Slash and Burn?

Der Niedergang von VMware

Kommentar  27.02.2024
Von 


Steven J. Vaughan-Nichols schreibt für unsere US-Schwesterpublikation Computerworld. Er beschäftigte sich bereits mit Business und Technologie als 300bps noch Highspeed war.
Seitdem Broadcom die Übernahme von VMware abgeschlossen hat, häufen sich die unangenehmen Folgen für Anwender und Partner.
Nach der Übernahme durch Broadcom schwinden für viele VMware-Kunden und -Partner die Perspektiven.
Nach der Übernahme durch Broadcom schwinden für viele VMware-Kunden und -Partner die Perspektiven.
Foto: Sundry Photography | shutterstock.com

Bereits im Vorfeld der 69 Milliarden Dollar schweren Übernahme von VMware durch Broadcom war klar, dass der Merger drastische Veränderungen nach sich ziehen würde. Doch dass Partner und Kunden gleichermaßen ihr Commitment zu VMware ernsthaft in Frage stellen, war dabei nicht unbedingt abzusehen - zumindest nicht in einem Maße, wie es sich aktuell manifestiert. Bislang schworen viele IT-Profis weltweit auf die breite Produktpalette von VMware.

Nun, da Broadcom langsam seine Vision für die Zukunft des Virtualisierungsspezialisten erkennen lässt, könnte sich das ändern. Bezüglich der Übernahme waren viele VMware-Kunden schon früh skeptisch. Das veranlasste Forrester Research im Oktober 2023 zur Prognose, dass bis zu 20 Prozent der Enterprise-Kunden von VMware sich mit einem Wechsel zu einem neuen VM-Anbieter befassen würden. Die Gründe dafür laut den Analysten: "Die Kunden sind die drastischen Preiserhöhungen, den zunehmend schlechteren Support und die Software-Zwangsabonnements, die dazu führen, dass Module wie NSX und Aria Suite/vRealize Suite zu Shelfware verkommen, leid." Außerdem hätten die Anwender nach Broadcoms "Slash-and-Burn"-Übernahmeansatz bei CA Technologies und Symantec wenig Anlass zur Hoffnung, dass besonders beliebte VMware-Produkte und -Services erhalten blieben, so die Analysten.

Inzwischen hat Broadcom knapp 60 VMware-Produkte und -Plattformen abgekündigt - darunter Endanwender-Favoriten wie VMware vSphere+, VMware Aria Suite und VMware NSX. Auch der Bereich für Endanwender, zu dem etwa die Angebote Workspace ONE und Horizon gehören, wird aufgegeben.

Mehrwert - oder nur mehr Kosten?

Und damit nicht genug: Weitere Offerings werden dem Rotstift von Broadcom zum Opfer fallen. Der kostenlose ESXi-Hypervisor wurde bereits heimlich, still und leise "gekillt" - die Entscheidung von Broadcom nicht einmal angekündigt. Ein relativ sicherer Weg, Kunden nachhaltig zu verärgern. Das ist für Unternehmen auf den ersten Blick keine große Sache. Allerdings kenne ich viele VMware-Verfechter, deren erster Berührungspunkt mit dem Unternehmen dieser abgespeckte, kostenlose Hypervisor war. Zudem wussten viele IT-Profis die Möglichkeit zu schätzen, mit einem kostenlosen Produkt zu experimentieren und es zu testen.

Auch wenn Sie eine unbefristete Lizenz besitzen und glauben, Sie sind damit auf der sicheren Seite, irren Sie. Das "neue" VMware wird keine unbefristeten Lizenzen mehr anbieten und stattdessen auf das Software-as-a-Service-Modell setzen. Wenn das Produkt Ihrer Wahl also nicht abgeschafft wird, bleibt Ihnen nur, ein Abo abzuschließen, wenn Sie es weiter nutzen möchten. Bei Broadcom selbst sieht man diese Maßnahmen als notwendig an, um "schnellere Innovationen mit mehr Wert für die Kunden und eine noch bessere Rentabilität und Marktchancen für unsere Partner" zu realisieren. Leider sorgt das aber nur auf einer Seite für Begeisterung, nämlich der der VMware-Konkurrenz. Nutanix, Scale Computing, Virtuozzo aber auch größere Unternehmen wie Microsoft und Red Hat dürften sich über jeden abtrünnigen VMware-Kunden freuen.

Neben den Änderungen am Lizenzgebahren beunruhigt die VMware-Kunden auch die Preisgestaltung der neuen Produktlinie: VMware-Produkte und -Services waren schließlich schon vor der Übernahme teuer - nun rechnen viele damit, dass sie in Zukunft noch tiefer in die Tasche greifen müssen. Auch das einst florierende Partner-Ökosystem von VMware hat bereits gelitten: Zunächst hatte Broadcom alle VMware-Reseller und -Servicepartner fallengelassen - um die monetär Attraktivsten anschließend wieder an Bord zu holen.

Falls Sie nun darauf hoffen, dass Ihr bewährter VMware-Partner Sie dabei unterstützen kann, durch die schöne, neue Broadcom/VMware-Welt zu navigieren: Vergessen Sie es und stellen Sie sich darauf ein, dass Sie auf sich allein gestellt sind. Um es ganz deutlich zu sagen:

  • wäre ich VMware-Partner, würde ich eine Partnerschaft mit einem anderen Unternehmen anstreben.

  • wäre ich VMware-Kunde, würde ich mich ebenfalls nach einem neuen Anbieter umsehen.

Broadcom kann viel darüber erzählen, wie viel Positives die Veränderungen bei VMware bewirken werden - ich glaube nicht daran. Broadcoms Erfolgsbilanz mit Blick auf Übernahmen ist unterirdisch und ich sehe keinen Grund zur Annahme, dass der Fall VMware etwas daran ändern wird. Vielmehr mehren sich die Signale, dass dieser Merger für niemanden von Vorteil ist. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.