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Thema des Tages

Deutsche Gerichte: Neue Spielregeln für´s Internet

23.11.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Zwei aktuelle Rechtsprechungen in Sachen Internet sorgen derzeit für Furore und könnten die künftige Web-Landschaft nachhaltig beeinflussen. Zum einen hat das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) in Hamburg die Verwendung von Gattungsnamen wie Flug.de oder Buch.de als Domain-Adresse untersagt, zum anderen wurde dem Internet-Shop Primus-Online das sogenannte "Powershopping"-Verfahren untersagt, bei dem bestimmte Waren unter dem empfohlenen Verkaufspreis an eine virtuelle Käufergemeinschaft veräußert werden.

Gericht verbietet Domains mit Gattungsnamen

Jeder Online-Nutzer weiß, daß Unternehmen wie Einzelpersonen sich im Internet neben ihrer Namensbezeichnung auch mit Gattungsbezeichnungen präsentieren. So finden sich im hart umkämpften Markt der Online-Reise-Anbieter Domains wie "flug.de", "reise.de", "last-minute.de" etc. Vergleichbare Gattungsbezeichnung gibt es beispielsweise auch für Klebstoff ("klebstoff.de") oder "buecher.de" sowie "buch.de".

Bisher haben Gerichte im Rahmen von einstweiligen Verfügungsverfahren geurteilt, eine solche Nutzung eines Allgemeinbegriffes verstoße nicht gegen Wettbewerbsrecht (Landgericht München, Aktenzeichen: 17 HKO 3447/97 - "sat-shop.com"). Andere konnten eine Wettbewerbswidrigkeit im Eilverfahren ohne Kenntnis der Nutzergewohnheiten nicht feststellen (OLG Frankfurt/Main, Aktenzeichen 6 W 5/97 - "wirtschaft-online.de").

Nach der zwischenzeitlich eingekehrten Ruhe entschied nunmehr das Hanseatische OLG in einem Hauptsacheverfahren mit Urteil vom 13. Juli 1999 (Aktenzeichen 3 U 58/98), daß die Verwendung eines Gattungsbegriffs zu einer wettbewerbswidrigen Kanalisierung der Kundenströme führe. Der Gattungsbegriff werde dadurch im Internet faktisch monopolisiert.

Konkret ging es um den Begriff "mitwohnzentrale.de". Seine Verwendung sei eine nach Paragraph 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) wettbewerbswidrige Behinderung des Leistungswettbewerbs. Kunden ließen sich auf die mit dem Branchenbegriff bezeichnete Homepage locken und seien dann zu bequem, um Alternativangebote zu suchen.

Mit dieser für Allgemeinbegriffe bisher einmaligen Entscheidung des Hanseatischen OLG besteht nunmehr erhebliche Ungewißheit, inwieweit die Benutzung von Gattungsbezeichnungen zulässig ist. Folge man der Ansicht des Gerichts, so dürften einzelne Anbieter die Domains "flug.de" oder "last-minute.de" ebenfalls nicht mehr ohne klarstellenden Zusatz nutzen, kommentiert Hajo Rauschhofer, Rechtsanwalt aus Wiesbaden. Da bereits sehr viele Branchenbegriffe als Domain-Adressen verwendet würden, könnte es zu einer Prozeßflut kommen, befürchtet der Rechtsexperte weiter.

Primus-Online darf Powershopping

nicht länger anbieten

Der Internet-Shopbetreiber Primus-Online hat vor dem Oberlandesgericht Hamburg gegen Philips eine Niederlage erlitten und darf nun Fernseher des Unterhaltungskonzerns nicht mehr weit unter dem empfohlenen Verkaufspreis online feilbieten.

Nachdem die Richter der einstweiligen Verfügung von Philips gegen den Webshop zunächst nicht stattgegeben hatten, verboten sie dem Anbieter nun, in seinem Geschäftsbereich "Powershopping" Philips-Fernseher für 999 Mark zu verkaufen, deren Listenpreis bei 1999 Mark liegt (Aktenzeichen 3 U 230/99). Beim Powershopping finden sich Surfer zu virtuellen Einkaufsgemeinschaften zusammen und drücken über Mengenrabatte den Einzelpreis eines Produkts.

Eine schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor, doch nach Auskunft des Gerichts verstößt Powershopping gegen die Paragraphen 1 und 12 des Rabattgesetzes. Philips wurde im Brancheninformationsdienst "Ibusiness" mit den Worten zitiert: "Jeder, der die Margen unserer Branche kennt, weiß, daß Primus bei diesem Dumping-Angebot draufzahlt." Selbst bei minimalen Vertriebskosten wäre ein solcher Endkundenpreis unter dem Herstellerpreis rechnerisch unmöglich.

Dem entgegnet Powershopping-Geschäftsführer Frank Bohmann im Gespräch mit der CW, sein Unternehmen kaufe die Ware nicht nur beim Hersteller ein. Man bekomme Artikel woanders billiger als beim Erzeuger, beispielsweise wenn ein Nachfolgemodell kurz vor der Markteinführung stehe oder Firmen unbedingt Produkte veräußern müßten, um Cash-Flow zu generieren.

Primus-Online wurde von dem Urteil bisher nur mündlich informiert. Doch für Bohmann ist der Fall noch nicht erledigt: "Dies hindert uns nicht daran, diese Sache weiter gerichtlich zu verfolgen." Auch der Philips-Konkurrent Sony befindet sich in Köln im Rechtsstreit mit diesem Anbieter.

Ohnehin vermutet Bohmann hinter dem niederländischen Konzern noch andere Interessen. "Wir sind der Überzeugung, daß der Fachhandel Philips vorgeschickt hat," mutmaßt der Manager. "Unser Konzept wird das Wettbewerbsumfeld verändern und der Handel hat Angst um seine Margen." Das nun gefällte Urteil betrifft auch den Primus-Konkurrenten Letsbuyit.com, doch dieser war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.