Das Wissen in die Unternehmen tragen

30.10.2006
Axel Oppermann ist Advisor bei der Experton Group. Einer seiner Schwerpunkte ist der Bereich RFID. Im COMPUTERWOCHE-Interview fordert er zertifizierte Schulungen der Mitarbeiter. „Die Verbände müssten sich hierfür zusammen tun“, findet er.

Computerwoche: Das Thema RFID hatte zunächst sehr großen Schwung. Auf der Cebit in diesem Jahr verkündete die Metro jedoch, dass es doch noch einige Jahre bis zur Umsetzung dauern könnte. Wie ist das zu erklären?

Axel Oppermann: Im Handel wird es noch etwas dauern. Die Metro war ja Voreiter für Europa. Sie haben den Future Store eröffnet, um Kompetenz zu zeigen und Erfahrungen zu sammeln. Weltweit hatte Wal-Mart das Thema noch früher annonciert. Es gibt halt immer noch Probleme bei der Umsetzung. Dem Handel sind noch der Tag-Preis und die Kosten zu hoch. In anderen Branchen steigt hingegen die Nachfrage beständig, weil man hier erkannt hat, dass RFID-Lösungen Prozess- und Kostenvorteile ermöglichen.

Computerwoche: Wo liegen die Schwierigkeiten?
Oppermann: Es macht nur Sinn, wenn ich alle Zulieferer integriert habe. Metro hat eine entsprechende Vereinbarung mit seinen Top-Liefernten getroffen. Darüber hinaus müssen alle Prozesse innerhalb der Lieferkette vom Hersteller über den Vertrieb bin hin zum Handelspartner integriert werden. Es muss auch möglich sein, die Informationen wieder zurück zu senden. Das hat klappt noch nicht einwandfrei. Und es herrscht immer noch Unklarheit, wer was mit den Daten macht und wie die Kosten verteilt werden.

Computerwoche: Ist das ein klassisches Henne-Ei-Problem?
Oppermann: Die Konsumgüterhersteller setzen RFID intern schon länger für ihre Warenlogistik ein. RFID im Handel ist auf jeden Fall auf Paletten-Umverpackungsebene vorankommen – insbesondere in den Distributionszentren. Wann es im letzten Schritt auch auf Produktebene und im Geschäft kommt, ist jedoch noch unklar.

Computerwoche: Andere sagen, der Tag-Preis sei eigentlich gar kein Problem. Denn wenn man einen Business-Case hat, der sich rechnet, sei der Tag-Preis eigentlich egal.
Oppermann: Das ist auch meine Meinung. Es ist natürlich plakativ, wenn man sagt, auf einen Joghurt für 30 Cent kann ich keinen Tag für zehn Cent kleben. Ich muss mir im Unternehmen und auch in der Lieferkette den gesamten Business-Case anschauen. Bei einem durchschnittlichen Artikelverkaufspreis von angenommenen zehn bis 20 Euro ist der umgerechnete Tag-Preis verschwindend gering.
Die Vorteile durch die RFID-Einführung sind aber durch Diebstahlsschutz, Schutz vor vergammelten Waren oder verbesserte Logistikprozesse wesentlich höher. Ich muss immer analysieren, was unter dem Strich dabei heraus kommt. Beim Handel sind die Kosten und der Nutzen aber asymmetrisch verteilt. Das heißt, viele Kosten fallen beim Lieferanten an, der Nutzer wird aber vor allem beim Einzelhändler generiert. Diese ungleiche Verteilung von Kosten und Nutzen, wird mit dem Argument ‚Preis’ umschrieben. Der Preis ist hier aber kein Einwand, sondern ein Vorwand.

Computerwoche: In welchen Bereichen gibt es eine große Nachfrage nach RFID?
Oppermann: Klassisch in der Logistik - wir unterscheiden hier Transport- und Warenlogistik (Track und Trace) -, in der Fertigungsindustrie und im Gesundheitswesen. Aber auch in kleinen Branchen wie der Vermietung beweglicher Sachen und in den Bereichen Reise und Aviation, hier etwa für das Tracking von Gepäckstücken am Flughafen.

Computerwoche: Wie geht der Einsatz im Verleihgeschäft vonstatten?
Oppermann: Es gib in diesem Bereich in Deutschland rund 14000 Unternehmen, darunter etwa 5000, die mehr als eine Viertelmillion Jahresumsatz haben. Das fängt bei Baumaschinen an und geht hoch zu Autos. Es sind aber auch Kleidung oder Fußmatten. RFID ist besonders interessant für die Geschäfte, die eine schnelle Drehung haben, wo die Leihfristen kurzfristig sind und Zuordnungen gemacht werden müssen. Besonders wichtig ist hier eine sofortige Integration in die ERP-Systeme, die sehr große Vorteile mit sich bringen kann.

Computerwoche: Was ist mit den verschiedenen Standards; wo liegen hier die Probleme?
Oppermann: Es sind verschiedene Interessengruppen und Organisationen, die dabei dahinter. Jede Organisation will ihre Interessen durchsetzen. Wo es eine „closed loop“ gibt, wo RFID nicht beim Kunden oder in die Lieferkette eingegliedert ist, ist das sicher zweitrangig. Im Versandhandel sieht es anders aus. Wir werden aber sicher eine zeitnahe Einigung bekommen, da der wirtschaftliche Druck zunimmt. Die große Diskussion betrifft zwar nur wenige, aber sie verunsichert viele Unternehmen.

Computerwoche: Sind Sie denn generell optimistisch in Hinblick auf RFID?
Oppermann: Ja, absolut. Es ist ein wachsender Markt und eine Querschnittstechnologie. Die Grundstimmung ist positiv. Ein Problem ist jedoch noch das mangelnde Wissen in den Unternehmen. Es ist ein relativ komplexes Themengebiet. Es reicht nicht, mal eben meinen IT-Leiter auf ein Wochenendseminar zu schicken. Man sollte auch im Vorfeld für die Analyse der Prozesse externe Beratung hinzu ziehen. Und sich fragen: Wo kann RFID helfen, und welche Alternativen gibt es?

Computerwoche: Wie kann man die Mitarbeiter besser schulen?
Oppermann: Im Qualitätsmanagement, etwa bei Six Sigma, gibt es schon Zertifizierungen und Schulungsmodelle für die Mitarbeiter. Wenn es so etwas auch im Bereich RFID gäbe, würde das Wissen in die Unternehmen getragen. Bisher gibt es aber nur einzelne Schulungen, Tagungen und Bücher – das reicht aber nicht. Was ich meine, das gibt es noch nicht. Dafür müssten sich einige Verbände zusammen tun.

Computerwoche: Wo geht es hin mit RFID?
Oppermann: In Zukunft werden die Bereiche RFID und Sensorik zusammen wachsen, zum Beispiel in der Lebensmittelüberwachung und in der Fertigungsindustrie. Ein weiteres Thema wird RFID als Service –ein entsprechender zentralisierter Dienstleister wird den Zugriff auf die Informationen real time über die Prozessketten hinweg ermöglichen. Es geht ja immer darum, wer wann welche Informationen zur Verfügung hat, wie werden sie geteilt und wie bezahlt? Dafür wird es in Zukunft Anbieter und Modelle mit entsprechenden Servicelösungen geben.

Persönliches

Axel Oppermann ist Berater bei der Experton Group

Axel Oppermann ist seit sechs Jahren im IT- und TK-Bereich tätig. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich der Analyse ICT-basierter Prozessintegration in Anwenderunternehmen. Sein thematischer Fokus liegt auf RFID, CRM und ICT-Compliance. Bevor Oppermann zur Experton Group wechselte, arbeitete er für das Unternehmen Techconsult. Oppermann hat einen Abschluss als Bankkaufmann und absolvierte ein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Kassel mit den Schwerpunkten Schwerpunkt Markt und Allokation.