Datenbank-Systeme

Die Kontroverse ist unnötig

15.10.1976

"Eigentlich brauchte es überhaupt keine Kontroverse zwischen Relationisten und Hierarchisten zu geben" glaubt W. Schönfeld zur derzeitigen Datenbank-Diskussion. "In vieler Hinsicht enthält der CODASYL-Vorschlag überzeugende Elemente. Andererseits versucht das Relationenmodell die Schwächen von CODASYL zu meistern". Seiner Ansicht nach lassen sich die Vorzüge beider Modelle in einem Software-System vereinen. Schönfeld glaubt, daß in den Diskussionen um Datenbank-Systeme und -Modelle technische Details zu sehr im Vordergrund stehen, die für den Anwender nicht von primärem Interesse sind. -py

Es ist richtig, daß der CODASYL-Vorschlag auf das Engste mit dem Begriff der Verkettung verbunden ist. Es ist, jedenfalls nach heutigem Wissensstand, auch richtig, daß das Relationenmodell Gebrauch von Indextabellen oder Inverted Files machen sollte. Wir glauben aber, daß die wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Modellen ganz anderer Art sind.

Es ist auch gefährlich, von einem CODASYL-Normenvorschlag zu sprechen, da die Erfinder dieses Modells bereits sehr deutlich seine Schwächen erkannt haben, und es mit Sicherheit nicht so schnell zu einer Normung des CODASYL-Modells kommen wird, wie es immerhin schon 1971 vorgelegt worden ist. Während nun der CODASYL-Vorschlag sehr konkrete Hinweise für den Implementierer bietet - etwa Ketten zur Realisierung von "Sets" - läßt das Relationenmodell offen, welche Irnplementierungstechnik zur Anwendung kommen soll.

Die wichtigsten Züge des Codd'schen Relationenmodells sind unserer Ansicht nach:

1. Realisierung von "allgemeinen Relationen". Die hierarchische Relation hingegen stellt nur einen Sonderfall einer allgemeinen Relation dar. Insofern könnte man sagen, daß der CODASYL-Vorschlag eine Untermenge des Relationenmodells ist.

2. Die Struktur der Datenbank darf sich nicht im Anwenderprogramm wiederfinden - der Anwender denkt also nur in logischen Zusammenhängen und ist frei von physischen sowie implementierungsabhängigen Gegebenheiten.

Die Konsequenz kann unserer Meinung nach nur die Schaffung einer eigenständigen Programmiersprache sein, mit der der Anwender seine Probleme lösen kann, ohne daß er ein Mixtum Compositum aus COBOL und COBOL-ähnlichen Erweiterungen wie im CODASYL-Vorschlag erzeugen oder mit Spracherweiterungen durch Unterprogrammaufrufe arbeiten muß.

3. Die Restrukturierung einer Datenbank sollte jederzeit möglich sein, ohne daß die Anwenderprogramme geändert oder neu umgewandelt werden müssen. Diese Forderung der Relationisten ist unserer Ansicht nach in der Diskussion völlig untergegangen. Wer einmal gesehen hat, welcher Aufwand getrieben werden muß, wenn eine vorhandene und bereits intensiv genutzte Datenbank in ihrer Struktur geändert werden muß, der wird die Tragweite dieser Forderung sofort erkennen. Wir glauben, daß es genau diese Schwäche der bisher bekannten Datenbanksysteme ist, die viele Anwender davon abhält, ein Datenbanksystem einzufahren.

Wir sind nicht der Ansicht, daß die Mehrzahl der heutigen DV-Anwendungen mit relativ einfachen Strukturen zufrieden ist. Jede Organisation lebt und ändert sich in kurzer Zeit, und das bedeutet ständig geänderte Anforderungen an die Datenbank. Bekanntlich wächst auch der Appetit beim Essen.

* Dipl.-ing. Wolfgang Schönfeld ist Geschäftsführer der Gesellschaft für elektronische Informationsverarbeitung mbh, (GEI) in Aachen. Die GEI bietet das Datenbanksystem NIMS und die Benutzersprache GIRL an.