Selbst Bobby Fischer spielt mit Boris:

Diplomat tut's auch im Flugzeug

28.09.1979

Er ist zwar weniger trickreich und komfortabel als sein ältere Bruder, dafür glänzt der neue "Boris Diplomat" des US Schachcomputerherstellers Chafitz Inc. aus Rockville, Maryland (Sandy Exports) mit vielen Extras.

Schon die übersichtlichen und leicht bedienbaren Drucksensoren des handlichen Cockpits (20 x 17 x 3cm) im smarten Design fordern geradewegs zu einer Partie Schach auf.

Und dies um so mehr, als man aus der beiliegenden Bedienungsanleitung erfährt, daß man im Auto, in der Bahn, ja sogar im Flugzeug oder am Strand spielen kann.

Sechs herkömmliche Mignon-Alkali-Batterien sollen netzunabhängig das F 8-Mikroprozessorenherz samt 3 KB-ROM, ettlichen DIP Chips und acht Segmenten des LED-Displays angeblich bis zu neun Stunden lang versorgen.

Ausgerechnet diese bisher bei keinem anderen Mikroschachcomputer bereits gesehene Leistung zeigt sich als verbesserungswürdiger Punkt des Gerätes.

Viel schneller als im Prospekt angegeben saugt nämlich die alles andere als stromsparende LED-Anzeige den Lebenssaft des Batteriesatzes aus, so daß man, wenn möglich, auf Netzbetrieb umschalten muß.

Ein einfacher LED/LDC-Anzeigewechsel könnte unserers Erachtens ein wahres Wunder vollbringen. Dies schmälert aber nicht die Vorzüge des "Diplomaten" gegenüber denen anderer im Handel erhältlicher "Taschengroßmeistern". Wir haben vor allem das günstige Preis-/Leistungsverhältnis vor Augen.

Keiner der amerikanischen Hersteller bietet zur Zeit in dieser Preislage (zirka 450 Mark) so viel Komfort und Handlichkeit (400 Gramm Gesamtgewicht) zugleich.

Die achtstellige Figurensymbolanzeige erlaubt eine fast problemlose Aufstellung und Korrektur von Schachproblemen und -stellungen und gewährt zu jeder Zeit eine Spielstandübersicht.

Die praktisch stufenlose Zeiteinstellung der Spielstärke von 0 Sekunden bis zu 99 Stunden pro Zug wurde schon bei dem Vorgänger "Boris '78" hochgepriesen.

Von seinem großen und teureren Bruder übernahm "Boris Diplomat" auch das ein wenig umgewandelte Programm, das bekanntlich auf der Shannon'schen A/B-Spielstrategie basiert.

Man vermißt lediglich die manchmal makabren Kommentare seines Vorbildes wie: "Haben Sie jemals schon Schach gespielt?", "Oh, Sie sind noch da?" oder "Es gibt immer Hoffnung" und ähnliches mehr.

"Boris 78" vergleichbar zeigten die Testuntersuchungen, daß Diplomat im Problemschach stärker, im Partieschach aber etwas schwächer als zum Beispiel das neue Könkurrenzmodell "Chess Challenger 7" ist.

Die Probleme der folgenden Stellung aus einer WM-Partie "Kortschnoj:Karpow", Baguio 1978, löste "Diplomat" zufriedenstellend (siehe das Diagramm A, Weiß am Zug).

Unglücklicherweise übersah der anziehende Kortschonj in Zeitnot die richtige Fortsetzung und zog fehlerhaft 1.Ta1?? Nach Karpows 1... Sf 3 +!! 2.gf3: Tg6+ 3Kh1 Sf2 matt wurde er zur Aufgabe gezwungen.

"Diplomat" fand nach 24 Stunden die rettende Fortsetzung: 1.h3! und Weiß gewinnt.

Erwartungsgemäß reichen seine fest eingebauten "Schachkünste gegen die Präzision eines Computerweltmeisters "Chess 4.7" nicht aus.

Die noch zu behebenden Eröffnüngs- und Endspielschwächen des "Boris"-Programmes kamen in dieser Kraftprobe besonders kraß zum Vorschein:

Weiß: Chess 4.7.

Elowertung 2260 Punkte

Schwarz: Boris (1400-1500 Punkte)

Skandinavisch

1.e4 d5 2.ed5: Dd5: 3.Sc3 De5+?

Besser war 3... Da5 oder Dd8. So findet die schwarze Dame kaum einen ruhigen Platz.

4.Le2 Sc6 5.Sf3 Da5

Dahin hätte die Dame ohne Tempoverluste gleich im 3. Zug ziehen können.

6.d4 f6?

Ein stellungswidriger Zug und der Keim der Niederlage zugleich. Geboten war schon 6...e6.

7.Ld2 Le6??

Der dritte Fehlgriff, nach dem die Niederlage unabwendbar erscheint.

8.Sb5 Db6 9.Lf4 Da5+

Das letzte Racheschach!

10.c3 Kd7?

10... Tc8 sollte geschehen.

11.d5 a6?

Nach diesem Zug kündigte "Chess 4.7" das Matt in sechs Zügen an, (siehe das Diagramm B, Weiß am Zug).

Haben Sie das Mattbild entdeckt? (Lösung: 12.de6: Ke6: 13.Lc4+ Kf5 14.Sh4+ Kf4: 15.Dc1+ Kg4 16.Le2+ Kh4: 17.Df4 matt.)

" Boris" wählte aber einen schnelleren Untergang, indem er das Matt 12.de6: + Kc8 13.Dd7+ Kb8 14.Lc7:+ 14... Dc7: 15.Dc7: matt bevorzugte.

Wie wir sehen, wurde die Partie für den Weltmeister ein allzu einseitiges "Vergnügen".

Wir dürfen aber nicht vergessen, daß in diesem Falle zum Beispiel der Unterschied von Preis und Leistung annähernd im Verhältnis 1: 1, 5 Millionen Dollar liegt.

Es leuchtet ein, daß ein Amateur gegen einen Schachgroßmeister auch nicht die geringsten Gewinnchancen hat.

Interessant ist vielleicht zu erfahren daß auch der Exweltmeister Bobby Fischer einen "Boris" "sein eigen" nennt.

Vielversprechender ist in der absehbaren Zukunft das "Minischachcomputing". Die letzte Meldung des Herstellers Chafitz Inc. lautet: "Für die Entwicklungsarbeiten an einem Nachfolgeprogramm konnte die Firma die Starprogrammierer Larry Atkin und David Slate einspannen." Diese Zusammenarbeit soll sich angeblich schon bei dem

nächsten, weit stärkeren Borismodell auswirken. ik