Das Internet splittet die Bankenlandschaft

Die Hypo-Vereinsbank setzt auf SAP und WAP

07.04.2000
MÜNCHEN (CW) - Allmählich ergibt sich ein Bild aus dem, was die Hypo-Vereinsbank in puncto Internet vorhat - allerdings: kein einheitliches. Die Bank will eine Retail-Bank mit Filialen bleiben, Transaktionsbank sein, Portale und Marktplätze schaffen sowie Software- und Versicherungsprodukte anbieten.

"Die Banken, die wir bauen, sind im herkömmlichen Sinne gar keine mehr, sondern Portale und Marktplätze", sagt Eberhard Rauch, Vorstandsmitglied bei der Hypo-Vereinsbank. Als Beispiel kann das Immobilienportal "net@home" dienen, dessen Aufbau rund 50 Millionen Euro kostet und das voraussichtlich im Herbst dieses Jahres ans Netz geht. Es soll Kunden Informationen, Dienstleistungen und Produkte von der Immobiliengestaltung bis zur -bewertung- und -versicherung bieten. Zwar unterstützt die Hypo-Vereinsbank mit dem Portal den Einstieg in die Thematik, die Offerten aber stammen auch von den Wettbewerbern.

Damit reagiert die Bank auf eine Entwicklung, die die Geldhäuser unsichtbar macht. Der Internet-Kunde sucht nach Leistungen und nicht nach seinem Geldhaus, erläutert Rauch. Deshalb schieben sich Portale zwischen die Bank als Anbieter und den Kunden. Sie bieten Informationen und Orientierung und erst in zweiter Linie Produkte.

Zudem werden Leistungen und Produkte vergleichbar. Komfort und Information dagegen bieten einen Mehrwert, der künftig die Finanzdienstleister unterscheidet. Schwächen auf der Mehrwertseite decke das Internet gnadenlos auf, so Rauch. Deshalb reiche es der Hypo-Vereinsbank nicht, Internet-Banking zu ermöglichen, sondern sie sehe sich beispielsweise auch als Vermittler von Leasing-Produkten. Eine entsprechende Site, die im Verkauf ohne Papierverkehr auskommt, wird ebenfalls im Herbst dieses Jahres online gehen.

Dank dem Übertragungsverfahren Bluetooth, Wireless Application Protocol (WAP) und der Identifikationskarte wird das Online-Geschäft in ungeahnte Dimensionen wachsen, so hoffen jedenfalls die Münchner Banker. "Handys mit WAP 1.3" werden in diesem Jahr der Knüller im Weihnachtsgeschäft, zeigt sich Vorstandsmitglied Jochen Speek prophetisch. Schon jetzt gibt es mehr Handy-Besitzer als Internet-User. Im Jahr 2003 wird sich die Anzahl der Handy-Nutzer auf über eine Milliarde verdoppelt haben, und 2005 werden mehr als die Hälfte davon das mobile Internet nutzen, so die Hochrechnung der Hypo-Vereinsbank.

Das hat Auswirkungen auf den Charakter von Niederlassungen. Vollfilialen mit dem gesamten Bankspektrum gibt es künftig kaum noch, der Trend geht zu Beratungs- beziehungsweise Spezialfilialen. "20 Prozent mehr Geschäft im Internet bedeuten 20 Prozent Reduktion in den Filialen", stellt Hypo-Vereinsbank-Vorstand Stephan Schüller klar. Bis 2003 sollen sogar rund 30 Prozent der Privatkunden ihre Transaktionen im Zahlungsverkehr und Wertpapiergeschäft online abrechnen, kalkuliert der Banker.

Das Interesse der Bank am Internet-Kunden ist eindeutig: Er ist derzeit am Kapitalmarkt zehnmal mehr wert als ein Filialkunde. Eine Online-Buchung kostet weniger als zehn Pfennig, eine Belegbuchung dagegen 1,85 Mark.

Als Portalanbieter sieht sich das Finanzhaus auch im Busines-to-Business-Bereich. Unter der Annahme, dass die Industrie zumeist R/3 in ihren Backend-Systemen einsetzt, wollen die Banker den Geschäftskunden mit eigener SAP-Software entgegenkommen. Derzeit entwickelt die Hypo-Vereinsbank gemeinsam mit dem Walldorfer Softwarehaus auf der Grundlage von "Mysap.com Workplace" eine integrierte, Web-basierte Standardsoftware für die Unternehmenssteuerung in Banken. Damit verbunden ist der Einsatz einer Datenbasis für die Bilanzierung, das Meldewesen, das Controlling und die Risikosteuerung. Das Produkt soll Ende 2001 einsatzbereit sein und von SAP vermarktet werden.

Industrie und Bank sollen damit eine gemeinsame Plattform erhalten, die einen direkten Austausch von Daten im Sinne eines Supply-Chain-Managements ermöglicht. Finanzinstitut und Kunde bewegen sich dann technisch gesehen in einer geschlossenen SAP-Welt. Laut Vorstand Jochen Speek senkt eine solche Automatisierung der Geschäftsprozesse die Betriebskosten und erhöht den Deckungsbeitrag. Außerdem wird die Bank ein Stück weit zum Application-Service-Provider.

Softwareentwicklung und -services sollen als Spinoffs überhaupt ein festes Standbein der Bank werden. Sie werden Produkte und Dienstleistungen selbständig vermarkten, sagt Speek. Schon heute sei die Bank beispielsweise zertifizierter SAP-Berater.

Die Back-Office-Dienstleistungen übernehmen Transaktionsbanken wie der Hypo-Vereinsbank-Ableger Financial Market Service Bank (FMS): die Abwicklung von Fondsdepots, Wertpapieren, Zahlungsverkehr und Kreditkarten, der Betrieb von Netzen und Call-Centern, der Postversand und das gesetzliche Meldewesen. Schon jetzt nehmen Fremdanbieter die Transaktionsservices der FMS-Bank in Anspruch. Der Handel im Internet bedarf aber noch zusätzlicher Dienste, so dass sich das Angebot um so genannte E-Services erweitern wird (siehe Grafik).

Alle Internet-getriebenen Vorhaben und Strategien bündelt die Bank intern unter der Bezeichnung Webpower. Dafür stehen zunächst einmal 250 Millionen Euro zur Verfügung. Nach außen jedoch erhalten die Aktivitäten kein einheitliches Branding: Norisbank, Direkt Anlage Bank und Investorworld beispielsweise bleiben bestehen; sie bekommen lediglich neue Schwestern wie Immoseek und net@home.

KennzahlenBilanzsumme: 503,3 Milliarden Euro

Filialen: 1417

Kunden: 5 Millionen Privat- und Geschäftskunden

Mitarbeiter: 46 170

Online-Kunden im Konzern: 350 000

Online-Konten im Konzern: 461 000

Seitenabrufe von "www.hypovereinsbank.de": rund 4 Millionen

Abb.1: Schöne neue SAP-Welt

"Entscheidend ist der gegenseitige Zugriff auf die Kernsysteme (ERP)", sagt Hypo-Vereinsbank-Vorstand Eberhard Rauch. Das senkt die Gemeinkosten und erhöht die Deckungsbeiträge. Um den Austausch zwischen Bank und Kunde zu ermöglichen, ist es praktisch, wenn beide Seiten SAP-Software verwenden. Quelle: Hypo-Vereinsbank

Abb.2: Die Bank als Online-Dienstleister

Entlang der Wertschöpfungskette im Internet-Handel bieten sich den Banken neue Geschäftspotenziale. Quelle: Hypo-Vereinsbank