CW-Wert

Eindimensional, oder?

12.07.2005

Wir Journalisten haben dieses Jahr richtig was zu feiern. Genau 400 Jahre ist es nun her, dass erstmals eine Zeitung Leser davon unterrichtete, was sich an "gedenckwürdigen Historien hin unnd wider in Hoch unnd Nieder Teutschland/auch in Franckreich/ Italien/Schott und Engelland/ Hisspanien/ Hungern/Polen/Siebenbürgen/Wallachey/Moldaw/Türckey verlauffen und zutragen möchte". Zu verdanken haben wir die Geburt dessen, was heute gemeinhin als vierte Kraft im Staat bezeichnet wird, dem Drucker Johann Carolus aus Straßburg.

Besonders bemerkenswert ist, dass Deutschland vor rund 200 Jahren geradezu nachrichtengeil gewesen sein muss. Immerhin buhlten im französischen Revolutionsjahr 1789 hierzulande schon 190 Zeitungen um die Gunst eines lesewütigen Publikums. Bei den revoltierenden Nachbarn gab es zu der Zeit gerade mal drei Gazetten. Deutschland, einig Zeitungsland, könnte man also meinen.

Wenn man heute mit Bekannten und Zufallsbekannten spricht, gewinnt man allerdings den Eindruck, dass die Zeiten, als der Leser noch genussvoll à la Wagner in Goethes "Faust" von Zeile zu Zeile, von Blatt zu Blatt wandelte, endgültig vorbei sind. "Ich informier mich im Internet", kommt sehr häufig als Antwort auf die Frage, ob man noch Zeitung liest. "Das ist schneller, aktueller." Es ist leider auch eindimensionaler. Denn man liest natürlich nur genau das, wonach man gesucht hat. Warum aber beispielsweise der Himmel blau und nicht lila ist - mit welcher mörderisch-klugen Frage einen neugierige und aufgeschlossene Kinder garantiert irgendwann auf dem falschen Fuß erwischen - , das wird man wahrscheinlich nie erfahren. Weil man nie auf die Idee gekommen ist, selbst danach zu fragen.

Es sei denn, man würde noch Zeitung lesen. Auch im Druck, versteht sich. Wie vor 400 Jahren. Auch solcher Erkenntniszuwachs wäre dann vielleicht ein Grund zum Feiern.