Das Terminal-System muß sich Selbst bezahlt machen

26.09.1975

Mit Rene Häberling, Administrations-Leiter bei Migros Zürich, sprach CW-Redakteur Otto Schulte

- Die Migros-Genossenschaft Zürich hat als erstes Schweizer Einzelhandelsunternehmen ein Terminal-Verbund-System installiert. Wer das tut, muß große EDV-Erfahrung haben?

Wir arbeiten seit über 20 Jahren mit Datenverarbeitungsanlagen, Zunächst mit Tabelliermaschinen, später mit Computern. Seit 1968 haben wir unsere beiden Siemens 4004/45 für rund 170000 Franken Monatsmiete installiert. Zum Herbst dieses Jahres wollen wir die Anlagen per Mietkauf erwerben.

- Zusammen mit ihrem Kollegen Alfred Schmidt leiteten Sie das Projekt "Terminal-System". Wann begannen die Vorarbeiten? Stand eigentlich von vornherein fest, diese Lösung für Ihre Probleme im Bestell- und Beschaffungswesen anzustreben?

Die Vorarbeiten begannen vor zweieinhalb Jahren. Wir haben sofort an ein Terminal-Verbundsystem gedacht, weil auch unser Rechenzentrum bereits dafür konzipiert war. Grundsätzlich ging es uns darum, die alten unhaltbaren Zustände zu beseitigen, nämilch die Uneinheitlichkeit im Bestellwesen. Je nach Filiale und Warengruppe wurden früher Markierungskarten erstellt, Bestellformulare ausgefüllt oder auch telefonische Bestellungen aufgegeben. Die unterschiedlichen Datenflüsse wollten wir kanalisieren und vereinheitlichen.

- Hatten Sie in der ersten Planungsphase konkrete Vorstellungen, wieviel eine rationelle Lösung kosten darf ?

Wir hatten eine klare Zielvorgabe der Geschäftsleitung. Nach einer Kosten-/ Nutzen-Analyse in diesem Rahmen gab sie uns dann auch grünes Licht.

- Wie sind Sie dann vorgegangen, wie haben Sie sich über die konkreten Angebote am Markt orientiert?

Wir haben zunächst ein Lastenheft erstellt. Auf dieser Basis baten wir alle in Frage kommenden Hersteller um Offerten. Darauf gingen 25, allerdings sehr unterschiedliche Angebote ein Nach Rücksprache mit den Anbietern blieben ganze fünf übrig, darunter Nixdorf Burroughs und Kienzle.

- Welche Vorgaben mußten von diesen Anbietern grundsätzlich erfüllt werden?

Das waren fünf unabdingbare Kriterien:

- Magnetbandkassette als Datenträger

- freie Programmierbarkeit der Terminals

- Eignung der Terminals für die rauhen Umweltbedingungen in den Filialen

- Hohe Bedienungsfreundlichkeit der Geräte

- Extreme Service-Bereitschaft des Lieferanten.

Bei den Testinstallationen die wir schon im Herbst 1973 vornahmen, prüften wir insbesondere die Bedienungsfreundlichkeit.

Denn es war ja vorgesehen, das Verkaufspersonal in den Filialen direkt mit der Dateneingabe zu betrauen.

- Sie entschieden sich schließlich für das Nixdorf-System 720. Warum?

Für uns waren drei Gründe ausschlaggebend. Die Geräte bewährten sich im Test. Dann überzeugte uns die Leistungsfähigkeit der Service-Organisation. Schließlich konnte Nixdorf Erfahrungen im Terminal-Anschluß an Siemens-Computer nachweisen.

- Bei der Vorbereitung des Projektes saßen fünf Partner an einem Tisch: Migros, Nixdorf, Siemens, das Softwarehaus IDV AG und nicht zuletzt die schweizerische Bundespost PTT. Wie klappte die Zusammenarbeit?

Naturgemäß hatten wir die größte Mühe mit der PTT, aber die Zusammenarbeit mit den übrigen Partnern war ausgezeichnet. Das wird, glaube ich, durch die kurze Realisierungszeit bestätigt.

- Wann begannen die Installationen im Feld, wann stand das Netz?

Die Lieferung der Terminals erfolgte von August bis Oktober 1974. Die Test erfolgten unverzüglich. Die Produktion wurde am 20. Januar 1975 aufgenommen.

- Sie wollten bedienungsfreundliche Terminals haben, weil das Personal in den Filialen keine Computererfahrung hatte. Geschult werden mußte wohl trotzdem?

Natürlich, zumindest mußten wir unseren Mitarbeitern die Angst vor dem Computer nehmen. Dazu haben wir einen Dreistufenplan entwickelt und ablaufen lassen. In der ersten Phase erhielten alle 5000 Beschäftigten eine humorvolle Aufklärungsbroschüre an die Privatadresse: unsere Good-Will-Aktion. Um Interesse zu wecken, war sie mit einem Wettbewerb verbunden. In der nächsten Stute erhielt jede Filiale eine Tonbandkassette und einen Kassettenrecorder. Die Kassette enthielt eine praxisnah gestaltete, programmierte Unterweisung, ergänzt durch eine Begleitschrift. Schließlich wurden 650 Mitarbeiter zusätzlich in Lehrgängen hier im Hause ausgebildet.

- Hat sich diese Mühe gelohnt?

Ich glaube, ja. Wir konnten das Terminal-System unverzüglich, ohne grobe Fehler und Versäumnisse einfahren. Es hat sich in der Praxis sogar herausgestellt, das unser System der Interessenlage der Mitarbeiter entspricht. Sie wollen selbst am Terminal ihre Bestellungen aufgeben, selbst verantwortlich sein, bis die Zentrale die jeweilige Bestellung garantiert.

- Die in den Filialen installierten Terminals dienen im Wesentlichen der Aufgabe der Bestellungen. Von der Zentrale aus gesehen haben Sie damit eine Kontrolle über die täglichen Umsätze und Warenbewegungen nur im Rückgriff auf das Bestellwesen. Hätte es nicht nahe gelegen, das Problem ganz anders anzupacken und POS-Systeme einzusetzen, also die Kontrolle an die Kasse zu verlegen? Warum haben Sie sich anders entschieden?

Wir unterscheiden zwischen Food-Lebensmittel und Non-Food-Artikeln. Im Lebensmittelbereich ist bei täglichem Umschlag und Kleinpreisartikeln ein POS-System nicht erforderlich, aus Kostengründen sogar ungeeignet.

Die Artikel-Etikettierung ist beispielsweise viel zu teuer. Hier ist uns die Methode der Absatzprognose das heißt des aufgrund der tatsächlichen Bestellungen der letzten vier Wochen gemittelten Bestellvorschlages, ein besseres Mittel. Im Non-Food-Bereich sieht das anders aus, hier ergeben sich für die Zukunft andere Aspekte, die wir zur Zeit prüfen.

- Die Miet- und Betriebskosten des Terminalsystems liegen jährlich in der Größenordnung von 1,5 Promille ihres Jahresumsatzes. Sie betragen 1,5 Millionen Schweizer Franken. Das ist eine Menge Geld. Lohnt sich der Aufwand, wird das Geld durch den Rationalisierungseffekt wieder eingespielt?

Das Terminalsystem muß von den Rationalisierungseinsparungen getragen werden, also von Einsparungen im Ablauf des Bestellwesens selbst, durch Kostensenkungen im Einkauf, in der Bereitstellung der Ware in der Eigenproduktion, in der Verteilung der Güter, also im Transportwesen. Das sind ganz handfeste Möglichkeiten. Wir sparen direkt auch Telefongebühren und Kosten für Drucksachen, wie Bestellformulare. Als weiteren Effekt erhoffen wir uns höhere Umsätze durch erhöhte Verkaufsbereitschaft in den Filialen.

- Haben sich diese Hoffnungen erfüllt?

Teilweise, jedenfalls dort, wo wir meßbare Größen haben. Beim Umsatz können wir noch keine konkreten Angaben machen, da die schlechte Konjunkturlage hier wie in der Bundesrepublik das Bild verfälscht.

- Das Terminal-Verbundsystem gibt Ihnen einen besseren Überblick über das Tagesgeschäft. Wirft es auch Informationen ab, die das Top-Management der Migros Zürich besser informiert?

Das sind zwei verschiedene Hüte. Uns kam es hier mehr darauf an, das Mittel-Management, die Warendisponenten in der Zentrale, besser zu informieren. Und das funktioniert für die Planung und Bereitstellung der Ware, - rückwirkend bis in die umfangreiche Eigenproduktion.

- Ein so kostspieliges System, das so sehr das Tagesgeschäft der Migros Zürich bestimmt, muß sicher funktionieren. Ist das garantiert?

Wir haben in jeder erdenklichen Weise einem Ausfall vorgebeugt. In der Zentrale können sich die beiden Siemens-Rechner 4004 gegenseitig ersetzen. Bei einem Gesamtausfall des Systems dient uns die Absatzprognose für jede Warengruppe als Dispositionshilfe. Wir können sie den Filialen auch ohne Datenübertragung zur Verfügung stellen. Bei regionalen Ausfällen der Übertragungsleitungen greifen wir auf die Bandkassetten zurück. Sie können in der Zentrale direkt konvertiert werden. Bei Ausfall eines Terminals hilft die Nachbarfiliale aus.

- Wie sieht es aus mit der technischen Gewährleistung des Terminal-Herstellers?

Da haben wir knallharte Bedingungen ausgehandelt. Der technische Service muß während der Geschäftszeit der Mikros gewährleistet sein, das heißt täglich von 7 bis 19 Uhr, samstags und die nach Wochentag sogar bis 2 Uhr. Eine Störung muß innerhalb einer Stunde behoben sein. Nur für eine entlegene Filiale gilt eine Maximalfrist von zwei Stunden.

- Sie haben ein großes Projekt erfolgreich abgeschlossen. Regt Sie das persönliche Erfolgserlebnis zu neuen EDV-Taten an?

Selbstverständlich, wir haben verschiedene Projekte bereits in Angriff genommen. Auch das Terminalsystem betrachten wir nicht als abgeschlossen. Wir wollen es noch wesentlich verfeinern. So planen wir über das Bestellwesen eine sozusagen von rückwärts angesetzte Stücklistenauflösung für die langfristige Planung und Bereitstellung der Hauptfabrikate. Im allgemeinen Rechnungswesen planen wir wichtige Veränderungen. Kurzfristig streben wir eine Kostenträger- und Kostenstellen-Rechnung an. Ab 1977 werden wir eine komplette Kostendeckungsbeitragsrechnung, und zwar waren- und verkaufs-orientiert, haben.