkosten um 30 Prozent zu senken. Das Unternehmen konnte diese Ziele durch eine umfassende Reorganisation bei weitem uebertreffen.

Wichtig, so der Diebold-Geschaeftsfuehrer, ist, dass Vertreter aus allen Abteilungen an der Erreichung der vom Management gesteckten Ziele mitarbeiten. Durch diesen Leistungsdruck ueberwinde ein Grossteil der Mitarbeiter das Kaestchendenken und lerne unternehmensweiten Kategorien den Vorzug zu geben. Dieser Prozess bewirke zudem die Aufhebung der arbeitsteiligen Organisation auf Geschaeftsfuehrungsebene.

Hintergrund der strukturellen Krise ist die Tatsache, dass die technische Ueberlegenheit, von der die deutschen Unternehmen bislang vor allem beim Maschinenbau profitierten, heute nur sehr kurzfristig einen Vorteil schaffe. Technische Innovationen, so fuehrt der Diebold-Manager aus, wuerden naemlich selbst von Schwellenlaendern schnell aufgeholt und mit nur geringer Verzoegerung zu niedrigeren Preisen angeboten.

Diese Entwicklung schlaegt sich auch in der DV-Branche nieder. So gibt es inzwischen fast keinen Hersteller, der seine Rechnerkomponenten nicht im Fernen Osten oder China herstellen laesst. Selbst japanische Anbieter, die lange Zeit fuer Europas Industrie als Vorbilder fungierten, kennen das Phaenomen der Produktionsabwanderung.