Versorgung im Robert-Bosch-Krankenhaus durch rechnergesteuerte Flurförderfahrzeuge:

Data-General-Mikro als Dispositionssystem

16.10.1981

Bei der Transportlogistik in Krankenhäusern mit seinen zahlreichen Versorgungs- und Entsorgungsstellen kann eine rein manuelle Bewältigung nicht nur Koordinierungsprobleme aufwerfen. Erhebliche Personalkosten mit steigender Tendenz stehen einmal dem Kostendämpfungsgesetz der Heilanstalten entgegen. Zum anderen bieten sich automatisierte Transportverfahren an. Allerdings gibt es bisher kaum Lösungen, die in ein umfassendes Systemkonzept eingeflossen sind. Als beispielhaft darf man deshalb das rechnergesteuerte Transportsystem des Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhauses bezeichnen.

Bereits im Planungsstadium fiel im Robert-Bosch-Krankenhaus die Entscheidung für eine automatische Transportanlage. Alle Artikel für die Krankenpflege sollten zentral an einer Stelle bereitgestellt und von dort den Verbrauchsstellen zugeführt werden. Ebenfalls vorgesehen war ein Punkt für die Zubereitung der Sterilgüter für die Operation und Kreissäle.

Darüber hinaus sollte der Speisetransport von der Küche bis zu den Pflegegruppen mit dem selben System gelöst werden. Die Speisenversorgung des 470 Betten-Krankenhauses sollte innerhalb von etwa 45 Minuten zwischen 420 und 470 portionierte Mahlzeiten auf Speisetabletts von der Zentralküche zum Patienten befördern. Der Allgemeingütertransport mit sämtlichen Ver- und Entsorgungsartikeln forderte eine ständige Dienstbereitschaft sowie variable Verbindungen zwischen den einzelnen Betriebspunkten. Wegen der nicht vorher bestimmbaren Lieferzeiten und der damit verbundenen Arbeitstaktabstimmungen schied eine manuelle Entladung an den Ankunftsstellen von vornherein aus.

Deshalb entschied man sich für ein automatisches Umsetzen der transportierten Behälter in die Aufzüge oder aus den Aufzügen heraus.

Floppy-Disk als Programm-Lader

Umfangreiche Vorarbeiten waren schon deshalb für das automatische Transportsystem notwendig, weil zwei verschiedene Güterklassen bewegt werden sollten, die völlig unterschiedliche Bedarfsanforderungen besitzen. Der Speisentransport erfordert eine sehr hohe Transportleistung, mit kurzzeitigen höheren Belastungen der gesamten Anlage. Dagegen verlangt der Allgemeingütertransport eine kontinuierliche Arbeitsweise über den ganzen Tag verteilt. Die Transportleistung brachte dagegen keine hohe Auslegung. Beide Transportarten sollten jedoch über eine Anlage abgewickelt werden.

Für die Fördergutaufnahme wurden drei verschiedene Behälter entwickelt, die ein Zuladegewicht von 150 Kilo besitzen. Das Eigengewicht beträgt etwa 160 Kilo. Gebaut wurden Speisentransportbehälter, Universalbehälter für diverse Versorgunsgüter, wie Wäsche, Sterilgut, Gebrauchsmaterial für die Krankenpflege, Post und so weiter und Müllcontainer.

Für den Behältertransport entwickelte Babcock & Bosch eine Transportanlage mit Elektronikteil. Die Beförderung übernimmt ein dreirädriger Unterfahrschlepper, 180 Zentimeter lang und 25 Zentimeter breit.

Die Computersteuerung und die Verwaltung des Fahrplans der insgesamt sieben Schlepper sollte ein Rechner übernehmen. Für das Projekt wurde ein Stuttgarter Systemhaus verpflichtet. Die Hirschmann & Friedrich GmbH verfügte bereits über Erfahrungen aus ähnlichen Anwendungsgebieten und besaß umfassende Kenntnisse minicomputergesteuerter Spezialanwendungen auf technischwissenschaftlichem und medizinischem Gebiet.

Hirschmann & Friedrich lieferte für diese Installation einen Mikrocomputer, die Micronova MP/100 von Data General. Angeschlossen sind eine Floppy-Disk-Station als Programmlader, ein Bildschirm für Änderungen und Statusabrufe, ein Protokolldrucker sowie digitale Ein- und Ausgangskanäle zum Anschluß der bestehenden Anlage.

"Obelix 6" und "Schlumpf 7"

Da bereits vorher über einen anderen Computer Assembler-Programme vorlagen, sollte die neue Anlage schneller und wirtschaftlicher arbeiten. Die Forderungen lauteten des halb: Die neue Programmiersprache mußte bei einem eventuellen erneuten Wechsel, womöglich auf einen größeren Minicomputer, portable Programme zulassen. Dialogbetrieb für schnelle und einfache Änderungen war eine weitere Forderung. Hirschmann & Friedrich entschieden sich für die Micronova und Fortran IV-Programme, die beim Aufrüsten auf nächsthöhere Anlagen laut Data General "unproblematisch mitgenommen" werden können.

Die sieben Unterflurschlepper wurden kurz vor ihrem ersten Einsatz "getauft" und erhielten auf der Frontseite entsprechende Namensschilder. Seitdem arbeiten im Robert-Bosch-Krankenhaus unter anderem "Felix 1", "Charly 2", "Obelix 6" und "Schlumpf 7".

Dem unbelasteten Beobachter erscheint ihre Fahrt zum Zielpunkt eher wie eine Geisterfahrt, da der Antrieb scheinbar drahtlos und ohne Schienenführung geschieht. Das kommt daher, daß die Fahrwege unsichtbar sind. Die Schlepper folgen jedoch nur einem im Zementboden eingelassenen Leitdraht nach dem Induktionsprinzip.

Dieses Verfahren hat große Vorteile gegenüber Schienenführungen, da keinerlei Hindernisse die Bodenfläche abgrenzen.

Ausgangspunkt, Arbeitsbereich, Ladungsstation und Werkstatt der sieben Schlepper ist das zweite Untergeschoß des Krankenhauses. Hier ist auch der Rechner mit der Schaltanlage installiert.

Durch die Induktionsschleife werden die Schlepper durch acht verschiedene Frequenzen zwischen 5,5 und 32 KHz auf unterschiedliche Fahrstrecken geleitet. Bedient werden die drei Fahrstühle für den Behältertransport und die automatische Müllkippe. Eine Schleife mit sieben Ladestationen führt die Fahrzeuge nach etwa sechs bis acht Stunden, abhängig vom Batteriezustand, an die Batterieaufladung. Dahinter befindet sich die Wartungsstrecke für Reparaturarbeiten.

Der vertikale Transport wird über drei Aufzüge abgewickelt. Jeder Fahrstuhl hat dabei speziell zugewiesene Aufgaben. Fahrstuhl 1 verbindet zum Beispiel die im zweiten Untergeschoß befindliche Verteilerebene mit der zentralen Versorgung im ersten Untergeschoß und die Behandlungsstationen im Erdgeschoß mit den Pflegeabteilungen im ersten bis vierten Obergeschoß.

Aufzug 2 ist für die Beförderung der Speisenbehälter, Fahrstuhl 3 für die Operationssäle zuständig. Die Adressierung wird über einen Adreßwählschalter am Behälter vorgenommen. Für die Decodierung der eingestellten Adressen gibt es in den Aufzügen und in den Schleppern entsprechende Empfänger. Diese werten die Adressen aus und können dadurch das Ziel jedes Behälters feststellen.

Rechner erkennt Schlepper

Der gesamte Fahrtkurs einschließlich der Schleifen liegt für jeden Schlepper bei rund 500 Meter. Der Antrieb erfolgt über Anlassermotore, die von einer 24 Volt-Batterie gespeist werden. Nach etwa acht Kilometern Fahrleistung wird dem Mikro die fallende Batteriestromkapazität gemeldet. Der Rechner erkennt den betreffenden Schlepper und beordert ihn in die Ladestation. Vorher ermittelt er eine freie "Zapfstelle" und schaltet Weichen, um das Fahrzeug an die richtige Stelle zu lenken.

Eine weitere Programmroutine ermittelt dann, welcher Schlepper die längste Zeit an der Ladestation angeschlossen ist und bringt diesen für weitere Arbeiten auf die Fahrt. Das batterieschwache Fahrzeug fährt in die Ladestation und meldet dem Rechner seinen "Zapfstellen"-Anschluß. Normalerweise laufen parallel zwei bis drei Schlepper, während der Essenszeiten vier.

Unterwegs sind an sogenannten Blockstellen, von denen es rund 40 Stück gibt, Fahrbeeinflussungen möglich. Dadurch sind auch Kollisionen von Fahrzeugen ausgeschlossen. Eine Blockstellenliste durchläuft eine ganze Reihe von Freigabebedingungen. Bevor ein Schlepper zur nächsten Blockstelle weiterfährt, wird geprüft, ob auch alle Freigabebedingungen erfüllt sind. Der Rechner kann bei Bedarf auch Prioritätssteuerungen übernehmen, wenn zwei Fahrzeuge sich zur selben Zeit auf eine Strecke begeben müssen.

Der Mikrocomputer sorgt darüber hinaus auch für Alarmmeldungen, etwa dann, wenn eine Fahrzeitüberschreitung zwischen zwei Blockstellen eingetreten ist oder ein Behälter vom Schlepper nicht akkurat unterfahren und aufgeladen worden ist.

Für diese Abläufe ist ein Dispositionsprogramm vorhanden, das die Schlepper optimal zur Verfügung stellt und für jede Aufgabe den kürzesten Weg ausrechnet.

Steuersignale zur Anlage sowie Rückmeldungen erfolgen durch einen Steuerschrank, in dem die Signalanpassungen ausgeführt werden.

In der Küche ist ein Behälter mit dem angerichteten Speisentabletts fertig beladen worden. Nachdem in der Küche der Adreßwahlschalter auf das zweite Obergeschoß eingestellt worden ist, wird der Behälter an den Aufzug geschoben. Ein Näherungsgeber ruft den Fahrstuhl. Nach Ankunft des Aufzuges wird der Behälter automatisch in den Fahrkorb gehoben. Darauf werden durch den Aufzug die Adressen des Behälters gelesen und an den Rechner übermittel. Schon während der Aufzug zum zweiten Untergeschoß fährt, disponiert der Rechner einen Unterflurschlepper für diesen Transport. Sobald der Behälter unten angekommen ist, wird er automatisch ausgeladen und von dem bereits wartenden Schlepper übernommen und im Schnellgang in Richtung Fahrstuhl 1 gefahren, um mit den Essensportionen sicher das Ziel zu erreichen. Am Aufzug 1 angekommen, wird der Behälter abgestellt und der Schlepper begibt sich in seine nächste Ausgangsposition. Der Aufzug übernimmt nun den alleinstehenden Behälter, kontrolliert dessen Adressen und transportiert ihn - weil diese in Ordnung sind - in das zweite Obergeschoß. Dort wird der Behälter ausgeladen und das Mittagessen kann verteilt werden.

Die rechnergesteuerte Anlage hat in vielen Bereichen des Robert-Bosch-Krankenhauses spürbare Arbeitserleichterungen bewirkt, da die beschriebenen Transportaufgaben automatisch abgewickelt werden. Darüber hinaus hat sich der Umstellungsaufwand für den neuen Steuerrechner, verbunden mit dem Einsatz von Fortran IV, bewährt. Bei ersten Änderungen hat das gewählte Konzept die Erwartungen erfüllt. Notwendig gewordene Änderungen des Betriebsablaufs konnten ohne größeren Aufwand problemlos organisiert werden und haben die Konzeption der Umstellung bestätigt.

*Klaus Rosenthal ist freiberuflicher EDV-Journalist.