DV-Manager in der Krise

06.04.1984

Neue Kommunikationstechniken sowie der fortschreitende Einsatz von Mikrocomputern in den Fachbereichen stellen für das heutige DV-Management eine immer größere Herausforderung dar. Die Rolle des Verantwortlichen ist dabei nicht wie bisher in traditioneller Form festgelegt. Alternative Verhaltensweisen fördern die Entscheidungsfindung für die Ziele Koordination und Informationsproduktivität. Die künftige Kommunikationsinfrastruktur verweist das Management in zunehmendem Maß - auf die neuen Technologien als Handwerkszeug, (Teil 2).

In jeder der vier Grundsituationen heißen die Zeitkiller anders. Ihnen gemeinsam ist das Chaos im Denken. Situationen schneller zu klären und Ursachen gezielter zu finden, um mehr Zeit für die Entscheidungsfindung, die Maßnahmenabsicherung und vor allem für die Chancenanalyse zu gewinnen, würde wesentlich durch ein Training der analytischen Denkfähigkeit aller Führungskräfte des Unternehmens als Grundvoraussetzung erleichtern.

Diese "Innovation des Managementdenkens" anzustoßen und zu koordinieren stellt besonders eine Aufgabe für das EDV-Management dar, die als Ergebnis praktiziertes Informations-Management darstellt.

Abbildung 3 stellt die Relation zwischen gegenwarts-/vergangenheitsgerichteten sowie zukunftsorientierten Aktivitäten dar. Sie zeigt die vier rationalen Denkprozesse in einer Gesamtübersicht und macht deren zeitliche Auswirkung deutlich.

Anknüpfend an die Situationsanalyse aus der 1. Folge (Abb. 1) soll zunächst der beste Weg für einen koordinierten Einsatz der Microcomputer (PC) gefunden werden. Der Grund, weshalb diesem Thema im Rahmen der Situationsanalyse die höchste Priorität gegeben wurde, ist, daß in vielen Unternehmen wirklich etwas "anbrennt", kommt es nicht zu einer abgestimmten Vorgehensweise.

Der Mikro-Einsatz soll einen konkreten Beitrag zur Verbesserung der Informationsproduktivität leisten. Zweck der Entscheidung des EDV-Verantwortlichen, die Rolle im Mikro-Projekt zu wählen, in der er den Beitrag des Mikro am besten fördern kann.

Die Skala der möglichen Verhaltensweisen für den EDV-Verantwortlichen von der eher passiven Rolle des Beraters bis hin zum aktiven Projektmanager. Welche Rolle im individuellen Fall die zweckmäßigste ist laßt sich anhand der Ziele entscheiden, die mit der Koordination verfolgt werden, die deshalb im folgenden für einen gedachten Fall zunächst beispielhaft erarbeitet werden.

Zielsetzungen

Warum soll sich der EDV-Leiter beim dezentralen Mikro-Einsatz einschalten? Die Frage nach den Zielen gilt es zunächst zu beantworten, um später entscheiden zu können, welche die wirksamste Verhaltensweise ist. Diese Ziele sind gewissermaßen die "Meßlatte" zum Bewerten der alternativen Rollen des EDV-Leiters.

Der wichtigste Gesichtspunkt für die Definition aller Zielsetzungen ist ihre Erreichbarkeit. Unter Berücksichtigung der folgenden drei Grundtendenzen, die in der Mikro-Szene zu beobachten sind, gelingen vielleicht realistische Definitionen.

- Es ist notwendig, daß der weitere Mikro-Einsatz koordiniert erfolgt, nachdem vielfach schon "Wildwuchs" zu beobachten ist. Vor einer totalen zentralistischen Kontrolle der Mikro-Akivitäten ist jedoch dringend zu warnen. Die Initiativen in den Fachbereichen sollten als Beitrag zur gewünschten Produktivitätsverbesserung verstanden und deshalb erhalten und gefördert werden.

- Da Basiswissen über Technik und Handhabung des Mikro mittlerweile jedermann zugänglich ist, besteht auch die Gefahr der Überschätzung des EDV- und Organisations-Know-how im Fachbereich. Damit können Wege beschritten werden, die Sackgasse bilden und später umfangreiche Hilfeleistungen der EDV-Abteilung erfordern.

- Der Mikro-Markt unterliegt einer starken Eigendynamik. Wandlungen vollziehen sich schneller, als es der EDV-Manager bemerkt. Richtlinien und Empfehlungen sollen deshalb nicht starr und zu detalliert gehalten sein, weil sie sonst kurzfristig von der Entwicklung überrollt werden.

Gegensätze nutzen

Um konkrete Ziele für eine Koordination des Mikro-Einsatzes zu entwickeln, lautet die erste Frage:

Was soll erreicht werden?

a) Mikro-Beitrag zur Info-Produktivitätsverbesserung maximal fördern

b) Eigeninitiative und Problembewußtsein in den Fachbereichen erhalten und fördern

c) Möglichst rasche Nutzung der Mikro-Vorteile in den Fachbereichen. Die Frage, was durch das Einschalten des EDV-Leiters verhindert werden soll, weist auf spezielle Betrachtungspunkte. Um bei den zirka 300 Mikro-Anbietern auf dem deutschen Markt ein "Typenchaos" im Unternehmen zu vermeiden, stellt sich ein weiteres Ziel in der

d) Minimierung der Mikro-Typenzahl unter Berücksichtigung von Hardware- und Schnittstellen-Mindestbedingungen dar.

Zu verhindern ist auch der Verlust von Daten durch mangelhafte Datensicherung oder Veröffentlichung geschützter Daten durch Nichtbeachtung der gesetzlichen Bestimmungen. Ein weiterer Endzweck lautet deshalb

e) Maximale Einwirkung auf die Beachtung von Datensicherungsstandards und die Einhaltung des Datenschutzgesetzes.

Nach den Fragen, was erreicht und was verhindert werden soll, hilft uns die Betrachtung der verfügbaren Mittel sowie der zu beachtenden Einschränkungen, die Liste der Zielpunkte zu vervolltständigen.

Eine wichtige Einschränkung liegt in der Arbeitsbelastung, die durch das Mikro-Involvement für den EDV-Leiter maximal entstehen darf. Daraus könnte sich im praktischen Fall ergeben:

f) Mikro-Involvement für den EDV-Leiter von maximal 20 Prozent der Monatsarbeitszeit

Zielcharakteristika

In diesem Katalog sind Ziele von unterschiedlicher Natur enthalten. Absolute Erfüllung durch jede Alternative ist notwendig bei dem Muß-Ziel, Einhaltung des Zeit-Budgets, bei anderen Wunsch-Zielen - wie die möglichst rasche Mikro-Nutzung wird auch eine graduelle Erfüllung akzeptiert.

Die einzelnen Wunschziele besitzen eine unterschiedliche Bedeutung der eine entsprechende Gewichtung zukommt: das höchstrangige mit zehn, die anderen absteigend. Abb. 4 enthält den gruppierten und gewichteten Zielkatalog, so wie er im konkreten Fall entstanden sein könnte. Dieser Katalog ist nur als Beispiel anzusehen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Definition, Gruppierung und Gewichtung sind die wichtigsten Schritte der Entscheidungsanalyse. Ihnen soll in der Praxis die meiste Zeit eingeräumt und sie sollten mit den an der Entscheidung Beteiligten gemeinsam durchgeführt werden.

Aus dem Spektrum möglicher Verhaltenswünsche für den EDV-Leiter ragen drei typische heraus, die sich im Grad der Einflußnahme und im zeitlichen Engagement unterscheiden:

Berater-Rolle

Der EDV-Leiter berät auf Anfrage bei der Auswahl von Hardware und Software. Er hilft außerdem bei der Suche nach geeigneten Beschaffungsquellen und bietet Anwendungsberatung an. Ansonsten verhält er sich aber eher passiv und läßt die Mikro-Angelegenheiten das "Bier" der Fachbereiche sein.

Koordinator-Rolle

Der EDV-Leiter ist Berater, erarbeitet aber zusätzlich noch zusammen mit den Fachbereichen ein dezentrales Mikro-Konzept. Außerdem erstellt er Rahmenrichtlinien für die Beschaffung von Hardware und Software, überlaßt die Ausführung allerdings den Fachbereichen.

Projektmanager-Rolle

Hier macht der EDV-Leiter die Mikro-Sache vollends zu seinem "Baby", nimmt weitgehend Einfluß und engagiert sich auch zeitlich in größerem Umfang. Neben den Inhalten der bereits beschriebenen Rolle übernimmt er folgende Aufgaben:

- zentrale Beschaffung von Hardware und Software

- Planung und Durchführung von Mikro-Anwendungen

- zentrale Software-Qualitätssicherung

Da in vielen Praxisfällen anders als in diesem Beispiel keine Alternativen zu erkennen sind, müssen diese herauskristallisiert werden. Das ist ein Vorgang, der sehr viel Kreativität erfordert und deshalb möglichst in der Gruppe und in einer kreativitätsfördernden Atmosphäre erfolgen soll.

Entscheidungsfindung

Um eine ausgewogene Entscheidung treffen zu können, sollen vor der endgültigen Wahl Vorteile und Nachteile der Alternativen betrachtet werden. Ideal wäre eine Alternative, die alle Ziele mit geringstem Mitteleinsatz am besten erfüllt und dabei noch das kleinste Risiko aufweist. Das Bewertungsverfahren stellt die drei Alternativen der Reihe nach allen Zielsetzungen gegenüber und ermittelt die Zielerfüllung. Im ersten Durchgang ergeben sich Informationen über die Zielerfüllung, im zweiten wird eine Bewertung möglich. Das Muß-Ziel steht zu Beginn der Fragenreihe.

Wird sich das Involvement für den EDV-Leiter im Rahmen von 20 Prozent der Monatsarbeitszeit halten?

"Sieger" unter den beiden verbleibenden Alternativen wird diejenige sein, die bei der relativen Bewertung der Wunsch-Ziele gut abschneidet. Die Alternative, die ein Ziel am besten erfüllt, erhält an dieser Stelle die Wertzahl 10 und alle anderen in Relation dazu abgestufte Bewertungen. Anschließend sind die vergebenen Wertzahlen mit dem Gewicht der Wunschziele zu multiplizieren, so daß für jede Alternative dann als Gesamtergebnis die Summer der gewichteten Wertzahlen steht. Abb. 5 enthält diesen Bewertungsvorgang.

Mit der gewichteten Wertzahl 342 geht die Alternative Koordinator als "vorläufiger Sieger" hervor. Vorläufig deshalb, weil nach der Vorteilsbetrachtung auch die Nachteile und Risiken jeder Alternative betrachtet werden. Sie könnten bei der vorläufig besten Alternative so hoch sein, daß eine Entscheidung für die zweitbeste Lösung ausfällt, denn Ausgwogenheit galt als Motto.

Auch diese systematische Betrachtung ist ein sehr kreativer Vorgang, der auf Erfahrung und Vorstellungskraft basieren muß. Welche Probleme könnten entstehen und welche Effekte könnte das haben? Ein spezifisches Risiko geht in die Bewertung ein, indem die Wahrscheinlichkeit seines Auftretens und seine Tragweite abgeschätzt wird. Eine vereinfachte Prüfung für beide Alternativen könnte so aussehen:

Die Betrachtung bestätigt die Vorentscheidung. Die Alternative Koordinator hat mehr Vorteile und weist auch eine geringeres Risiko auf. Es spricht also alles dafür, daß "die beste Rolle des EDV-Leiters im Mikro-Projekt" die des Koordinators ist, wobei der Unterschied zur Beraterrolle zwar deutlich, aber nicht immens groß ist. Das gilt natürlich nur für diese Beispiele - die Demonstration eines bewährten Verfahrens der Entscheidungsfindung - und wird in einem praktischen Fall - wenn Ziele unterschiedlich gewichtet und Alternativen verschieden bewertet werden - ganz ander aussehen.

Bedeutung und Nutzen der Entscheidungsanalyse

Die Entscheidungsanalyse "zwingt" dazu, Entscheidungen auf der Basis einer sorgfältigen Analyse relevanter Informationen vorzunehmen, aber hilft sie auch, relevante Informationen zu erhalten? In der zweiten Artikelfolge ergab sich die Erkenntnis, daß relevante Informationen durch den individuellen Denkprozeß entsteht, indem die zunächst neutralen Informationen mit individuellen Absichten verglichen werden. Der wichtigste Schritt der Entscheidungs analyse ist aber die Definition von Zielen, deren Gruppierung und Gewichtung. Solcherart formuliert, er scheinen sie allen Beteiligten bewußter als unartikulierte. Bewußte Ziele wiederum sind ein hervorragendes Instrument, um aus einer Inforamtionsflut relevante Informationen herauszufiltern. Eine weitere Erkenntnis aus der Einführung in die Denkprozesse wer, daß Informationen auf jeden Fall relevant sind, wenn sie eine Antwort auf individuelle Fragen geben. Die Entscheidungsanalyse stimuliert Fragen geradezu. Der rationale Denkprozeß gibt bestimmte Fragen vor und andere entstehen einfach aus den erkannten Informationslücken.

Die Erfahrung hat gezeigt, daß in diesem Denkprozeß geschulte Manager und Mitarbeiter häufiger und gezielter fragen. Genau darin liegt der Effekt für die Verbesserung der Informationsproduktivität. In diesem Zusammenhang sind Verbesserungen angesprochen worden, die zunächst keinen zusätzlichen Technologieeinsatz erfordern.

Ein zusätzlicher, weitreichender Effekt entsteht, wenn es im Rahmen einer zukünftigen Informations- und Infrastruktur gelingt, dem Management technische Hilfsmittel an die Hand zu geben, mit denen die häufiger und präziser formulierten Fragen dann kommuniziert werden können.