Der Dinosaurier der Werbung & Reklame

Die Litfaßsäule ist nicht tot zu kriegen

18.12.2015
Vor fast 200 Jahren wurde der Erfinder der Litfaßsäule geboren: Ernst Litfaß. Bis heute bescheinigen Werbeexperten dem Berliner Buchdrucker eine geniale Idee. Nun erhält die Litfaßsäule neuen Schub - durch das Smartphone.

Sie ist mehr als 2,50 Meter groß, wird jedes Jahr dicker und zieht doch die Blicke der Passanten auf sich: Die Litfaßsäule. Sie kommt auch 200 Jahre nach dem Geburtstag ihres Erfinders Ernst Litfaß nicht aus der Mode. Rund 50.000 Werbe-Säulen stehen derzeit auf Deutschlands Straßen und wirken im Smartphone-Zeitalter wie Dinosaurier der Werbung. Für Theater, Zirkusse oder kleinere Unternehmen bleibt die Litfaßsäule dank günstiger Preise dennoch der beliebteste Werbeträger. "Die Litfaßsäule hat noch immer ihren festen Platz", sagt Marc Sausen vom Werbevermarkter Ströer, der einen Großteil der Säulen in Deutschland vermarktet.

Retro-Trend dank Ubiquitious Computing

Dank der zunehmenden Mobilität der Menschen sind die Werbesäulen nach Angaben des Facherverbandes Aussenwerbung gerade heute ein gefragtes Medium: "Vieles was früher indoor war, passiert nun draußen", sagt eine Sprecherin. Immer mehr junge Menschen verzichten auf das eigene Auto und nutzen Busse und Bahnen. Zudem verbringen sie weniger Zeit zu Hause, weil feste Fernsehzeiten und der heimische PC durch Internet und Smartphone keine Rolle mehr spielen: Für die "Out of home"-Werbung sind das günstige Entwicklungen.

Der Auslöser für die Erfindung der Litfaßsäule war der Wunsch nach Ordnung: Der Berliner Buchdrucker Ernst Litfaß ärgerte sich über den Wildwuchs an Zetteln und Postern in Berlin, so dass er am 1. Juli 1855 eine "Annonciersäule" aufstellte. Wenig später klebten Tanzlokale, Weinstuben und Theater ihre Aushänge ordentlich an die Säulen statt wie zuvor an Bäume und Hauswände - die Litfaßsäule war geboren und gilt bis heute als Start der Plakatwerbung. Den Namen ihres Erfinders trägt sie noch immer in alter Schreibweise: Denn da es sich um einen Eigennamen handelt, schreibt sich die Litfaßsäule laut Duden auch nach der Rechtschreibreform noch immer mit ß.

Die Litfaßsäule im digitalen Zeitalter

Berlin ist bis heute auch Hauptstadt der Litfaßsäulen: Allein dort gibt es nach Angaben des Werbevermarkters Draussenwerber mehr als 3000 Litfaßsäulen. Besonders an gefragten Plätzen wie dem Alexanderplatz oder dem Hackeschen Markt sind die Werbeflächen gut gebucht. "Die Litfaßsäulen sind effizient und haben eine hohe Reichweite", sagt Geschäftsführer Marc Bieling, der dem "Reklamekönig" Ernst Litfaß auch aus heutiger Sicht eine herausragende Idee bescheinigt. Der Platz für aufgeklebte Plakate koste zum Teil weniger als einen Euro pro Tag - und sei somit auch für kleinere Kulturbetriebe interessant.

Aber auch große Firmen setzen nach Angaben des Fachverbandes Aussenwerbung als Teil großer Werbekampagnen auf die Säulen - wählen dafür aber auch gerne die neuen Versionen mit Verglasung, Beleuchtung und digitalen Werbefenstern. Die gute alte Litfaßsäule bleibt hingegen Handarbeit: Mehr als 150 Schichten werden übereinanderklebt, bevor sie abspecken muss. Alle paar Jahre rücken dann die Plakatkleber mit der Motorsäge an und erleichtern den Werbe-Dinosaurier von seinem Hüftgold (oder Schwarte, wie die Schicht in der Werbebranche ganz schnörkellos heißt) das er im Laufe der Zeit angesetzt hat. In Nürnberg halten Litfaßsäulen seit neuestem übrigens auch noch für andere Zwecke her: Im November nahm die Stadt die erste Litfaßsäulen-Toilette Bayerns in Betrieb: Draußen Werbung, drinnen ein Klo. (dpa/fm)