Internationaler Kongreß für Datenverarbeitung (IKD) Berlin:\

Datenverarbeiter müssen umdenken

17.09.1976

BERLIN - Nachdenkliches gab es für die knapp 600 Teilnehmer am 2. Internationalen Kongreß für Datenverarbeitung in Berlin von allen im Eröffnungsreferat "Nutzen und potentielle Gefahren der automatischen Datenverarbeitung" (Dr. Frank Haenschke, SPD-MdB und Berichterstatter des Innenausschusses zum Datenschutzgesetz) und beim Schlußreferat "Fortschritt oder wachsende Abhängigkeit - Gedanken zur Rolle der EDV in unserer Gesellschaft" (Direktor Karlheinz Gebhardt, Vorstandsvorsitzender der Datenzentrale Schleswig-Holstein). Beide Referenten - die übrigen über 70 Redner und Moderatoren sprachen zu mehr Butter- und Brot-Themen der EDV-Praxis - betonten die Aufgabe der Datenverarbeiter, die gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen der DV-Technologie zu bedenken und rechtzeitig auf Gefahren wie Datenmißbrauch, Machtverschiebungen, Arbeitslosigkeit durch Automation und Abhängigkeit von den Systemen hinzuweisen. Technologischer Fortschritt sei noch lange kein gesellschaftlicher Nutzen, EDV könne nicht Selbstzweck sein, sondern müsse dem Menschen dienen (Auszüge aus den Reden auf dieser Seite).

Fortschrittsglaube oder Wirtschaftlichkeit?

Daß blinde Fortschrittsgläubigkeit - allein gerichtet auf das technisch 1 Machbare - zudem auch mit der Forderung nach Wirtschaftlichkeit meist nicht in Einklang zu bringen ist, war auch Ergebnis vieler der 60 Workshops-Sitzungen (zum Beispiel Workshop-Reihe D "Computer am Arbeitsplatz" und Workshop-Reihe H "Datenfernübertragung, Datenfernverarbeitung"). Ähnlich der Tenor bei den Referaten zum Thema "Entwicklungstendenzen der Hard- und Software", Zwar zeige sich ein Trend - wie auch anderswo auf dem Kongreß immer wieder zu hören - zu Distributed Processing und den großen Verbundnetzen ab, aber in den Diskussionen bremsten die Praktiker die Referenten, Es werde noch viel Wasser am grünen Strand der Spree entlangfließen, bis nach diesen sicherlich richtig gedeuteten Konzepten weit verbreitet wirtschaftliche Lösungen realisiert werden.

Bemängelt wurde, daß doch unter den so zahlreichen Referenten einige nicht dem erwarteten Niveau gerecht wurden, daß die Einteilung für die einstündigen Workshop-Sitzungen in 15 Minuten Referat und 45 Minuten Diskussion zu ungleichgewichtig war, daß Workshops eben solche nicht mehr sind, wenn 50 Personen oder gar mehr als 100 teilnehmen und diskutieren wollen, zumal Hersteller-Vertreter und Berater doch immer wieder die Chance nutzen, in Diskussionsbeiträgen ihre Produkte und Leistungen zu belobigen.

Fazit: Wohl keiner, den die vier IKD-Tage total enttäuschten, ebenso wohl keiner, der uneingeschränkt zufrieden war. Immerhin, der Kongreß gab vielerlei Anstöße zum kritischen Nachdenken, vielleicht gar zum Umdenken. Der 3. IKD folgt in zwei Jahren.