Web

Betreiber müssen Kompetenz vermitteln

DSL-Boom: TV-Kabelbranche hängt weit zurück

11.03.2008
Von pte pte
Die vor Jahren eingeleitete Marktoffensive der Kabelnetzbetreiber hat nicht die gewünschten Geländegewinne gebracht. Was fehlt, ist das "Kompetenzimage". Die Protagonisten der Branche geben sich dennoch optimistisch.

Beim Euroforum-Kabelkongress Ende Februar hat sich die Branche mit bemerkenswertem Selbstbewusstsein präsentiert, obwohl Zukunftsaussichten für Kabelnetze nicht rosig aussehen. Seit dem Jahr 2000 sind drei Millionen Kabelhaushalte zum Satelliten-TV gewechselt. Entsprechend stagnieren laut Untersuchungen von Dialog Consult die Umsätze bei derzeit 2,42 Milliarden Euro, das jährliche Wachstum soll bei lediglich einem Prozent liegen. Obwohl rund 80 Prozent der Kabelhaushalte laut Branchenangaben für digitales Fernsehen aufgerüstet sind, nutzen bislang erst 15 Prozent diese Möglichkeit. Das Abonnenten-Geschäft entwickelt sich schleppend, so konnten zum Beispiel die beiden größten Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland und Unity Media erst 1,1 Millionen Haushalte für ihre Pay-TV-Angebote gewinnen.

Für die vermeintlichen Wachstumsfelder "Internet" und "Telefon" ist die Ausgangslage im internationalen Vergleich ebenfalls schlecht. Zwar kann beides durch Netzaufrüstung angeboten werden, bislang nutzen jedoch nur 700.000 Haushalte in Deutschland den Kabel-Telefonanschluss und eine Million Breitband-Internet via Kabel. Das entspricht einem Marktanteil von fünf Prozent. Dennoch bleibt Kabel Deutschland-Chef Adrian von Hammerstein optimistisch. Die Aufholjagd habe begonnen, meint er. Aus der Sicht der großen Kabelnetzbetreiber ist diese Aussage verständlich. Seit dem Verkauf der Kabelnetze durch die Deutsche Telekom an private Investorengruppen vor acht Jahren konnten keine nennenswerten Fortschritte erzielt werden.

Bevor die neue Strategie greifen könnte, musste erst eine Reihe von Blockaden aufgelöst werden: Konflikte mit den Sendeanstalten über die Ausstrahlung im digitale Bouquet, Aufbrechen des Pay-TV-Monopols, vertikale Konsolidierung durch Zukäufe und eine neue Kultur der Kooperation zwischen den großen Netzbetreibern sowie deren Kunden, den Eigentümern von lokalen Netzen aus dem Handwerk und der Wohnungswirtschaft. "Letzteres hat erst den Weg freigemacht für einen direkten Endkundenzugang und ein einheitliches Produktangebot über den eigentlichen Kabelanschluss hinaus", weiß Christian Halemba, Kabelexperte des Düsseldorfer Beratungshauses Mind Business Consultants. So beziffert Unity Media die Quote für die direkte Endkundenvermarktung mittlerweile mit 90 Prozent. Mittlerweile sind 19 Millionen Kabelhaushalte laut Branchenangaben für neue Internetdienste und Telefonie aufgerüstet. Gefördert wurde diese Entwicklung auch durch einen deutlichen Preisverfall bei den Kosten für die Netzaufrüstung.

Auch wenn der Breitband-Markt sich in der Zwischenzeit zugunsten der Deutschen Telekom und ihren Mitanbietern entwickelt hat und nur jeder zehnte Neukunde einen Kabel-Internetanschluss nachfragt, sehen sich die Kabelnetzbetreiber strategisch im Vorteil gegenüber den Telefongesellschaften. Sie sehen sich als so genannte "First Mover" für TV, Internet und Telefonie, dem sogenannten Triple Play. Aus ihrer Sicht gibt es keine vergleichbare Infrastruktur, die alle drei Services in ähnlicher Qualität über ein Netz ermöglicht. Die Kabelbranche geht davon aus, dass der Bandbreitenbedarf mittelfristig wachsen wird, auch wenn das aktuelle Untersuchungen noch nicht bestätigen. Während aufgerüstete Kabelnetze in Zukunft Datenraten von 50 Megabit pro Sekunde und mehr ermöglichen, sind es bei DSL nur 25 Megabit pro Sekunde.

Nach Ansicht von Kabel-BW-Geschäftsführer Klaus Thiemann wird der Markt in den nächsten zwei Jahren verteilt. Es gibt noch mehr als zehn Millionen Haushalte, die noch nicht im Breitband-Zeitalter angekommen sind. Die Strategie lautet: "Angreifen, wo die anderen schwach sind - auf dem Land." Eine Tatsache, die allerdings auch konkurrierende Technikanbieter erkannt haben. So könnten nach Erfahrungen von Ericsson-Vice President Mehdi Schröder Richtfunkstrecken sehr rasch in Betrieb genommen werden, so dass der Anwender bei guter Projektplanung und Installation bereits nach rund sechs Wochen die Verbindung nutzen kann: "Die Richtfunk-Investition ist sehr attraktiv, da keine hohen laufenden Kosten wie bei Standleitungen entstehen". So amortisiere sich - ungeachtet der Kosten für Management, Service und Reparatur - eine Richtfunkstrecke von zehn Kilometern über MINI-LINK bereits nach zwölf Monaten, bei zu erwartenden Laufzeiten von mindestens fünf Jahren.

"Marktforscher haben in 'Blindtests' gelernt, dass die Triple-Play-Produkte der Kabelnetzbetreiber auf dem Papier die Besten im Markt sind, wird allerdings der Absender bekannt, springen viele der interessierten Kunden ab", sagt Halemba. Das liege vor allen Dingen am mangelnden Kompetenzimage der Kabelnetzbetreiber. "Studien zeigen, dass Bündelprodukte vom Kunden eher von Telefongesellschaften als von Kabelnetzbetreibern akzeptiert werden. Die Bekanntheit der neuen Produkte und das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Kabelnetzbetreiber sind noch unzureichend entwickelt", moniert Halemba. Insofern passt es, wenn Unity Media-Chef Parm Sandhu feststellt, dass die Kabelgesellschaften sich nicht mehr über ihre Infrastruktur positionieren dürfen. Sein Unternehmen sieht er als Vorbild. Das Wort Kabel würde nicht mehr in der Kommunikation auftauchen. Man will als Serviceanbieter wahrgenommen werden, der alles aus einer Hand anbietet. "Das ist noch ein weiter Weg, denn über die Jahre hat sich ein bestimmtes Bild über die Leistungsfähigkeit und Serviceorientierung der Kabelanbieter eingeprägt", resümiert Halemba im Gespräch mit pressetext. (pte)