Web

Das Rennen ist offen

14.02.2008
Von Handelsblatt 
Der Kampf um das Internet tobt. Mit dem Handy-Betriebssystem "Android" macht Google die Branche reichlich nervös. Doch erste Prototypen auf der Mobilfunkmesse in Barcelona sorgten bei der Konkurrenz nicht unbedingt für Besorgnis. Das Rennen ums Geschäft mit mobilen Inhalten ist längst noch nicht entschieden.

BARCELONA. Der Messestand von Texas Instruments ist umlagert: Der Technologiekonzern präsentiert sein erstes Mobiltelefon mit dem von Google initiierten Betriebssystem Android. Der Suchmaschinen-Anbieter entwickelt mit 30 Partnern aus der Branche auf Basis des Computer-Betriebssystems Linux ein eigenes Handy-System. Der Grund: Sie wollen die Entwicklung des mobilen Internets beschleunigen. Android soll ein offener Standard sein, der allen zur Verfügung steht und der von den Anwendern verändert werden kann.

Bislang gibt es mehrere konkurrierende geschlossene Handy-Betriebssysteme, unter anderem Symbian und Microsoft Mobile. Diese Vielfalt hat nach Ansicht von Google dazu geführt, dass das mobile Internet noch immer in den Kinderschuhen steckt. Das soll sich mit Android ändern. Die US-Amerikaner haben ein großes Interesse daran, dass das Handy-Web bald abhebt: Sie wollen dort Dienste wie Google Maps und E-Mail anbieten und wie im normalen Internet über Werbung Geld verdienen.

Das allerdings wollen andere auch. Derzeit drängen von allen Seiten Anbieter in das Geschäft mit mobilen Inhalten. Google-Konkurrent Yahoo hat in Barcelona eine Kooperation mit der Telekom-Tochter T-Mobile verkündet und eine eigene Suchmaschine für Handys präsentiert. Auch die traditionellen Geräte-Hersteller positionieren sich als Diensteanbieter. Vorreiter ist Weltmarktführer Nokia, der das eigene Internetportal Ovi (finnisch für "Tür") ins Leben gerufen haben. Und die Mobilfunknetzbetreiber? Sie sind wenig erfreut über diese Vorstöße, denn sie riskieren, beim Geschäft mit mobilen Inhalten den Anschluss zu verlieren.

Doch dort liegen die Wachstumsmöglichkeiten. Im reinen Sprachgeschäft sind die Märkte gesättigt, Preise und Umsätze sinken. "Über unsere Zukunft wird entscheiden, wer sich in der Welt des mobilen Internets durchsetzt", prophezeit Vodafone-Chef Arun Sarin. Die Netzbetreiber dürften sich nicht von anderen an die Wand spielen und zu reinen Transporteuren von Inhalten degradieren lassen, mahnte er.

Einige Kritiker halten das jedoch für Wunschdenken. Zu langsam seien die Netzbetreiber, mit ihren zahlreichen Ingenieuren zu technikgetrieben und zu wenig kundenorientiert. In der Tat waren andere bisher schneller: Nokia hat auf Ovi ein Portal für Musik-Downloads aus dem Internet eingerichtet und den Navigationshersteller Navteq gekauft. Auch der Netzausrüster Ericsson betreibt ein Musik-Portal.

Die Mobilfunknetzbetreiber sind dagegen zögerlich. Die spanische Telefónica stellt 20 Mill. Euro Risikokapital jährlich bereit, um sich an Start-Ups zu beteiligen und sich so Innovationen zu sichern. 2007 beteiligten sich die Spanier an drei Unternehmen - darunter ein Anbieter für mobile Werbung und soziale Netzwerke. In diesem Jahr sollen zehn weitere Beteiligungen folgen.

Angesichts ihrer eigenen schwachen Position beäugen viele Netzbetreiber die Initiativen von Google äußerst argwöhnisch. Ein hochrangiger Manager des norwegischen Telekom-Konzerns Telenor gibt es unumwunden zu: "Im Moment laufen von verschiedenen Seiten viele Versuche, die bisherigen Mobilfunkbetreiber auszubooten."

Eigentliches Ziel von Google sei es, Funkfrequenzen zu erwerben und damit die Netzbetreiber komplett zu verdrängen. Google hat in den USA eine Reihe von Lizenzen der Funkübertragungstechnik Wimax erworben und bietet für weitere. "Tatsächlich versucht Google, eine Alternative zur bisherigen Struktur der Mobilfunkbranche aufzubauen", sagt auch Jim Balsillie, einer der beiden Chefs des kanadischen Blackberry-Herstellers Research in Motion, dem Handelsblatt.

Die Deutsche-Telekom-Tochter T-Mobile bleibt indes gelassen. "Wir können die Angst nicht nachvollziehen", sagt ein Sprecher. Das Unternehmen, einer der Mitbegründer der Android-Allianz, erhofft sich von dem neuen Betriebssystem eine bessere Leistung, da alle Entwickler weltweit daran mitarbeiten können. Skeptiker werten die Haltung von T-Mobile und den übrigen Android-Unterstützern jedoch als Versuch, den Feind zu umarmen, wenn man ihn schon nicht besiegen kann.

Noch ist das Rennen nicht entschieden. "2008 kann zum Jahr umwälzender Veränderungen werden", sagt Telekom-Analyst Greger Johansson vom Marktforscher Redeye.

Was die Besucher auf der weltgrößten Mobilfunkmesse an den Ständen von Texas Instruments, Qualcomm und anderen Unternehmen von Android zu sehen bekamen, war allerdings alles andere als revolutionär. Die Prototypen mit dem Betriebssystem hakten immer wieder fest, schlimmer noch: sie sind so langsam, wie man es nur von der Geburtsstunde des Handys vor vielen Jahren kannte. "Das sind noch Prototypen", beruhigt ein Manager. Bis zur Serienreife würden alle Probleme gelöst, hieß es.