"Der qualitative Nutzen bestimmt die Entscheidung fuer Client-Server"

22.12.1995

CW: Professionelle Marktbeobachter verbreiten die Ansicht, Client- Server-Loesungen kaemen das Unternehmen teurer als herkoemmliche Mainframe-Systeme. Koennen Sie das bestaetigen?

Die Chance, sichtbar Kosten zu sparen, ergibt sich nur aus einem totalen Downsizing. Aber beispielsweise bei uns ist eine solche Loesung - wegen der unternehmensweiten juristischen Datenbestaende - nicht moeglich. Der Qualitaetsgewinn ist zudem nicht ohne erhebliche Investitionen zu haben.

CW: Sie sind dabei, eine mit dem Mainframe integrierte Client- Server-Architektur einzufuehren. Nach dem, was Sie gerade gesagt haben, wird sich das also nicht auszahlen.

Selbstverstaendlich zahlt sich das aus - langfristig wie bei allen Infrastrukturmassnahmen. Nur lassen sich diese Kostenvorteile kaum herausrechnen. Deshalb sollte man damit besser nicht argumentieren.

CW: Sie lehnen es also ab, eine Kosten-Nutzen-Analyse vorzunehmen.

Das ist eine verkuerzte Wiedergabe meines Standpunkts. Ich stelle lediglich fest, dass eine Kosten-Nutzen-Analyse fuer diese Entscheidung zu simpel ist. Sie stellt keine ausreichende Basis dar. Der Nutzen einer solchen DV-Struktur laesst sich im wesentlichen nur qualitativ ermitteln.

CW: Was heisst das konkret?

Die traditionelle DV hat stets mit Akzeptanzproblemen gekaempft. Die technischen Restriktionen herkoemmlicher Systeme waren und sind so immens, dass die Qualitaet der Benutzer-Schnittstelle massiv leidet. Frueher hat man das ertragen, weil es keine andere Loesung gab. Aber heute sind sogar EU-Richtlinien zu erwarten, die der alten Software kaum noch Raum lassen.

CW: Bei der Client-Server-Architektur geht es aber nicht nur um die Benutzer-Schnittstelle.

Um was sonst? Es geht um die Schnittstelle und die Interaktionsmoeglichkeiten - um voellig neue Dialogformen und die Moeglichkeit, mit anderen Objekten zu arbeiten. Daraus ergeben sich bessere Akzeptanz, Erlernbarkeit und Systembeherrschung, also weniger Fehlbearbeitungen, dazu Workgroup-Computing, Synergien durch Mailing etc. Diese Vorteile erreiche ich nur auf dem Weg ueber Client-Server-Strukturen. Allerdings ist es sehr schwierig, diese weichen Faktoren zu bewerten, weil die neue Loesung zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht einmal als Prototyp existiert.

CW: Die Kosten hingegen lassen sich relativ leicht ermitteln.

Ja, jedenfalls im Vergleich mit der Nutzenseite. Aber der Entscheidungsprozess ist davon bestimmt, wie der qualitative Nutzen erkannt und bewertet wird. An die Stelle einer Kosten-Nutzen- Betrachtung sollte die Strategiediskussion zur IT-Entwicklung des Unternehmens treten. Nur diese Auseinandersetzung sichert auf Dauer den Konsens ueber den eingeschlagenen Weg.

CW: Wie lassen sich nicht quantifizierbare Vorteile im Unternehmen verkaufen?

Schwierig ist das nur in der Entscheidungsphase, weil das Ganze so unanschaulich, synthetisch und abstrakt ist. Der IT-Manager muss deshalb selbst ein sehr klares Bild von seinem Ziel und dem Weg dorthin vor Augen haben. Wie wir erfahren konnten, hilft spaeter dann die Akzeptanz bei den Benutzern.

CW: Und was hat Sie urspruenglich bewogen, das Risiko einer Umstellung einzugehen?

Wenn man den Entscheidungsprozess einmal hinter sich gebracht hat, gibt es keine Alternative. Selbstverstaendlich ist jeder Schritt ins Neuland mit einem Risiko verbunden. Aber wir halten es so gering wie moeglich. Fuer die richtige Balance zwischen Risiko und Fortschritt hilft, dass unsere Entscheidungsgremien stark mit Technikern und Ingenieuren besetzt sind.

CW: Wie sehen denn Ihre weiteren Plaene aus?

1996 werden wir das technische Equipment und die Buerokommunikation an allen Arbeitsplaetzen haben. Zug um Zug werden wir die Altanwendungen in die neue Form bringen. Das dauert ein paar Jahre, denn da hilft kein Mogeln. Unseren Versuch, die Altapplikationen kosmetisch zu verjuengen, haben die Benutzer schnell erkannt und als wenig tauglich bewertet. Also kommen wir nicht umhin, diese Problematik von Grund auf zu loesen.

Mit Dr. Helmut Rueberg, Bereichsleiter IV und Organisation bei der Techniker Krankenkasse in Hamburg, sprach CW-Redakteurin Karin Quack.