Schleppendes Europageschäft als mögliche Ursache

Dell schwächelt in einem orientierungslosen PC-Markt

20.10.2000
MÜNCHEN (CW) - Nach Apple und Intel sorgte nun auch Dell mit einer Umsatzwarnung für das auslaufende dritte Quartal bei den Börsianern für eine herbe Enttäuschung.

Kurz zuvor hatte Michael Dell, Vorstandsvorsitzender und CEO (Chief Executive Officer) des texanischen PC-Herstellers, noch verlauten lassen, dass sich, anders als bei Intel und Apple, an dem geplanten Umsatzziel seines Unternehmens nichts ändere. Allerdings hatte sich Dell im Laufe dieses Jahres schon dreimal korrigiert - zuletzt im August.

Kurz nach Börsenschluss Ende vorvergangener Woche mussten dann aber auch die Texaner Farbe bekennen: Auf einem Analystentreffen verkündete der PC-Hersteller, das laufende dritte Quartal (Ende: 4. November) liege mit 8,2 Milliarden Dollar um etwa drei Prozent unter dem erwarteten Umsatz von 8,5 Milliarden Dollar. Bei anhaltendem Negativtrend sei auch im gesamten Geschäftsjahr nur noch mit einem Umsatzwachstum von 27 Prozent auf 32 Milliarden Dollar zu rechnen, meldete Dell weiter. Beim Ergebnis hingegen sei man aufgrund von Einsparungsmaßnahmen und unerwartet niedrigen Kosten beim Einkauf von Komponenten zuversichtlich, die Vorhersagen der Analysten erreichen zu können. Der Gewinn pro Aktie im vierten Quartal werde allerdings möglicherweise ein bis zwei Cent unter den prognostizierten 28 Cent liegen, räumt Dell ein.

Die Wallstreet reagierte prompt und strafte das Papier des einstigen Börsenstars mit einem schmerzhaften Kursverlust von zunächst elf Prozent. Im regulären Handel war der Titel zuvor auf 25 Dollar und damit auf seinen tiefsten Stand seit zwei Jahren gefallen.

Zögerliche Nachfrage bei kleinen UnternehmenFür die akute Schwächeperiode macht Dell das schleppende Europageschäft sowie die zögerliche Nachfrage bei kleinen und mittleren Unternehmen verantwortlich. Tatsächlich scheint das Wachstum des europäischen PC-Marktes nach neuesten Ergebnissen etwa von Dataquest und Context rückläufig zu sein. So berichtet etwa das "Wall Street Journal" unter Berufung auf eine Studie des Marktforschungsinstituts Context, der PC-Markt in Frankreich und Deutschland sei im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr statt um die von einigen Computerherstellern erwarteten 20 lediglich um 9,5 Prozent gewachsen. Und auch Dataquest gibt für den westeuropäischen Markt neuerdings ein Wachstum von bescheidenen acht Prozent an.

Doch nicht alle Analysten wollen in das allgemeine Klagelied um den angeblich vor sich hin dümpelnden europäischen PC-Markt einstimmen. Die Marktforscher von IDC beispielsweise erwarten einen Zuwachs von knapp 13 Prozent, sehen derzeit also keinen Anlass zu ernsthafter Sorge. So gedeihe etwa das Geschäft mit den kleinen und mittleren Unternehmen gut, der Consumer-Markt erfreue sich bester Gesundheit, und im Notebook-Bereich zeige sich gar ein regelrechter Boom.

Nach Ansicht einiger Analysten sind individuelle Faktoren für die jüngste Ergebniswarnung von Dell verantwortlich. So habe das Unternehmen seit einiger Zeit in Europa nicht besonders gut gewirtschaftet. Ashok Kumar, Analyst bei Bancorp Piper Jaffray, verweist zudem auf den wachsenden Konkurrenzdruck durch den Rivalen Compaq.

Nach Meinung von Technology Business Research ist Dells bescheidene Performance nicht zuletzt auch auf das direkte Vertriebsmodell zurückzuführen. Nachdem Dell als Direktanbieter in den Vereinigten Staaten nicht mehr so stark wachsen könne, sei Europa vor Lateinamerika und dem asiatisch-pazifischen Raum der nächste logische Zielmarkt. Viele Regionen in Europa seien jedoch noch nicht ganz reif für den PC-Kauf via Telefon oder Internet.