Trend zur kleineren, effizienteren EDV-Abteilung:

Die Automation frißt die Automatisierer

21.12.1979

MÜNCHEN - Die Rationalisierung macht auch vor den Rationalisierenden nicht halt: "Die EDV-Abteilung der Zukunft wird sich auf eine kleine, funktionelle Einheit reduzieren. Sie wird eine reine Servicestelle sein, die anderen Fachbereichen in jeder Hinsicht gleichgestellt ist", orakelt Robert Halstein, DV-Chef bei der Maschinenfabrik Hemmer in Aachen.

"Wenn die technische Entwicklung so weitergeht", sagt Herbert Grawe, DV-Chef bei der Marbert GmbH in Düsseldorf voraus, "werden dort, wo heute fünf Programmierer sitzen, morgen nur noch zwei tätig sein, und wo heute drei Systemanalytiker an Problemen bosseln reicht morgen nur noch einer." Rationalisierungstendenzen in der EDV werden durchaus von den wohl meisten DV-Bossen erkannt, aber innerhalb der eigenen Abteilung werden diesbezügliche "heiße Eisen" nicht angerührt. Auch Grawe sieht die Rationalisierungs-Entwicklung nur "allgemein": "Bei uns wird sich da voraussichtlich nichts tun, Qualität und Quantität der EDV-Abteilung bleiben erhalten."

Wolf Rüdiger Enders, DV-Chef bei der Münchener Pfanni AG, betrachtet die DV zwar heute bereits als reine Servicestelle, die anderen Fachabteilungen im Unternehmen gleichgestellt ist, vertritt jedoch den Standpunkt, daß manpowermäßig bei ihm nicht reduziert werde. Der Münchener argumentiert selbstsicher: "Unsere Stellung im Betrieb ist nach wie vor unangefochten, daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern." Andererseits gesteht Enders, daß "die Geheimniskrämerei in der EDV langsam abgebaut wird" und sich die DV-Gehälter mit wenigen Ausnahmen denen der Fachabteilungen anpassen.

Konform mit dieser Aussage geht Ferdinand Heinrichs von der Simex GmbH: "Durch Dialogverarbeitung, verteilte Intelligenz und vermehrten Einsatz von Bildschirmen in den Fachbereichen sinkt der Wert der EDV-Abteilung, denn die sogenannte Black-Box wird für den Sachbearbeiter verständlicher." Trotzdem meint Heinrichs, daß die DV-Abteilung, obwohl Servicestelle, auch im nächsten Jahrzehnt anderen Betriebseinheiten noch übergeordnet bleiben werde, "weil bei uns alle Fäden zusammenlaufen".

"Heute verkauft man in den meisten EDV-Abteilungen noch die Gehälter mit der Black-Magic-Box, zumal im Unternehmen meist keiner mit der EDV richtig etwas anzufangen weiß", echauffiert sich Robert Halstein. "Durch verstärkte Aufklärung werde den Sachbearbeitern in den Fachbereichen die Tätigkeit der DV nähergebracht: Irgendwann merken auch die mal, daß wir eigentlich einen ganz normalen Job haben." Der Aachener betrachtet sein Unternehmen als Vorreiter dieser "neuen DV-Philosophie". Mit Recht: Bei Hemmer wurde ein Arbeitskreis gegründet, dem sämtliche Fachabteilungs-Leiter angehören. DV-Aufklärung, gemeinsame Problemdiskussion und -analyse gehören zu den Aufgaben dieser betrieblichen Institution.

Aufs hohe DV-Roß steigt Peter Nillius, EDV-Chef beim Großversandhaus Wenz in Pforzheim: "Die Black-Box wird in den Unternehmen eher noch größer werden." Der Pforzheimer setzt "keine großen Hoffnungen in die Fachabteilungen". Seiner Meinung nach würde man diese nach wie vor überbewerten. "Was hilft es schon", so Nillius, "wenn wir denen die schönste Online-Anwendung präsentieren und sie meinen, sie könnten jetzt alle Probleme per Knopfdruck lösen. Im Endeffekt ermöglicht das Ganze doch wiederum die EDV-Abteilung."

Adolf Ahorn, EDV-Leiter bei der Neusser Leyland GmbH, verdächtigt die DV-Bosse der Profilneurose; sie sähen ihre Abteilungen als eine Art Betrieb im Betrieb (siehe CW-Ausgabe 50/79). Er befürwortet - wie Halstein - eine kleinere, sehr funktionelle und klar überschaubare (DV-)Einheit.

"EDV zum Selbstzweck zu betreiben, ist heute überhaupt nicht mehr vertretbar", bestätigt Peter Lutze, DV-Chef bei der Landis & Gyr GmbH in Frankfurt. Lutze sieht EDV als reine Dienstleistung: "Wir waschen nur die Hemden."