"Die Lösung hieß, COM mit TP kombinieren"

12.09.1975

Mit Willi Haas, Leiter der Datenverarbeitung bei der Neckermann-Versand KG, sprach CW-Chefredakteur Dr. Gerhard Maurer

- Die Firma Neckermann ist COM-Anwender. Wieviel Geld sparen Sie durch den Einsatz dieses Verfahrens?

Das läßt sich nicht in Mark und Pfennig beziffern, da wir ein völlig neues Anwendungsgebiet mit COM gelöst haben. Diese unsere COM-Hauptanwendung betrifft in erster Linie die Kundenbetreuung, zum Beispiel bei Rückfragen, - und hier legen wir allergrößten Wert auf eine bessere Service-Leistung wie bisher.

- Aber sicherlich gab es auch Alternativen. Wie anders hätten Sie einen schnellen Service bei der Bearbeitung von Kundenanfragen realisieren können?

Wir fakturieren jährlich über 10 Millionen Kundenrechnungen. Eine konventionelle Ablage schied von Anfang an aus. Sie scheiterte an zu großem Raumbedarf und an dem hohen Personalaufwand. Zuvor hatten wir schon für einen Teil unserer Rechnungen eine - allerdings andere - COM-Lösung per Service-Büro.

- Mußte es wirklich eine eigene COM-Anlage sein?

Unsere jetzigen Kosten belaufen sich auf rund 450 00 Mark pro Jahr. Wir hatten bis zur Anschaffung einer eigenen Anlage, also bis zum 1. Januar 1975, bei einem Service-Büro bereits verfilmen lassen. Dies war erstens sehr zeitaufwendig und zweitens betragen die Kosten für etwa 15 prozent der heutigen Gesamtverfilmung bis zu diesem Zeitpunkt 277 000 Mark jährlich.

- Vermutlich lasten Sie Ihre Hardware noch nicht ganz aus. Mit welcher Kapazitätsnutzung haben Sie begonnen?

Wir begannen im Januar dieses Jahres und konnten schon im ersten Monat 1,5 Millionen Bilder erstellen Die Auslastung der Anlage schwankt mit unserem Versandgeschäft, es gibt Monate mit 1 Million Bilder und gibt Monate mit 3 Millionen Bildern. Zur Zeit arbeiten wir in eineinhalb Schichten, so daß weitere Anwendungen noch hinzukommen können. Es sind solche Projekte auch schon in der Planung, kleinere wurden bereits realisiert.

- Vielleicht beschreiben Sie kurz das Verfahren der Hauptanwendung "Kundenbetreuung".

Dies ist eine Kombination zwischen TP-Anwendung und dem COM-Verfahren. In einer sogenannten Ablagedatei werden Kurzinformationen pro Rechnung gesammelt, - mit einem Hinweis auf Film- und Bildnummer der verfilmten Rechnung. Dabei verwenden wir das Kodak Information Retrieval System, das heißt wir vergeben bei der Erstellung der Bänder für die Verfilmung eine laufende Bildnummer, die in einem Plattenspeicher festgehalten wird. Bei Angabe von Kundennummer und Vorgangsnummer, - beide zusammen ergeben die Rechnungsnummer - werden am Terminal zunächst Informationen aus der Kurzablagedatei Über Bildschirm angezeigt. Dort wird auch angegeben, wo der gewünschte Film mit der entsprechenden Bildnummer zu finden ist.

- Wozu dann noch die Kurzinformation auf der Kurzablagedatei?

Damit sind wir in der Lage, bei 70 Prozent aller Anfragen den Kunden Auskunft zu geben, ohne daß wir auf den Film zurückgreifen müssen.

- Wieviel Anfragen gibt es denn etwa pro Tag und wie oft etwa müssen Sie auf die Filme selbst zurückgreifen?

Das schwankt entsprechend der Produktion von neuen Rechnungen. Der Durchschnitt dürfte pro Tag bei 1000 bis 1500 Anfragen liegen. Bei dieser Zahl müssen wir täglich 300 bis 500mal auf die Filme zurückgreifen. Bei dem Film haben wir am Betrachter eine Schnellsuch-Einrichtung, die nur ein Eintasten der gewünschten Bildnummer erfordert und die Möglichkeit, die entsprechende Rechnung als Hartkopie wieder zu gewinnen. Dies wird zum Beispiel auch verwendet, um Kunden eine früher geschriebene Rechnung zu reproduzieren.

- Wie halten Sie denn nun fest, welche Maßnahmen bei der Bearbeitung solcher Kundenenfragen getroffen wurden?

Es ist möglich in die Kurzablagedatei zusätzlich zu den Kurzinformationen über die maschinell erstellen Rechnungen auch manuell über Bildschirm ein zugeben. So werden alle Sachbearbeitungen und Gespräche, die mit den Kunden geführt werden, in Kurzform verschlüsselt festgehalten, so daß jederzeit ermittelt werden kann, wie sich ein Kundenvorgang entwickelt hat. Diese Aufzeichnungen werden auch dazu verwendet, um andere Abteilungen im Hause, die zu dem Kundenvorgang gehört werden müssen, zu erinnern, daß hier noch eine Antwort aussteht.

- Sie haben also auf dieser Kurzablage sämtliche Kontakte mit Ihren Kunden festgehalten?

Alle Rechnungsausgänge an die Kunden sind in dieser Datei gespeichert, darüber hinaus auch die manuellen Sachbearbeitungen, die in Kurzform hier eingegeben werden- etwa im Monat 100 000 Transaktionen. Allerdings werden die von uns automatisch erstellten Computerbriefe noch nicht in diese Datei eingegeben. Das soll in Zukunft geschehen.

- Wie läuft nun rein physisch das Verfahren? Verfilmen Sie die Rechnungsbänder so wie sie erstellt werden?

Es ist bei dem Kodak-Verfahren notwendig, Software zur Steuerung der KOM 80 einzuspielen, - das heißt wir erstellen die Druckbänder neu. Dies haben wir zum Anlaß genommen, um die Rechnungen, die bei uns kombiniert sind mit Versandpapieren, von ihrem Versandpapier zu trennen und die Druckaufbereitung etwas zu ändern. Während des Verfilmens wird nun mit einem Dia das Rechnungs-Layout eingespielt. Außerdem sind unsere Rechnungen nach Versandbedingungen sortiert und für die Ablage werden sie in Kundennummerfolge benötigt.

- Welche weiteren Anwendungen laufen heute schon bei Ihnen über COM?

Wir nutzen die COM-Anlage für interne Formulare, die einen großen Papieraufwand verursachen würden. Beispiel: die Buchungsliste für unsere Lagerbuchhaltung. Sie würde monatlich eine Druckliste von drei Meter Höhe ergeben. Außerdem verfilmen wir die Debitoren-Konten für unsere Sammelbesteller. Hier bekamen wir eine Ausnahmegenehmigung von der Oberfinanzdirektion Frankfurt, denn Buchhaltungsunterlagen können nicht ohne weiteres nur verfilmtaufbewahrt werden. Dies ist nur mit spezieller Genehmigung möglich. Als weitere Anwendung wären die COM-Anwendungen für N-U-R, Neckermann und Reisen, zu nennen. Wir produzieren hier monatlich 100 000 Bilder für die Buchungsbestätigungen, - die zugleich Rechnung sind - sowie für die Protokolle der über Datenfernverarbeitung getätigten Buchungen. Unsere aus sieben Millionen Adressen bestehende Kundendatei wird im Online-Verfahren gepflegt, jedoch zweimal im Jahr auch verfilmt.

- Warum das, wenn Sie doch sicherlich Datensicherung doppelt und dreifach betreiben?

Wir verwenden bei unserer Kundendatei ein Match-Code-Verfahren. Dies erlaubt aber nicht, in jedem Fall alle Doubletten herauszufinden und so geschieht dies sporadisch manuell. Wir untersuchen aber zur Zeit das Programm Unimail der Firma Uniserv, - dann dürfte das manuelle Finden von Doubletten sich erübrigen.

- Wie geht es mit COM im Hause Neckermann weiter? Wann kommt die nächste Anlage?

Wir glauben, daß diese Anlage uns für die nächsten fünf Jahre ausreicht. Sie ist zur Zeit nur mit eineinhalb Schichten besetzt, während wir in unserem Rechenzentrum im Dreischicht-Betrieb voll durcharbeiten. Wir haben also hier noch einige Luft und können der Zukunft in Ruhe entgegensehen.

- Können Sie sich vorstellen, daß man in Ihrem Hause auch ohne COM über die Runden käme?

Natürlich haben wir 25 Jahre ohne COM existiert, - aber ein härter werdender Markt erfordert mehr Kundenservice, mehr Kundenfreundlichkeit. Wir können uns jetzt das Leben ohne COM nicht mehr Vorstellen.

- Haben Sie diese Anwendung mit eigenem Know-how realisieren können?

Sicherlich haben wir bei der Maschinenauswahl mit verschiedenen Herstellern gesprochen. Und auch da und dort verschiedene Anregungen bekommen, Aber diese TP/COM-Lösung ist eine eigene Entwicklung von uns; diese Anwendungen wurden von einem Mitarbeiter in knapp drei Mannjahren realisiert.