Das Pflichtenheft im IT-Projekt

Die Bibel des Projektleiters

31.01.2003
Von Dieter 
Unglaublich, aber wahr: Immer wieder scheitern IT-Projekte daran, dass die Lösung nicht zum Problem passt. Ein detailliertes Pflichtenheft kann das verhindern.

VIELE UNTERNEHMEN tun sich mit der Erstellung eines Pflichtenhefts vor Einführung einer Software äußerst schwer. Man scheut Mühen und Kosten, hält oftmals auch beides für unnötig, weil die eigenen Anforderungen unterschätzt werden. Doch ab einer gewissen Komplexität und Größe des Projekts führt kein Weg an der systematischen Erfassung und Beschreibung der Anforderungen vorbei. Wer beispielsweise ein PCNetz mit 20 Arbeitsplätzen einzubinden hat, der sollte kein neues IT- oder E-Business-System ohne Erfassung des Status quo und Definition des Benötigten einführen wollen, zumal bereits das Bewusstmachen der Geschäftsprozesse im Unternehmen Verbesserungspotenziale aufzudecken vermag. Außerdem hilft ein Pflichtenheft den Beteiligten, in allen Phasen des Projekts den Überblick zu behalten (siehe Kasten).

Wer die Kosten für einen externen Berater bei der Pflichtenhefterstellung scheut, kann diese Aufgabe auch intern lösen, eine angemessene Beschäftigung mit der Materie vorausgesetzt. Fachliteratur zum Thema gibt es genug, und auch im Internet sind Informationen abrufbar. Dennoch empfiehlt es sich, an kritischen Punkten des Projekts „Pflichtenheft“ einen externen Experten einzuschalten. Insbesondere gilt dies für die Konzeptionsphase sowie die Überprüfung des Pflichtenhefts auf Vollständigkeit.

Im Rahmen eines eigenen Projekts sollte man einen IT-Kundigen mit der Aufgabe betrauen, ihm genügend Zeit - oft etwa vier bis sechs Monate - geben und in einer Arbeitsgruppe vorgehen lassen.

Anwender früh einbeziehen

Es ist sinnvoll, die Projektsitzungen zu protokollieren, die verschiedenen Fassungen des Pflichtenheftes mit Versionsnummern zu versehen und die letzte von allen Beteiligten absegnen zu lassen. Der Projektleiter legt die Gliederung des Pflichtenheftes fest und ermittelt die System- sowie Integrationserfordernisse. Er unterstützt die Abteilungen bei Erfassung und Gewichtung ihrer Anforderungen. Darauf aufbauend werden dann die abteilungsübergreifenden Funktionalitäten spezifiziert. Schließlich erfolgt die Gesamtgewichtung, je nach abteilungs- und unternehmensbezogenen Geschäftsabläufen. Im Rahmen dieser Diskussion können die Grundanforderungen definiert werden, die zum Ausschluss prinzipiell ungeeigneter Softwaresysteme führen.

Es ist sehr wichtig, die Anwender des einzuführenden Systems frühzeitig einzubinden. Andernfalls ist Ärger programmiert. Inhaltliche Basis des Pflichtenhefts sind insbesondere die Systemumgebung (vorhandene Hard- und Software) sowie die Kriterien für die Integration einer zu installierenden Lösung. Kritisch sind die Datenübernahme und die Definition interner und externer Schnittstellen - also etwa zur Buchhaltung ebenso wie zu Kunden und Lieferanten. Unternehmensweit müssen für jede einzelne Abteilung und jeden Prozessschritt die Standardfunktionen eindeutig beschrieben werden. Notfalls muss dies bis ins Detail gehen: Bei Kundenreklamationen etwa sind Warenrücknahme, Eingangsprüfung, Reklamationsbericht, Einlagerung und Gutschrift die elementaren Schritte. Um die Geschäftsabläufe und deren Ineinandergreifen in der Anwendung abzubilden, muss unter anderem deutlich gemacht werden, welche Datenfelder wann, wo und von wem zu editieren sind. Hinzu kommt die Information anderer Abteilungen wie Auftragsbearbeitung, Vertrieb, Entwicklung und Produktion, bei Bedarf auch der Geschäftsführung.

Doch damit ist es noch nicht getan: Zu gewichten sind ferner die allgemeinen Kriterien Funktionalität, Zuverlässigkeit, Bedienbarkeit, Effizienz, Änderbarkeit und Portierbarkeit; hinzu kommen spezielle Anforderungen wie Datenabgleiche und Anbindungen von Filialen oder mobilen Mitarbeitern. Nicht zu vergessen sind neben den Kosten für die Software selbst die Aufwendungen für Beratung, Schulung, Support und Hotline oder Wartungsvertrag sowie Updates. Hinzu kommen gegebenenfalls die Ausgaben für Hardware. Auf der Grundlage dieser Daten lassen sich sowohl die Anbieterauswahl als auch der Projektablauf optimieren. (uk)

* Dieter Hoffmann ist freier Journalist und Berater in Gustavsburg.