Andreas Resch x Bayer Business Services Top-Ten x IT-Executive des Jahres

Der Problemelöser

24.10.2005
Eine Frage sollte man Andreas Resch nicht stellen: Was der CIO der Bayer AG im vergangenen Jahr gemacht hat. Mit der Antwort könnte man die Kalender von zwei IT-Managern füllen.

An diesem Mann ist manches nicht ganz "CIO-klassisch" - wenn solch eine Typisierung denn überhaupt angebracht ist. So hatte er schon bei der ersten Begegnung mit dem Reporter im Sommer 1999 - damals noch Vorstand für Logistik und Informationstechnik bei der Herlitz AG - nachdrücklich vermitteln können, dass sein Denken als IT-Verantwortlicher nicht schon bei Technikfragen endet. Ganz im Gegenteil insbesondere den wirtschaftlichen Aspekten seiner Aufgabe verbunden, ist er andererseits bei IT-spezifischen Themen immer auf der Höhe und sehr präsent.

Zur Person

• seit 2004 CIO der Bayer AG und Vorsitzender der Geschäftführung der Bayer Business Services GmbH;

• 2000 bis 2003 Geschäftsführer und CIO für die Fiege Gruppe Deutschland, Greven;

• 1993 bis 2000 kaufmännischer Leiter der Herlitz AG, Berlin, seit 1997 Vorstand für Logistik und Informationstechnik;

• 1988 bis 1993 Leiter Organisa-tion und Datenverarbeitung Francotyp-Postalia, Berlin;

• Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Erfolgsbausteine

• Eindeutige Positionierung der BBS als konzernbezogenes Kompetenzfeld mit marktkonformen Kosten- und Preisvorgaben;

• systematischer Ausbau des industriellen Ansatzes zur Gliederung der Servicebereiche in RUN und CHANGE;

• Stärkung der integrierten Dienste in den Bereichen Accounting, HR, Procurement, Pensions, Law and Patent, Science and Technology;

• Weiterentwicklung der internationalen Präsenz besonders in den Regionen Nordamerika und Asien/Pazifik;

• Einführung eines Industrie-orientierten, systematisierten Innovations-Managements;

• Ausrichtung der Personalentwicklung an den Standards internationaler System- und Service-Provider.

Die Beschreibung seiner CIO-Tätigkeit bei der Bayer AG sagt denn auch viel über ihn selbst und seine Arbeitsauffassung aus. Auf die Frage, ob ihm die technische oder doch eher die wirtschaftliche Komponente seines Jobs wichtig ist, retourniert er, vielleicht sei es "angemessener, von einer konzeptionellen Komponente zu sprechen, die wirtschaftlich Wünschenswertes mit technisch Machbarem verbinden soll".

Nicht ganz typisch für einen deutschen CIO bekleidete Resch auch bei früheren Jobs als IT-Verantwortlicher zugleich Vorstandspositionen, gehörte somit zur obersten Management-Riege der jeweiligen Arbeitgeber. Den Posten bei Bayer übernahm er Anfang 2004. Zuvor war er bei dem Logistiker Fiege Deutschland GmbH Geschäftsführer und CIO für die Fiege Gruppe.

Als Vorstand für Logistik und Informationstechnik leitete der dreifache Vater davor bei der Herlitz AG unter anderem eine flächendeckende IT-Umstrukturierung, bei der mehr oder weniger die gesamte IT-Topologie des Berliner Büroartikelherstellers vom Kopf auf die Füße gestellt wurde. Mit diesem Projekt gewann er 1999 den jährlich gemeinsam von der COMPUTERWOCHE und der Unternehmensberatung Gartner veranstalteten Wettbewerb um das beste deutsche IT-Projekt "Anwender des Jahres".

Wer den Berliner im Gespräch erlebt, mag zunächst einmal seine Eigenschaft, ruhig und nüchtern auf den Punkt zu reden. Das nüchtern gilt es einzuschränken insofern, als er - was erwartet man auch anderes von einem Berliner? - seine Ausführungen immer wieder mit einem Schuss Humor würzt. Ganz besonders lernt man im Gespräch schätzen, dass der Mann sich und sein Handeln auch schon mal selbstkritisch einnordet. Wer das tut, kann es sich offenbar leisten - und weiß das auch.

Nun also CIO und damit Chef von 4200 Mitarbeitern der Bayer AG. Eines Konzerns, der Resch seit dessen Arbeitsantritt in Leverkusen Anfang 2004 und insbesondere im vergangenen Jahr nicht daran zweifeln ließ, dass seinem obersten IT-Verantwortlichen am Arbeitsplatz nicht langweilig werden würde.

Zu den undankbaren Aufgaben von CIOs gehört bekanntlich, Unternehmensentscheidungen wie Fusionen oder Abtrennungen von Betriebsteilen informationstechnisch begleiten zu müssen. Im Fall von Bayer bedeutete dies, die Heraustrennung des ursprünglichen Stammgeschäfts - nämlich der Basischemie - aus dem Konzern als selbständiges, börsennotiertes Spinoff unter dem Namen Lanxess zu bewerkstelligen.

Die Begleitung des Lanxess-Carve-outs - wie ein Betriebswirtschaftler solch eine Abtrennung nennt - war, so Resch, hinsichtlich des Risikos für den Konzern und bezüglich seiner Größenordnung das mit Abstand wichtigste Projekt der vergangenen zwölf Monate.

Ausgliederung unter Zeitdruck Diese von Bayer Business Services zu flankierende Ausgliederung betraf mit 30 000 Angestellten rund ein Viertel der gesamten Bayer-Belegschaft in allen Regionen der Welt. Die Zeitspanne zur Bewältigung des Spinoffs war aufgrund äußerer Einflüsse - insbesondere wegen des Drucks, der vom Kapitalmarkt aufgebaut wurde und wegen der ausgegebenen Börsenprospekte - mit einem Jahr sehr kurz bemessen. Der Konzern ließ sich die IT-Unterstützung dieses Spinoff immerhin 50 Millionen Euro kosten.

Die Ausgliederung eines Unternehmensteils informationstechnisch nachzuvollziehen und zu realisieren, mag für Außenstehende nicht so spektakulär klingen. Allein die Größe des vom Stammhaus Bayer AG abzulösenden Geschäftsteils aber deutet die Problematik an, die Resch und die BBS zu schultern hatten. Der Teufel steckte bei diesem Vorhaben beileibe nicht nur im Detail. Resch und die BBS mussten eine Vielzahl regional und funktional verteilter Systeme trennen, über die das bisher eng verflochtene Geschäft der Bayer AG abgewickelt wurde. Die Brisanz dieser Entflechtung wird deutlich an dem Umstand, dass sich mit der Trennung der Firmen zum einen zwar zumindest teilweise Wettbewerb zwischen den entstandenen Konzernen ergab. Zum anderen aber blieben gleichzeitig Lieferverflechtungen bestehen.

Von entscheidender Bedeutung bei diesem 50-Millionen-Euro-Projekt war denn auch, auf allen Ebenen eine zuverlässige Trennung aller Systeme zu gewährleisten. Betroffen waren sowohl die Netztopologie als auch das ERP-System und sämtliche abgeleiteten Informationssysteme der Forschung und Entwicklung. Dies gelang der BBS unter Leitung von Resch sowohl im vorgegebenen Zeitraum als auch innerhalb des Budgetrahmens.

Neben diesem Großprojekt mussten Resch und die BBS im gleichen Zeitraum zudem weitere akquirierte Firmen informationstechnisch integrieren. So galt es, die Übernahme des so genannten OTC-Geschäftes (verschreibungsfreie Medikamente, Anm.d.Red.) von der Firma Roche mit einem Umsatzvolumen von immerhin zirka einer Milliarde Euro zu begleiten.

Und als wären diese Aufgaben nicht schon genug, galt es ferner, vier weitere Projekte zu bewältigen, die hier aus Platzgründen nur gestreift werden können. Im Rahmen des Projektes REX II (Reporting Excellence II) mussten die IT-Systeme der Bayer AG aufgrund deren Notierung an der New Yorker Börse für die Regelungen des Sarbanes-Oxley Act fit gemacht werden.

Innovations-Management Vom Dezember 2004 bis zum Juni 2005 lief darüber hinaus ein Projekt zur Revision beziehungsweise Aktualisierung der konzernweiten IT-Strategie zusammen mit allen in der Bayer AG verbliebenen Teilkonzernen.

Ein eigenständiges Projekt Innovations-Management, gestartet in der BBS, hat ferner zum Ziel, die auf diesem Feld von der Industrie entwickelten Standards, die auch in vielen Forschungs- und Entwicklungsbereichen der Bayer AG eingehalten werden, auf die speziellen Bedingungen einer IT- und Servicegesellschaft konsequent anzuwenden.

Schließlich gilt es, eine Initiative im großen Stil zur Senkung der Verwaltungskosten (G&A-Analysis) zu nennen. Sie soll - ausgehend von einem breit angelegten Benchmark mit vergleichbaren Firmen - die Verwaltungskosten innerhalb von zwei Jahren um zirka 20 Prozent senken. Dieses Projekt bedeutet allein für die konzernweite IT-Funktion eine Budgetreduktion um 100 Millionen Euro. n

Jan-Bernd Meyer