Gefragt sind jetzt entsprechende Konverterprogramme:

Edifact schafft Grundlage für Datenaustausch im Handel

16.10.1987

Der endgültige Weltstandard für den elektronischen Handelsdatenaustausch kurz "Edifact", ist unter Dach und Fach: Ohne Gegenstimmen hat die ISO am 10./11. September auf einer Sitzung in Berlin die entsprechende "Internationale Norm ISO 9735" verabschiedet. Heiko Mehnen* schildert die Auswirkungen dieses Schrittes und zeigt Realisierungsmöglichkeiten für den Anwender auf.

Haben vor einiger Zeit noch die Abkürzungen CAD (Computer Aided Design) und CAM (Computer Aided Manufacturing) eine magische Wirkung auf die industrielle Geschäftswelt ausgeübt, so sind es heute die Abkürzungen VANS (Value Aided Network Services), ISDN (Integrated Service Data Network) und EDI (Electronic Data Interchange).

Große und kleine Unternehmen bewältigen einen bedeutenden Teil ihrer Alltagsarbeit mittels Computer, insbesondere im Verwaltungsbereich. Dabei werden Daten verarbeitet, die später einem Geschäftspartner im Rahmen eines Geschäftsvorganges als Angebot, Bestellung oder Rechnung zugeleitet werden, in den meisten Fällen in Form eines Dokumentes.

Einige Unternehmen haben daher vor einiger Zeit begonnen, den ineffektiven Weg über das Dokument zu vermeiden. Sie bieten ihre Daten den Partnern direkt auf Datenträgern oder über eine Telekommunikations-Transfer-Verbindung an. Das Verfahren nennt sich EDI, und die Telematikdienste sind unter anderem die erwähnten VANS oder das ISDN.

Interne Insellösungen behindern den Fortschritt

Dieser Weg birgt allerdings folgende gravierende Problematik. Da weder ein allgemeines Verfahren noch eine Norm vorhanden waren, entwickelten die Unternehmen eigene Verfahren und Systeme, die sie dann mit ihren Partnern nutzten. Es bildeten sich kleine Anwendergruppen.

Es ist jedoch für die zukünftige Entwicklung im Handel, soll ein automatisierter Datenaustausch mit vielen Partnern betrieben werden, fast unmöglich, die vielen einzeln entstandenen Systeme miteinander zu koppeln oder kompatibel zu machen. Es können immer nur einige wenige miteinander auf diese Weise arbeiten. Eine Situation, die einer allgemeinen Einführung und weltweiten Anwendung hinderlich ist. Einzige Lösung dieses Problems ist die, sich auf einen Standard zu einigen.

So lobenswert eine solche Entwicklung auch ist, so verlagerte sie die genannte Problematik jedoch lediglich auf eine andere Ebene. Eine branchenübergreifende Anwendung ohne das Aufgeben einer der branchenbezogenen Lösungen ist hier wiederum nicht möglich. Nur ein neu zu schaffender Standard, der eine branchenübergreifende Realisierung ermöglicht, kann die Forderung nach einer internationalen, branchenübergreifenden Lösung erfüllen.

Allerdings ist ein solches Vorhaben aufgrund der vielfältigen Interessen ebenfalls problematisch. Es werden diejenigen, die schon ein System eingeführt und dafür Geld und Zeit aufgewandt haben, sich der Einführung eines neuen Systems widersetzen, haben sie sich doch für ihren Bereich einen Vorsprung anderen Bereichen gegenüber herausarbeiten können.

Bei Betrachtung der internationalen Entwicklung muß jedoch erkannt werden, daß ein solcher Vorsprung nur kurzlebig sein kann. Er wird sich vielmehr in das Gegenteil wandeln.

Aus der Kenntnis dieser Problematik heraus und dem Zwang, aufgrund der Existenz technischer Voraussetzungen für alle etwas einheitliches und Nutzbringendes zu schaffen, haben übergeordnete internationale Institutionen an einer Weltnorm für den automatisierten Datenaustausch im Handel gearbeitet.

Das Ergebnis liegt nun vor, und es ist als eines der größten Erfolge in den Bemühungen zur Handelserleichterung und als eines der bedeutendsten Übereinkommen der Geschichte des Handels generell zu werten, daß ein international abgestimmter Standard für den automatisierten Datenaustausch geschaffen wurde: Er nennt sich "Edifact", "Electronic Data Interchange for Administration, Commerce und Transport".

Die Realisierung von "Edifact" (veröffentlicht als ISO 9735 und DIN 16556) wurde durch den Einfluß und unter direkter Mitarbeit höchster Gremien verwirklicht. Regierungsstellen vieler Länder, insbesondere die für Handelsvereinfachungen zuständigen Institutionen, für die Bundesrepublik Deutschland "Deupro", unterstützten diese Arbeit und verhalfen zu internationaler Akzeptanz.

"Edifact" beinhaltet eine Syntax das heißt eine Art Grammatik, die vorgibt, wie die Informationen über Handelsvorgänge einheitlich zu verschlüsseln und in einer Übertragungsdatei abzulegen sind. Die in Datenelementen enthaltenen Informationen werden in vorher definierte Segmente variabler Länge eingefügt die wiederum Teil eines Geschäftsvorganges, in "Edifact" einer Message, sind. Ein Segment faßt dabei logisch zusammengehörende Datenelemente zu einer Einheit zusammen. Vordefinierte, jedoch in bestimmten Fällen nicht verwendete Segmente und Datenelemente können, falls zulässig, weggelassen werden, wobei bestimmte Komprimierungsregeln gelten. Die fertige Übertragungsdatei kann dann mit den üblichen beziehungsweise von der Post angebotenen Übertragungsdiensten einem Partner übermittelt werden, der diese dann entschlüsselt und für die Weiterverarbeitung nutzt.

In erster Linie profitieren die Unternehmen allein schon durch die Existenz des Weltstandards selbst, seine internationale Verbreitung, die Abstimmung und Pflege. Man kann sich auf ein einziges System konzentrieren. Unternehmen, die sich dem automatisierten Datenaustausch anschließen wollen, haben die Sicherheit, auf ein System setzen zu können, das keine Insellösung ist. Es besteht nicht mehr die Gefahr, durch Wahl eines falschen Systems eine kostspielige Fehlentscheidung zu treffen.

Zweiter Vorteil ist, daß es sich um ein System handelt, mit dem Daten in effektiver, komprimierter Form übermittelt werden können. Bei der Systementwicklung wurden positive Eigenschaften einander ähnlicher Systeme wie zum Beispiel die des europäischen TDI ( Trade Data Interchange) oder des amerikanischen ANSI X12 in einem neuen System vereinigt. Ein weiterer Vorteil ist, daß man "Edifact" als Brücke zwischen Systemen benutzen kann ohne die Ausgangssysteme grundlegend ändern zu müssen.

Die für eine Übertragung vorgesehenen unternehmensinternen Datensatz- und Datenstrukturen mit ihren für die Handelsabwicklung notwendigen Informationen entsprechen bei der Generierung nicht beziehungsweise noch nicht den geforderten Standardstrukturen, man muß sie konvertieren. Diese Konvertierung kann von einer unternehmensinternen Satzstruktur in einen Branchenstandard, von der unternehmensinternen Satzstruktur in die "Edifact"-Struktur oder auch vom Branchenstandard in die "Edifact"-Struktur erfolgen. Da eine Konvertierung immer auch in die andere Richtung beziehungsweise in die Ausgangsstruktur erfolgen muß, kann ein Standard wie "Edifact" eine Art Brückenfunktion zwischen fremden System ausüben.

Durch die Benutzung des Standards als Brückensystem reduziert sich die Zahl notwendiger Konvertierungen zwischen unterschiedlichen Systemen, und die Anwender bekommen zusätzlich die Möglichkeit, vom Branchensystem langsam auf die Standard-Anwendung überzuschwenken. Im internationalen Sprachgebrauch wird dieser Vorgang als Migration bezeichnet.

Unterschiedliche Techniken der Informationsordnung

Die Syntax eines Datenaustauschsystems legt fest, mit welcher Technik und in welcher Ordnung Datenelemente in Datensätzen oder Segmenten abzulegen sind, damit sie in einer Datei möglichst wenig Platz einnehmen und dennoch leicht identifizierbar sind. Des weiteren werden, bezogen auf Geschäftsvorgänge, sogenannte Nachrichten oder "Messages" entwickelt, in denen zusammengehörende Informationsteile (Datenelemente) nach ganz bestimmten Richtlinien zusammengefaßt werden.

Die Technik, in welcher Weise und in welcher Ordnung die Informationsteile abgelegt werden, ist von System zu System verschieden. Will man nun Informationen zwischen mehreren Systemen austauschen, muß man sich entweder auf eines einigen oder in ein Standardsystem konvertieren, von dem aus dann in andere Systeme weiterkonvertiert werden kann.

Das Standardsystem nimmt bei der Konvertierung die Informationsteile nach der neuen vereinbarten Technik in neuer vereinbarter Ordnung auf. Sowohl die Technik als auch die neue Ordnung sind allen Nutzern bekannt, die nun wiederum die Informationen herauslesen und in ihr eigenes System konvertieren können. Da in fast allen Fällen die unternehmensinternen Abläufe und somit die unternehmensinternen Systeme von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sind, wird fast ausschließlich der Weg der Konvertierung in ein Standardsystem beschritten.

Zwei Lösungswege für die Konvertierung

Da es sich um Computeranwendungen handelt, muß dazu ein entsprechendes Konverterprogramm eingesetzt werden.

Für eine Realisierung gibt es daher nur zwei Lösungswege:

1. Man schreibt selbst Software, die dem neuen Standard gerecht wird, und verbindet sie mit den eigenen internen Daten-Strukturen.

2. Man verwendet Standardsoftware, die "Edifact"-fremde Daten-Strukturen in die Standardstruktur umsetzt.

Bewertung der Lösungsmöglichkeiten:

Weg 1 hat den Vorteil einer gewissen Unabhängigkeit und des Know-how-Gewinns, jedoch den gravierenden Nachteil hoher Entwicklungskosten und großen Zeitbedarfs zur Realisierung. Des weiteren schlägt der üblicherweise hohe Aufwand bei Aufnahme neuer Messages sowie zur Systempflege negativ zu Buche.

Weg 2 beinhaltet bei genauer Betrachtung drei Möglichkeiten:

- Verwendung von Software mit fest definierten und eingegebenen Message-Strukturen

- Verwendung von Software mit beschränkter Eingabe und Änderungsmöglichkeit von Messages

- Verwendung von Software mit Zusatzprogrammen, die eine flexible Anpassung an neue Messagestrukturen sowie an die zukünftige Entwicklung gestatten.

Um die nachfolgende Argumentation zu verstehen, muß gesagt werden, daß ein Konvertierungsprogramm ein Informationsteil, in den meisten Fällen eine Datei, benötigt, aus dem beziehungsweise aus der hervorgeht, wie von einem System in ein anderes zu konvertieren ist. Die Informationsdatei beziehungsweise der Informationsteil kann entweder in ein Konvertierungsprogramm geladen werden oder fest darin enthalten sein.

Bei fest definierten Messagestrukturen ist dieser Informationsteil meist unveränderlich im Konverterprogramm enthalten. Bei einer beschränkten Änderungsmöglichkeit kann der Message-bezogene Informationsteil mit einem Texteditor nach vorgegebenen Regeln in Grenzen verändert werden. Nur Programme mit einem syntaxbezogenen Editor erlauben eine flexible, unkomplizierte und schnelle Erstellung und Änderung dieses Informationsteils. Auch wenn die genannte Lösung der fest vorgegebenen Messagestrukturen häufig die preiswertere ist, so wirkt sich die Abhängigkeit vom Softwarehersteller bei Messageänderungen beziehungsweise bei der Aufnahme neuer Messages als ungünstiger Faktor aus. Positiv im Sinne einer standardisierten Anwendung ist zu bewerten, daß der Anwender gezwungen ist, eine Standardmessage so zu benutzen, wie sie einmal definiert wurde.

Etwas günstiger für eine Beschaffung ist Software mit beschränkter Änderungs- und Erstellungsmöglichkeit von Messages zu bewerten. Die Unabhängigkeit bei zukünftigen Änderungen ist ein positiver Aspekt. Nachteilig ist, daß die Erstellung des Informationsteils einer Programmiertätigkeit gleichkommt und die Eingabe somit sowohl kompliziert als auch fehleranfällig ist.

Bei dem zu empfehlenden Kauf von Software mit Zusatzprogrammen zur leichten Messageerstellung und flexiblen Anpassung müssen die Zusatzprogramme den vorgegebenen Standardregeln für die Messageentwicklung entsprechen. Trotz Flexibilität muß durch entsprechende Vorgaben in der Anwendung der Programme die Einhaltung der Regeln des Standards, sowohl in der Syntax als auch im Message-Design, gewährleistet sein. Es darf keine Möglichkeit bestehen, der Syntaxvorgabe auszuweichen. Software und Zusatzprogramme dienen dann der Anpassung unterschiedlicher Strukturen, dem Message-Design sowie der Wartung eingegebener Strukturen. Eingegebene Daten müssen leicht auffindbar und problemlos zu ändern beziehungsweise zu ergänzen sein, ohne daß umständliche und vor allem zeitraubende Arbeiten notwendig werden.

Möchte ein Anwender viele Standard-Messages verwenden und auch welche für den eigenen internen Gebrauch entwickeln, ist die Nutzung eines Softwareproduktes mit Hilfsprogrammen unausweichlich. Hat er mit einigen Geschäftspartnern bilaterale Abkommen, die sich auf Messageinhalte beziehen, so ist dies ein weiterer Grund für die notwendige Beschaffung eines solchen Softwareproduktes .

Fragen zur Einführung

In den "Kangeroo News", einem Publikationsorgan einiger engagierter Parlamentarier des Europäischen Parlaments, stand kürzlich, daß Europa ohne integrierte Telekommunikation nicht konkurrenzfähig sein kann. Die Schlagzeile dieses Artikels "Nightmare Networks" (Alptraum Netzwerke) weist dabei auf eine noch nicht ganz gelöste Problematik bei der Einführung des elektronischen Datenaustausches hin: Es sind die unterschiedlichen Netzwerke und Übertragungsdienste, die von den Postverwaltungen angeboten werden. Auch hier ist es notwendig, sich auf einen Standard zu einigen. Sowohl die technische Seite, das heißt die Übertragungsart und -geschwindigkeit, als auch das jeweilige Übertragungsprotokoll sind hier betroffen. Die Tendenz zeigt, daß sich voraussichtlich Datex-P-Anwendungen mit Standardprotokollen durchsetzen werden. Außerdem werden Netzwerkanbieter mit Servicenetzen, wie sie in den USA häufig vertreten sind, von den Anwendern vermehrt genutzt werden.

Eine sehr wichtige Aufgabe wird in der Überwachung der Einhaltung des angewandten Standards liegen. Jede eingesetzte Software, ob selbstentwickelt oder gekauft, muß die durch den Standard vorgegebene Syntax hundertprozentig realisieren. Schon bei einer kleinen Abweichung können Mißverständnisse auftreten, oder es kann die gesamte Anwendung unbrauchbar werden. Da es sich um die elektronische Abwicklung von Geschäftsvorgängen handelt, tangieren Inkompatibilitäten außerdem rechtliche Aspekte. Wer von zwei Partnern hat zum Beispiel bei Inkompatibilität das fehlerhafte System, und wie wirkt sich dies auf den Geschäftsvorgang aus?

Zur Überwachung von Software und der Einhaltung der vereinbarten Strukturen für Standardmessages werden Testcenter für Konformitätstests eingerichtet. Solchen Einrichtungen können bei Neuinstallierung eines Konverterprogramms oder bei Einführung einer neuen Message Testübertragung geschickt werden. Umgekehrt werden diese Testcenter die Aufgabe bekommen, Testmessages an eine Neuinstallierung zu senden, um diese auf Syntaxkonformität zu prüfen. Ob dann ein Zertifikat ausgegeben werden soll beziehungsweise gewünscht wird, wird die zukünftige Entwicklung zeigen. Eine Überwachung ist jedenfalls erforderlich.

Wie in diesem Artikel ausgeführt, sind alle Grundvoraussetzungen für einen weltweiten automatisierten Handelsdatenaustausch geschaffen. Der Bedarf ist vorhanden, die Norm liegt vor und die Akzeptanz ist da. Nun gilt es, die Einführung zu koordinieren und gezielt vorzugehen. Sowohl die "Unece" als auch die EG-Kommission werden im Rahmen dieser Einführung weiterhin ihre koordinierende Aufgabe wahrnehmen. Die EG-Kommission hat zu diesem Zweck ein Projekt namens "Tedis" (Trade Electronic Data Interchange Systems) ins Leben gerufen, das, mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet, die Einführung überwachen Regierungsstellen in den einzelnen Staaten müssen nun dafür sorgen, daß die Industrie ihres Landes sich entsprechend beteiligt und den Anschluß an Entwicklung nicht verliert.