Einsatz einer 4GL weist den Weg aus der Nische

Datenbankunabhängige Produkte öffnen die Tür zu neuen Märkten

01.11.1991

Mit Hilfe einer Programmiersprache der vierten Generation wurde aus einem Nischenprodukt eine auf verschiedenen Betriebs- und Datenbanksystemen ablauffähige Standardlösung. Michael Glasmacher

* berichtet über seine Erfahrungen im Umgang mit dem 4GL-System Uniface.

Vor etwas mehr als drei Jahren traf das Aachener Ingenierbüro Dr. Glasmacher und Dr. Sommer (IBGS) die Entscheidung, daß die Logik der von ihm entwickelten und vertriebenen Finanzbuchhaltungs-Software Fibgs für mehr Rechner und Datenbanken offen sein sollte. Bis dahin lief das Buchhaltungsprogramm nur auf einem speziellen System; außerdem war es mit Commercial-Fortran entwickelt und von daher eine absolute Insellösung, was wiederum dem Ziel des Unternehmens, größere Märkte anzuvisieren, zuwiderlief.

Das Programmpaket immer wieder an unterschiedliche Rechner und Betriebssysteme der jeweiligen Kunden anzupassen hatte sich als zu aufwendig und unrentabel erwiesen. Deshalb faßte IBGS den Einsatz einer Programmiersprache der vierten Generation ins Auge. Eigenschaften wie leichte Portierbarkeit und Verfügbarkeit in viele Welten sollten Souveränität bei neuen technischen Entwicklungen garantieren. Die Wahl fiel auf das vom Systemhaus GEI, Aachen, vertriebene 4GL-Produkt Uniface. Trennung der Daten von den Programmen

Gearbeitet wird bei IBGS auf einem Mehrplatzsystem mit zehn Benutzeranschlüssen. Während die Entwicklung auf C- ISAM erfolgt, werden die Anwendungen auch auf Oracle, IDM und RMS portiert. Unter SCO- Unix ist das Finanzbuchhaltungsprogramm sogar schon dreimal auf 386-PCs installiert. Fibgs wurde komplett mit allen Ein- /Ausgabe- und Verarbeitungsprogrammen in die Drei-Schema- Architektur von Uniface übertragen, die den Vorgaben von ANSI und ISO entspricht Aus der Trennung von Daten und Programmen in verschiedenen Ebenen dieser Architektur resultiert die leichte Änderbarkeit und Wartungsfreundlichkeit der Programme sowie die Unabhängigkeit von Hardware, Betriebssystem und Datenbank.

Mitte 1989 wurde der Prototyp von Fibgs bei Kronenbrot, einer der führenden Großbäkkereien Deutschlands, auf einer C-ISAM-Datenbank installiert. Anfänglich gab es Schwierigkeiten: Das Datenvolumen überstieg die Rechnerkapazität, und das Know-how der Aachener Software-lngenieure im Umgang mit der 4GL reichte noch nicht aus. Nach einer dreimonatigen Einarbeitungszeit wurde Uniface dann erneut aufgesetzt. Heute gehen täglich im Durchschnitt 10 000 Zahlungen durch die Buchhaltung, und das IBGS arbeitet mit Uniface 5. 0 an der vierten FibGS-Version. Zukunftsträchtige Eigenschaften

IBGS produziert jedoch nicht allein Standardsoftwarepakete, sondern liefert auf Wunsch auch individuelle Anwendungslösungen. Im Kundenauftrag wird gegenwärtig beispielsweise eine Auftragsbearbeitung geschrieben - wiederum mit Uniface. Kriterium waren auch hier Offenheit und Portierbarkeit, die die Aachener als zukunftsträchtige Eigenschaften einer Datenbankanwendung bezeichnen.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Mips-Anlage, an der insgesamt 70 Anwender arbeiten. Die große Zahl der Endbenutzer macht ein vernünftiges Zeitverhalten der Datenbankanwendung unabdingbar. Auch in puncto Performance hat sich Uniface bewährt

Seit IBGS das 4GL kennengelernt hat, wird dort nur noch mit diesem Werkzeug entwikkelt. Anfangs arbeiteten nur drei Programmierer damit; heute sind es bereits 13 Als wesentlichen Vorteil begreifen die Aachener, daß die Listengenerierung keinen Programmieraufwand mehr erfordert. Die drastische Verkürzung der Entwicklungszeit belegt eindrucksvoll die Erstellung von Belegschemata zur Dateipflege: Während man früher einen halben Tag dafür benötigte, erfolgt sie heute innerhalb weniger Minuten. Nachteile wie etwa die unvollständige Ausnutzung der Datenbankkapazität werden dabei nicht als gravierend empfunden

Auch wenn alle Anwendungen heute mit Hilfe des 4GL-Produkts entstehen, so werden doch immer noch - für den größeren Komfort der Endanwender - einige C-Routinen zur Unterstützung eingebunden Das dürfte solange der Fall sein, bis die neueste Uniface - Version diese Funktionen übernimmt.

Ein wichtiger Grund für den Einsatz des 4GL-Systems war auch das Data-Dictionary, das den Programmieraufwand reduziert und die Wartung vereinfacht; dadurch steigen die Produktivität der Entwickler und die Qualität der Anwendungen.

Gleichzeitig sorgt ein Data-Dictionary für die nötige Flexibilität: Es ermöglicht eine schnelleReaktion auch bei Termindruck, da alle Datenbeschreibungen und -beziehungen zentral verwaltet werden. Allerdings ist die Einführung eines 4GL-Systems kein leichtes Unterfangen. Die Hauptaufgabe bei einer solchen Einführung stellt weniger die Implementierung als vielmehr die beratende Tätigkeit dar; sie ist notwendig, um den unerfahrenen Anwendern den einfachen und effektiven Einstieg in diese Technik überhaupt zu ermöglichen. Kunden bekommen ein Gefühl der Sicherheit

IBGS konnte in den vergangenen drei Jahren die Entwicklungszeit der Programme drastisch verkürzen. Durch die mit der 4GL erreichte Datenbank-Unabhängigkeit ist außerdem der Zugang zu neuen Märkten geschaffen: Ohne zusätzlichen Programmieraufwand lassen sich die Programmpakete unter VMS oder Unix für Computersysteme verschiedener Hersteller anbieten, und auch bei der jeweils eingesetzten Datenbank können die Anwender unter den Angeboten verschiedener Hersteller wählen.

Dadurch erhält der Kunde die Sicherheit, daß er seine Anwendung über Jahre hinweg benutzen kann.

Inzwischen sind die 4GL-Kenntnisse des IBGS-Teams soweit fortgeschritten, daß sich bereits ein neuer Markt für das Aachener Ingenieurbüro aufgetan hat: Beratungsleistungen für die Entwicklung mit Uniface. Insofern erweist sich der in das Know-how investierte Zeit- und Kostenaufwand im nachhinein als doppelt nutzbringend. Für Neuentwicklung drei Monate veranschlagt

Das Finanzbuchhaltungspaket Fibgs wird im Augenblick neu geschrieben; die Software-Entwickler gehen von einer dreimonatigen Produktionsdauer aus. Als weitere Rationalisierungsmaßnahme erweist sich dabei der Einsatz des Uniface-Add-ons ITK, das die Erstellung von Eingabeschemata auf hohem Niveau vereinfacht und in Deutschland exklusiv von IBGS vertrieben wird.

Im allgemeinen entwickeln die Aachener mit der 4GL fünf bis sechs Projekte zur gleichen Zeit, und diese Größenordnung soll künftig auch beibehalten werden. Geplant ist, den Mitarbeiterstamm um zwei Programmierer zu erweitern. Damit soll die Expansion aber Grenzen erreicht haben, denn ihre IBGS will - zumindest vorläufig - ein kleines Unternehmen bleiben.