Domainklau in gTLD-Zeiten

"Die kriminellen Machenschaften der Fälscher stören"

23.08.2016
Von 


Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
Die Zahl der Top-Level-Domains steigt fast täglich. Kein Unternehmen kann mehr alle potenziell registrierfähigen Web-Adressen im Blick behalten. Das ruft Domaindiebe und Produktfälscher auf den Plan, die sich aber durchaus schnell stoppen lassen.

Die Zeiten, in denen sich Unternehmen alle in Frage kommenden Domains für Marken- und Produktnamen sichern konnten, sind vorbei. Seit dem Marktstart der generischen Top-Level-Domains (gTLDs) vor knapp drei Jahren sind heute sagenhafte 1150 verschiedene gTLDs im Einsatz. Regelmäßig kommen neue hinzu - wie beispielsweise die beliebten .xyz, .top, .wang, .win oder .club. Insgesamt sind weltweit nun schon über 362 Millionen Top-Level-Domains registriert - allein im Jahr 2015 wurden 11,2 Millionen gTLD-Neubestellungen gezählt.

Der schier unendliche Pool an Domains ist aber auch ein Mekka für Produktfälscher, Betrüger und andere Kriminelle - wie sich Unternehmen dem erwehren können, erklärt Stefan Moritz, Regional Director DACH beim Markenschutz-Service-Anbieter MarkMonitor, im Kurzinterview.

CW: Herr Moritz, wie sieht der Domain-Bestand eines Unternehmens heute klassischerweise aus?

STEFAN MORITZ: Nach unseren Erfahrungen besteht das Domain-Portfolio vieler Unternehmen zu 80 bis 99 Prozent aus Defensiv-Beständen. Das soll verhindern, dass sich Kriminelle und Cybersquatter Domains sichern, die Firmen- oder Markennamen ähneln. Viele dieser defensiven Registrierungen sind jedoch überflüssig und kosten unnötig Geld. Zudem bieten sie den Besuchern oft keinen Mehrwehrt, da auf der Seite keine relevanten Inhalte hinterlegt sind oder diese nicht ausreichend gepflegt werden. Zudem gilt es zu beachten, dass ausländische Domains mit Websites in der jeweiligen Landessprache verknüpft werden.

CW: Was kann ein Unternehmen tun?

MORITZ: Es sollt überflüssige Domainregistrierungen konsequent aus dem Portfolio streichen und genutzte Adressen mit relevantem Inhalt hinterlegen. Auch empfiehlt es sich, das gesamte Portfolio einmal im Jahr zu evaluieren und gegebenenfalls zu optimieren. Dies bedeutet auch, eingefahrene Richtlinien und Verfahren neu zu bewerten und bestehende Schutzmaßnahmen kontinuierlich zu überprüfen. Denn in der Vergangenheit angewendete Verfahren reichen für die neuen gTLDs meist nicht mehr aus.

Stefan Moritz verantwortet als Regional Director bei MarkMonitor den deutschsprachigen Markt.
Stefan Moritz verantwortet als Regional Director bei MarkMonitor den deutschsprachigen Markt.
Foto: MarkMonitor

"Konsequent vorgehen"

CW: Wie sieht das Vorgehen in der Praxis aus?

MORITZ: Es kommt vor allem darauf an, die kriminellen Machenschaften der Fälscher zu stören und es dem Konsumenten zu erschweren, gefälschte Angebote zu finden. Um Online-Kunden und damit auch Umsatz zurückgewinnen, müssen Unternehmen konsequent gegen die Täuschungsmanöver der Cyber-Kriminellen vorgehen. Gegen bekannte Shops von Fälschern sollte konsequent vorgegangen werden - zum Beispiel juristisch - und das Internet laufend nach neuen Täuschungsmanövern durchsucht werden. Marketingverantwortliche sollten zudem alle Plattformen fest in die Markenschutz- und Onlinevermarkungsstrategien integrieren und auch Enforcement-Ansätze auf nicht-juristischem Weg beachten, besonders in China. Dazu gehören etwa Social-Media-Kanäle oder Mobile Apps.

CW: Inwiefern sind auch Unternehmen betroffen, die ihre Produkte nicht über das Internet vermarkten?

MORITZ: Es wäre ein Irrtum, zu glauben, dass Markenmissbrauch nur Online-Anbieter betrifft. Denn Kriminelle können trotzdem deren Markennamen kapern, um diesen für ihre kriminellen Machenschaften im Netz zu nutzen. So geraten immer häufiger auch mittelständische Unternehmen, die ihre Waren nicht selber online vermarkten, ins Visier der Betrüger. Hersteller sind daher gut beraten, das Netz laufend zu sondieren und ihre Marken gegen solche Angriffe zu schützen.

Markenpiraten verkaufen ihre Fälschungen verstärkt online. Unternehmen müssen sich dagegen wehren.
Markenpiraten verkaufen ihre Fälschungen verstärkt online. Unternehmen müssen sich dagegen wehren.
Foto: MarkMonitor