Englische Unternehmen verschenken Internet-Access

Englische Unternehmen verschenken Internet-Access Kostenloser Web-Zugang ist kein Universalkonzept

05.03.1999
CW-Bericht, Frank Niemann Grossbritannien entwickelt sich zum Mekka für Web-Surfer. Warenhausketten und Mediengesellschaften verschenken Internet- Zugänge, um Online-Kunden zu gewinnen. Das Konzept boomt bisher nur bei den Briten, in Deutschland ist es aufgrund teurer Ortsnetztarife nicht in Sicht.

Kürzlich starteten in Großbritannien die Nahrungsmittelkette Tesco, der Zeitungsverlag Newsquest sowie die landesweit größte TV- und Hi-Fi-Ladenkette Dixons kostenlose Internet-Dienste. Die Firmen kooperieren dabei mit Internet-Service-Providern (ISPs). Bis auf die Telefongebühren für die Einwahl fallen beim Nutzer keine Kosten an. Das Ziel der Anbieter ist klar. Sie wollen durch Online-Werbung sowie Produktverkäufe über ihre Web-Sites verdienen. Zielgruppe sind dabei Kunden, denen der Name von klassischen Online-Diensten wie Compuserve und AOL nicht bekannt ist, wohl aber der prominenter Handelsketten.

Dixons Strategie scheint aufzugehen, denn deren Angebot "Freeserve" zählt bereits zu den weltweit am schnellsten wachsenden Online-Diensten. Mehr als eine Million Briten haben sich innerhalb von zwölf Monaten registriert. Einzige Auflage: Der Surfer muß mindestens einmal in 30 Tagen online gehen, sonst wird sein Account gelöscht. Dixons Erfolg bescherte dem Unternehmen eine Partnerschaft mit dem deutschen Medienkonzern Bertelsmann. Dieser entschloß sich, die britische Ausgabe seines Internet- Buchhandels Bol.com für drei Jahre über Freeserve anzubieten.

Doch nicht alles an Freeserve ist kostenfrei. Für den technischen Support per Telefon berechnet der Anbieter ein Pfund, rund 2,85 Mark. Zudem stellt sich die Frage, wie zuverlässig diese Zugangsdienste im Vergleich zu kostenpflichtigen Services sind. Ein Sprecher des Online-Dienstes Compuserve in Deutschland gab zu bedenken, daß allzu hohe Ansprüche an die Verfügbarkeit des Netzes wohl kaum angebracht sind.

Dennoch hat der Trend auch die Telekommunikationsindustrie im Vereinigten Königreich erfaßt. Um nicht durch branchenfremde Anbieter in Bedrängnis zu geraten, stellte British Telecom (BT) flugs seinen ebenfalls kostenfreien Dienst "Clickfree" auf die Beine. Umsatz soll die Online-Werbung bringen. Außerdem hat BT mit dem Web-Shop Valuedirect ein exklusives Vertriebsabkommen geschlossen. Für jedes Produkt, daß Clickfree-User dort kaufen, kassiert der Telefonkonzern Provision. Für Kaufanreize ist auch gesorgt, denn Valuedirect gewährt den Anwendern des BT-Dienstes besondere Preisnachlässe.

Die Briten haben gut lachen, denn durch die Liberalisierung des TK-Marktes sind Carrier dort gezwungen, sich einen Teil ihrer Einnahmen aus dem Wählnetz mit den Internet-Service-Providern (ISPs) zu teilen.

Nach Angaben des "Wired Magazin" erhalten die Provider 30 bis 90 Pence (0,85 bis 2,55 Mark) für jede Online-Stunde. Auf diese Weise ist die Finanzierung der freien Internet-Zugänge teilweise gesichert.

US-Anbieter gingen sogar noch einen Schritt weiter. Free-pc.com aus Kalifornien verschenkt 10000 Computer inklusive kostenlosem Internet-Zugang an Anwender, die genau in das gewünschte Kundenprofil passen. Über 500000 Anwärter bewarben sich bereits.

Während in Großbritannien kostenlose Internet-Zugänge einen Boom erleben, steht hierzulande der Anbieter Callisto Germany.net in Frankfurt am Main mit diesem Angebot allein auf weiter Flur. Zur Zeit sind etwa 600000 Anwender registriert, die als Gegenleistung Online-Werbung über sich ergehen lassen müssen. Nach Meinung von Experten dürfte es eher unwahrscheinlich sein, daß deutsche Warenhausketten oder Medienunternehmen das britische Konzept der kostenlosen Internet-Zugänge übernehmen, da hier andere Marktbedingungen herrschen. Zum einen werden die ISPs nicht an den Umsätzen mit Dial-up-Verbindungen beteiligt, zum anderen sind die Gebühren für Ortsgespräche zu hoch. Zwar erhält der Kunde bei dem von Metro und Debis betriebenen Web-Shop Primus Online auch einen Netzzugang, doch für den muß er zahlen. Ebenso verhält es sich mit den Angeboten einiger Banken, die mit Online-Diensten wie AOL und T-Online kooperieren.

Joe Saywer, Analyst beim Marktforschungsunternehmen Forrester Research, geht davon aus, daß die Niederlande und Irland als nächstes gebührenfreien Web-Access anbieten werden, da dort ein sehr scharfer Wettbewerb auf dem Telekommunikationssektor herrscht. Freeserve, so Saywer, habe gezeigt, was passiert, wenn die Hauptbarriere für die Entwicklung des Internet in Europa, der teure Ortsnetzzugang, fällt.

Dies sei speziell in Deutschland noch nicht in Sicht. Statt kostenloser Zugänge werden sich nach Ansicht von Thorsten Wichmann, Geschäftsführer des Berliner Marktforschungsunternehmens Berlecon Research, hierzulande eher Pauschaltarife durchsetzen, bei denen der Anwender einen Fixbetrag für Telefon- und Provider- Nutzung zahlt.

Diesen Weg schlägt beispielsweise die Telekommunikationsgesellschaft Mobilcom ein. Nach dem gescheiterten Versuch des Unternehmens, mit der 77-Mark- Monatspauschale für den Internet-Zugang den Markt aufzurollen, offeriert das Unternehmen nun eine Pauschalbetrag von sechs Pfennig pro Minute. Mobilcom unterbietet damit den Konkurrenten Viag Interkom, der seit Oktober 1998 für die Surf-Minute zehn Pfennig berechnet.

T-Online will auch mitmischen und läßt ab April seine Kunden zu einem Minutenfestpreis von sechs Pfennig ins Netz, berechnet aber zusätzlich eine monatliche Grundgebühr. Online-Dienstebetreiber AOL Bertelsmann witterte hinter dem Tarifmodell der Telekom- Tochter eine Quersubventionierung innerhalb des Bonner Konzerns und reichte eine Beschwerde bei der EU-Kommission ein. Die will in den nächsten Wochen entscheiden, ob ein Verfahren gegen den Ex- Monopolisten eröffnet wird.

Pauschaltarife, wie sie Viag Interkom, Mobilcom und T-Online vorgestellt haben, sind ein Indiz dafür, daß in Deutschland die Provider-Kosten zumindest für den Privatkundenbereich nicht mehr ins Gewicht fallen. Entscheidend und teuer sind dagegen die Telefongebühren im Ortsnetz.

Abrechnung

In Deutschland rechnen Provider im wesentlichen nach folgenden Modellen ab: Pauschaltarife in- oder exklusive Telefongebühren, Grundgebühr plus Verbindungsentgelte oder Internet-by-Call (vergleichbar dem Call-by-Call beim Telefonieren). Im letzteren Fall muß sich der Nutzer nicht an einen bestimmten Anbieter binden, und er bezahlt nur die Zeit, in der er tatsächlich online ist. Die meisten Pauschaltarife hingegen lohnen erst ab einer gewissen Nutzungsdauer.