Dissens über rechtliche Fragen

Die EU blockiert sich selbst bei der digitalen Signatur

03.12.1998
MÜNCHEN (CW) - In der Europäischen Union herrscht Uneinigkeit über die digitale Signatur. Deutschland, Frankreich, Österreich, Dänemark und Italien wollen intelligente Smartcards vorschreiben, andere Länder möchten sich bei der elektronischen Unterschrift nicht auf eine Technik festlegen.

Die elektronische Unterschrift spielt eine wichtige Rolle beim Handel im Internet. Derzeit berät die EU darüber, die digitale Signatur mit der handschriftlichen Unterzeichnung rechtlich gleichzustellen. Dazu soll eine Richtlinie verabschiedet werden, die für alle 15 Mitgliedstaaten bindend ist. Uneinigkeit herrscht über die Frage, ob in der Verordnung eine spezielle Technik festgeschrieben werden soll. So wollen Deutschland, Frankreich, Österreich, Dänemark und Italien erreichen, daß nur Smartcards zum Signieren zugelassen werden. Nur auf diese Weise lasse sich die erforderliche Sicherheit gewährleisten. Ferner möchten diese Länder ein standardisiertes Zertifizierungsverfahren sowie eine bestimmte Organisationsstruktur der Trust-Center durchsetzen. Letztere kümmern sich um die Ausgabe von Zertifikaten, mit denen die Echtheit einer digitalen Signatur bewiesen werden soll. Andere Länder möchten keine technische Spezifikation in die Gesetzgebung aufnehmen und sehen auch von einer Festlegung des Zertifizierungsverfahrens ab. Somit kämen auch softwarebasierte Signatursysteme zum Zuge.

Kritiker behaupten, die Smartcard-Befürworter verträten auch die Interessen von Chipkartenherstellern. Dies ist nicht ganz von der Hand zu weisen, denn von dem deutschen Signaturgesetz dürften die hiesigen Produzenten von Chipkarten und Lesegeräten sicher profitieren. EU-Kommissar Martin Bangemann warnte die Smartcard-Verfechter davor, das zarte Pflänzchen E-Commerce mit solchen rigiden Regeln zu beschädigen. Sollte die Chipkarte Vorschrift werden, sieht Martin Hensen, Sprecher der European Electronic Signatures Group, zudem Nachteile für Konsumenten. Schließlich müsse sich dann jeder, der Kaufverträge elektronisch unterschreiben möchte, einen entsprechenden Kartenleser zulegen.

Die Uneinigkeit unter den Mitgliedstaaten der EU könnte die Verabschiedung einer Direktive zur Einführung der digitalen Signatur um ein Jahr verzögern, meinen Experten. Gleichzeitig berge dies die Gefahr, daß die einzelnen Länder unterdessen eigene Regeln aufstellen, die dann mühsam in ein europäisches Gesetz eingeflochten werden müßten.