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Deutscher Tauschbörsennutzer muss 8000 Euro zahlen

09.06.2004

Nachdem der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft Ende März 2004 Klagen gegen Nutzer von Filesharing-Diensten angekündigt hatte, ist nun der erste Musiktauscher in Deutschland verurteilt worden. Der 22-jährige geständige Angeklagte hat 272 urheberrechtlich geschützte Lieder über die Tauschbörse Kazaa zur Verfügung gestellt.

Das Landgericht Cottbus verhängte wegen unerlaubter Verbreitung und Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke (§ 106 UrhG.) eine Geldstrafe von 400 Euro. Das relativ geringe Strafmaß orientiere sich an den Einkommensverhältnissen des Auszubildenden, heißt es in der Urteilsbegründung.

Strafverschärfend wertete das Gericht, dass der Angeklagte insgesamt 6000 Musikdateien via Kazaa auf seinen Rechner geladen hatte. Sie wurden im Zuge einer Hausdurchsuchung gefunden, nachdem der Service-Provider der Staatsanwaltschaft die IP-Adresse des Verurteilten mitgeteilt hatte, berichtet "e-Recht24.de".

Mit der Zahlung der 400 Euro Strafgeld (plus Anwaltshonorar und 100 Euro Gerichtskosten) ist der Fall für den 22-Jährigen jedoch nicht erledigt. Er muss auch Schadensersatz leisten. Mit der Musikindustrie einigte er sich in einem außergerichtlichen Verfahren auf eine Entschädigung von 8000 Euro.

Der Phonoverband hat in weiteren 67 Fällen Anzeige gegen mutmaßliche Musiktauscher erstattet. Sie führten unter anderem zu einer Hausdurchsuchung in der Nähe von Stuttgart, bei der zwei Rechner eines Lehrers beschlagnahmt wurden, auf denen mehrere tausend Musiktitel gespeichert sind. Der Mann besitze lediglich 25 Original-CDs und habe zugegeben, die Lieder über eine Tauschbörse geladen zu haben.

Womöglich hat der Lehrer seine Schuld zu schnell eingestanden. Denn die Musikindustrie brandmarke alle MP3-Liebhaber, die selbst gebrannte CDs verwenden, pauschal als Musik-Piraten, kritisiert der Würzburger auf Medienrecht spezialisierte Anwalt Chan-jo Jun auf seiner Website. Dadurch entstehe der Eindruck, dass schon der Besitz von MP3-Dateien strafbar oder rechtswidrig sei. Es sei jedoch eine differenziertere Sichtweise geboten. Demnach ist die Herstellung einer Privatkopie von einer nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlage auch nach dem neuen Urheberrecht erlaubt (§ 53 UrhG).

Ende Mai fiel eines der ersten Urteile weltweit gegen einen Filesharing-Nutzer in den USA. Er musste wegen des illegalen Tauschs von fünf Musiktiteln 3750 Dollar Schadensersatz zahlen (Computerwoche.de berichtete). Der Verband der US-Musikindustrie RIAA (Recording Industry Association of America) hat bereits Anzeige gegen rund 3000 Anwender erstattet. Bislang wurden jedoch nur zwei Fälle vor Gericht verhandelt. Zum Teil einigten sich die Beschuldigten außergerichtlich mit den Medienkonzernen. In vielen Fällen handelt es sich zurzeit um "John Doe"-Verfahren, bei denen zunächst lediglich die IP-Adresse der Beschuldigten bekannt ist. Im Zweifelsfall müssen die Anwälte der Plattenfirmen mit weiteren Klagen an die Internet-Provider herantreten, damit diese die zu den IP-Adressen gehörenden Namen verraten (Computerwoche.de berichtete). (lex)