Systems-Management-Framework:

Die Robinsonade der Administratoren könnte demnächst ein Ende haben

10.10.1997

Mancher Rechenzentrumsleiter und IT-Manager wird sich sehnsuchtsvoll an alte Zeiten erinnern. Unter zentralistischen Mainframe-Strukturen war die Administra- tion zwar mit mehr Arbeitsaufwand verbunden, aber vergleichsweise einfach und überschaubar. Mit PCs schlug das Pendel in die Gegenrichtung aus: Dezentra- lisierung bis zum Wildwuchs der Systemwelten und Datenstrukturen.

Aufgrund zunehmender Vernetzung und Verbreitung von Client-Server-Strukturen stehen IT-Manager vor der Aufgabe, alle Ressourcen wieder in ein schlüssiges Konzept einzubinden. Der Bedarf für System-Management-Lösungen ist dementsprechend hoch: Laut Gartner Group wächst der Markt dieser Lösungen für verteilte Umgebungen jährlich um 30 Prozent und wird im Jahr 2000 bei weltweit neun Milliarden Dollar liegen. IDC prognostiziert für die Jahrtausendwende sogar einen 12,7-Milliarden-Dollar-Markt.

Mainframes, Midrange- und Desktop-Computer sowie Notebooks, Drucker, Netzwerkkomponenten, unterschiedlichste Applikationen und Betriebssysteme, alle Anwender mit ihren Zugriffsrechten und Benutzerfragen unter einen Hut zu bringen, ist eine komplexe Aufgabe.

In vielen Fällen nutzen die Anwender Einzellösungen, die eine Betriebssystem-Plattform oder einen Aufgabenbereich der Systemverwaltung abdecken. Es ist für sie wenig sinnvoll oder wirtschaftlich, bereits organisierte Prozesse oder funktionierende Verfahren zugunsten eines Gesamtkonzepts aufzugeben. Die Industrie hat diese Anforderungen ihrer Kunden erkannt und bietet zunehmend Systems-Management-Frameworks, die auch bestehende Teillösungen in ein umfassenderes Konzept einbinden sollen.

Ein Systems-Management-Framework stellt alle wesentlichen Dienste für die Administration, Kommunikation und den Datenaustausch in einer IT-Umgebung plattformübergreifend zur Verfügung. Diese Dienste dienen zum einen der Kommunikation und Datenbeschaffung von verschiedenenen IT-Ressourcen wie Betriebssystemen, Netzwerkkomponenten, Druckern, Datenbanken oder Applikationen.

Einzelne System-Management-Applikationen, beispielsweise für die Softwareverteilung oder die Benutzerverwaltung, setzen zum anderen auf dem Framework auf und nutzen dessen Dienste. Dadurch arbeiten die einzelnen System-Management-Anwendungen reibungslos und plattformübergreifend zusammen. Zur Aufrechterhaltung des Systembetriebs sollten demzufolge weitaus weniger Fachkräfte erforderlich sein als bei Insellösungen.

Die Dienste eines Frameworks müssen vier Eckpfeiler im System-Management unterstützen: Installationen, Betrieb und Verfügbarkeit, Sicherheit sowie Administration einer DV-Umgebung. Die erste Anforderung sorgt für die Bereitstellung aller IT-Ressourcen, deren Inventarisierung als auch für die Softwareverteilung.

Aufgabe von Systembetrieb und -verfügbarkeit ist es, alle unternehmenswichtigen Dienste durch permanente Analyse und proaktive Steuerung der IT-Umgebung aufrechtzuerhalten. Das Sicherheits-Management gewährleistet, daß die Anwender auf die ihnen zugewiesenen IT-Ressourcen zugreifen können. Außerdem sorgt es für den Schutz der Firmendaten.

Die Systemadministration erstreckt sich auf operative Aufgaben wie Jobautomatisierung, Helpdesk, Datensicherung und -wiederherstellung, Ausgabesteuerung und andere kontinuierliche Prozesse. Dabei sind Routineaufgaben weitgehend zu automatisieren, um einen effizienten Personaleinsatz zu erreichen und mögliche Fehlerquellen auszuschalten. In diesem Zusammenhang ist auch eine konsistente Benutzeroberfläche in der Administration gefordert, um die Arbeit auf unterschiedlichen Plattformen zu vereinfachen.

Es empfiehlt sich ein Framework objektorientiert aufzubauen, denn es muß für alle System-Management-Disziplinen plattformunabhängig einheitliche Funktionen und Leistungsmerkmale bieten und dabei Datenkonsistenz gewährleisten. Offene, dokumentierte Schnittstellen sollten zusätzlich die Einbindung spezifischer Lösungen, zum Beispiel ein Helpdesk-System oder ein LAN-Management, und deren Anpassung an betriebsspezifische Gegebenheiten ermöglichen.

Darüber hinaus ist eine objektorientierte Lösung physisch wie logisch teilbar. Das erlaubt die Kombination von Diensten und Anwendungen auf unterschiedlichen Plattformen. Je nach Anforderungsprofil und Systemumgebung eines Unternehmens besteht die Möglichkeit, einzelne Management-Aufgaben auf diverse Server, an verschiedene Mitarbeiter oder unterschiedliche Standorte zu verteilen. So lassen sich sowohl spezifische Fachkenntnisse einzelner Mitarbeiter als auch Systemkapazitäten bestmöglich nutzen.

Schließlich ist auch eine hierarchische Struktur unverzichtbar. Zugriffsrechte müssen absteigend definierbar sein, für Eskalationsroutinen gilt umgekehrt der aufsteigende Weg. Diese sogenannten Object-Services gewährleisten nicht zuletzt auch eine zentrale Überwachung und Steuerung. System-Management-Anwendungen lassen sich so an das Unternehmensmodell anpassen - und nicht umgekehrt.

Auch die Migration zwischen Betriebssystemen ist bei einem objektorientierten Framework unproblematisch, denn es unterstützt von vorne herein ein wesentlich breiteres Spektrum an Plattformen als hergebrachte Lösungen. Ähnliches gilt für die Portierung des Framework auf weniger verbreitete Betriebssysteme.

Ein umfassendes und zukunftsweisendes System-Management muß Internet-Techniken berücksichtigen. Dies gilt einerseits - mit Blick auf Verfügbarkeit, Anwenderzugriff oder Sicherheitsmechanismen wie Firewalls - für das Internet oder für Intranets als IT-Ressourcen. Andererseits eröffnet diese Technik auch die Chance, die Administration verteilter Standorte und mobiler Mitarbeiter effizienter zu organisieren, beispielsweise für Softwareverteilung, Datensicherung und Inventarisierung.

In diesem Zusammenhang wird auch Java künftig eine wichtige Rolle spielen. Diese Programmiersprache ermöglicht an erster Stelle die weitere Vereinheitlichung von grafischen Bedieneroberflächen. Aber es gibt noch mehr Gründe, Java für das System-Management einzusetzen: Die Integration von Java-Schnittstellen in das Framework wird die Kommunikation und die Nutzung entsprechender Dienste vereinfachen.

Damit erleichtert sich auch die Kommunikation mit IT-Komponenten, beispielsweise Betriebssystemen, die über kurz oder lang Java-Elemente umfassen werden. Außerdem wird es mit Java einfacher, Agenten zu entwickeln, die System-Management-Aufgaben übernehmen können. Grundsätzlich erhöht Java die Portabilität von Systems-Management-Frameworks beziehungsweise ihren Teilen: So lassen sich künftig auch weniger gängige Betriebssysteme schnell in eine umfassende Überwachung und Steuerung einbinden.

Marktanalysten der Gartner Group zufolge gehört die Zukunft im System-Management den Frameworks, da sie auch die Integration bestehender Lösungen sowie spezifischer Angebote anderer Hersteller sicherstellen. Damit hat der Anwender eine Auswahl, ohne erneut eine Insellösung zu schaffen. Im Umfeld der Framework-Anbieter entwickelt sich demzufolge auch eine schnell wachsende Gruppe von Softwarefirmen, die spezifische, direkt integrierbare Zusatzprodukte anbieten, vom Optimierungs-Tool bis hin zur Helpdesk-Lösung.

Nach wie vor steckt die Implementierung dieses Lösungsansatzes noch in den Kinderschuhen, nach Angaben des Beratungsunternehmens Andersen Consulting erst in der konzeptionellen Phase. Bislang gibt es nur wenige Produkte und noch weniger Kunden, die ein durchgängiges System-Management umsetzen. Das ist nicht zuletzt auch auf fehlende Standards zurückzuführen.

Dennoch erkennen gerade große Anwender in diesem Ansatz die langfristige Lösung ihrer Probleme. So auch Norbert Büker, Geschäftsführer der BV-Info GmbH, eine IT-Servicetochter der Bayerischen Vereinsbank: "In unserem System-Management-Konzept spielt das Framework TME 10 von Tivoli eine wichtige Rolle, weil es uns die Möglichkeit eröffnet, unterschiedliche Applikationen bedarfsgerecht zu integrieren."

Gleichwohl sprechen auch die Kosten, wie eine IDC-Studie aus den USA zeigt, für integrierte System-Management-Lösungen: Danach sparen Organisationen mit integrierten System-Management-Lösungen im Vergleich mit Insellösungen pro Jahr durchschnittlich 117533 Dollar je 100 Benutzer.

Besonders bemerkbar machen sich die Einspareffekte in den Bereichen allgemeine Systemadministration, Softwareverteilung, Benutzerverwaltung und Systembetrieb. Außerdem seien Produktivitätsgewinne und Einsparungen durch höhere Systemverfügbarkeit nicht zu vergessen.

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Client-Server-Umgebungen, Intranets und das Internet stellen steigende Anforderungen an ein umfassendes und zugleich effizientes System-Management. Reibungsloser Datenaustausch und höchstmögliche Systemverfügbarkeit sind unverzichtbar. Um sämtliche Systemkomponenten auch in heterogenen Umgebungen wirtschaftlich nutzen zu können, steht eine plattformübergreifende Management-Lösung nach Angaben von Marktanalysten ganz oben auf der Wunschliste vieler IT-Manager. Die Industrie bereitet sich mit sogenannten Systems-Management-Frameworks auf den zu erwartenden Markt vor.

*Josef Kimmich ist Brand-Manager Systems-Management bei Tivoli Systems in Stuttgart.