Eigenbrötlerische Standardisierung

05.01.1990

Jetzt haben die Normierer - bislang eher tabuisiert - einen Rüffel bekommen. Kritik übt einer der ihren, Theodor Irmer, Direktor der CCITT. Der bemängelte, daß viel Geld verpulvert werde, weil die Designer häufig am Bedarf des Users vorbeientwickeln. Unprofessionell sei die Arbeit, und deshalb müßten die Gesetze des Produktmanagements in den Stuben der Gremien Einzug halten.

Irmers Appell an die Vorstandsetagen bringt indes große Gefahren. Erstens ist fraglich, ob an Vertriebszahlen orientierte Fachleute überhaupt das nötige technische Wissen und gebotene Maß an Objektivität haben, um detaillierte Vorgaben machen zu können. Zweitens droht ein Rückfall in proprietäre Gepflogenheiten, noch ehe sie richtig abgelegt wurden.

Natürlich ist es kein Geheimnis, daß Unternehmen ihre Ziele in den Normierungsausschüssen durchzusetzen versuchen. Eine absolut sklavische Bindung der Spezifikationstüftler an die Politik ihrer Brötchengeber würde die Standardisierung jedoch mit Sicherheit verzögern, im schlimmsten Fall gar blockieren. Dem Kunden, der ausschließlich am stabilen und offenen Resultaten Interesse hat, ist damit keinesfalls gedient.

Trotz der Bedenken gegenüber Irmers Vorschlag müssen auch die unter Beschuß geratenen in medias res gehen. Wer diese Experten kennt, der weiß, daß es sich überwiegend um leidenschaftliche Verfechter der Sache handelt. Passion kann aber auch den Blick für das Wesentliche verstellen. pg