Dell will Fabriken loswerden

08.09.2008
Der Computerbauer plant offenbar, seine Rechnerfertigungsstätten an Auftragsfertiger zu verkaufen.

Betroffen sind nicht nur Mitarbeiter, sondern Dells Geschäftsmodell der kundenspezifischen Produktion selbst. Dell will in den nächsten 18 Monaten seine Fabrikationsstätten überall in der Welt verkaufen. Nach Medienberichten aus den USA ist das Unternehmen mit möglichen Kaufinteressenten bereits im Gespräch. Dell unterhält zwei Produktionsstätten in Austin, Texas. Für eine davon, in der Tischrechner (Desktops) hergestellt werden, hatte Dell bereits im Frühjahr 2008 das Aus angekündigt. Dieser Schritt ist insofern nachvollziehbar, als das Geschäft mit Desktops weltweit bei allen PC-Herstellern stagniert, sehr oft aber sogar rückläufig ist.

Neben dem zweiten Werk in Austin betreibt Dell noch Produktionsbetriebe in den US-Bundesstaaten Tennessee, North Carolina und Florida. Außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika gibt es Werke in Irland und Polen (Letzteres wurde erst Anfang 2008 eröffnet), Brasilien, China und Malaysia.

Grundsätzlich ist es in der Industrie gang und gäbe, Geräte nicht selbst zu fertigen, sondern durch Drittfertiger herstellen zu lassen. Auch in der ITK-Industrie ist dies nicht anders. Dell ist allerdings eine Ausnahme insofern, als das bisherige Geschäftsmodell des Dell-Direktvertriebs sehr stark von der engen Beziehung zwischen dem Computerbauer und seinen Kunden von der Bestellung bis zur Auslieferung der Geräte lebte. Dell war jahrelang der Konkurrenz voraus, wenn es um das Kundenbeziehungs- und Lieferkettenmodell ging, dessen zugrunde liegende Software der Anbieter selbst entwickelt hatte. Der potenzielle Käufer konnte sich via Internet ein Wunschsystem zusammenstellen, es im Web ordern, und Dell fertigte den Computer exakt nach der individuellen Kundenvorstellung.

Dell hat immer damit geworben, dass mit diesem Modell nur sehr geringe Inventarbestände aufliefen und dadurch wenig Kapital gebunden werde. Dies ist ein Umstand, der anderen Herstellern, die ihre Computer alle im Wesentlichen über den Zwischenhandel verkaufen, viel zu schaffen machte. Teilweise schlugen bei PC-Herstellern in der Quartalsbilanz Lagerbestände von zwei Milliarden Dollar und mehr zu Buche. Alles Rechner, die im Handelskanal auf einen Käufer warteten, dabei technisch schnell alterten und deshalb zu Sonderpreisen losgeschlagen werden mussten - was bei den Herstellern wiederum zu Umsatzeinbußen führte.

Außerdem vergingen bei Dell zwischen der Bestellung und der Auslieferung der Rechner nur wenige Tage - ebenfalls ein Faktum, das dem Unternehmen Vorteile gegenüber der Konkurrenz verschaffte. Zudem beherrschte kein anderes Unternehmen die Built-to-Order-Anforderung (BTO) der Kunden vergleichsweise so perfekt wie Dell.

Schluss mit Built to Order?

Mit dem Verkauf der eigenen Produktionswerke an Dritthersteller dürfte sich an diesem System einiges verändern. Allerdings könnte Dell den anstehenden Umbau damit erklären, dass mittlerweile auch die wesentlichen anderen Rechnerhersteller ihre Kundenbeziehungs- und Lieferkettensysteme verbessert haben und Dells Vorsprung hier geringer geworden ist. Da Dell ferner seine ausschließliche Direktvertriebsstrategie seit etwa anderthalb Jahren aufweicht und versucht, seine Maschinen auch über Vertriebspartner zu verkaufen, könnte sich das Credo der Losgröße-Eins-Fertigung zunehmend als nicht mehr praktikabel erweisen. (jm)