Virtuelle Menschen

Ein digitaler Todesfall

11.09.2015
Von 
Pierre Tempel ist CIO bei 3DLogics, einem auf 3D Visualisierung und Augmented Reality spezialisierten Unternehmen. Vor seinem Start bei 3DLogics verantwortete er als CTO der PointMagic GmbH die  technologische Ausrichtung des Entwicklers von IT-Sicherheits-Lösungen und -Hardware, sowie die Beziehungen zur OEM Produktionsstätte. Davor leitete er bereits ein größeres Softwareprojekt im Bereich Genetik.
Auf der Hacker-Konferenz "DEF CON" zeigte Chris Rock wie in den USA durch simple Tricks gefälschte Todes- und Geburtsurkunden erstellt werden und Verbrecher damit Geld verdienen können.

In seinem Vortrag auf der weltgrößten Hacker-Konferenz "DEF CON", welche dieses Jahr in Las Vegas zum 23. Mal ihre Türen öffnete, zeigte Hacker und Autor Chris Rock, wie einfach jedermann Todesurkunden ausstellen kann.

Wie einfach es ist, in den USA Menschen virtuell zu töten und zu beerdigen, zeigte Chris Rock auf der DEF CON 23 in Las Vegas.
Wie einfach es ist, in den USA Menschen virtuell zu töten und zu beerdigen, zeigte Chris Rock auf der DEF CON 23 in Las Vegas.
Foto: Lemon Tree Images - shutterstock.com

Um einen Todesfall zu melden, und damit auch den dazugehörigen Todesschein auszustellen, braucht es in der Zeit der Digitalisierung nur einen PC. Im sogenannten EDRS (Electronic Death Registration System) der USA muss zur Identifikation eines Arztes nur dessen Lizenznummer angegeben werden. Diese kann sich allerdings jeder einfach aus einer von vielen Ärztelisten kopieren, welche ebenfalls frei im Internet verfügbar sind.

Aber Rock geht noch zwei Schritte weiter. In seiner Demonstration stellte er nicht nur eine Todesurkunde für Glen McEwen aus - ein Hacker, der sich als führendes Mitglied der Gruppe LulzSec ausgab- sondern schrieb in dessen Namen, ebenfalls online, ein Testament. In diesem vermerkte Rock sich selbst als Bevollmächtigten für das Konto von McEwen. Mit diesem Schreiben hätte er sich an eine Bank wenden, und damit Zugriff auf McEwens Konto erhalten können.

Um den nun virtuell verstorbenen McEwen noch selbst "beerdigen" zu dürfen, stellte Rock noch einen Antrag auf Zulassung als Beerdigungsinstitut. Dieser Vorgang erfordert in den meisten Staaten der USA keinerlei Zertifikate oder Ausbildung. Es gibt sogar Handbücher, die den Antragsprozess einfach erklären. Zu seinem Beerdigungsinstitut setze er zusätzlich eine Fake-Website auf.

"Geburt" auf Knopfdruck

Noch einfacher als einen Menschen aus dem System zu löschen, ist es, einen neuen Erdenbürger digital zum Leben zu erwecken. Im Gegenstück zum EDRS, dem EBR (Electronic Birth Registration), ist es noch einfacher möglich Geburten zu registrieren.

Der Vorteil von rechtlichen Todesurkunden ist für Hacker und Kriminelle immens: von Behinderung von Ermittlungen (durch "Tötung" der Ermittler) bis zur finanziellen Bereicherung. Doch Rock zeigt, dass die Kombination von massenhaften digitalen "Babys", wie er neue Identitäten nennt und deren Tod, für Kriminelle unzählige Möglichkeiten birgt den Staat und die Justiz auszutricksen.

Im Gegensatz zu gefälschten Identitäten, welche zum Beispiel durch falsche Papiere wie Pässe erlangt werden, sind Rocks "digitale Babys" tatsächlich in staatlichen Systemen vorhanden. Sie können also eine Sozialversicherungsnummer, ein Konto, einen Wohnsitz und sogar Aktiendepots besitzen.

Somit könnten im Untergrund operierende Gruppen, vor allem Terroristen künstlich "legale" amerikanische Einwohner erzeugen, um zum Beispiel Kredite für die Finanzierung von illegalen Aktivitäten erlangen. (bw)