Radio vs. Musik-Streaming

Das Radio in Zeiten von Spotify & Co.

08.02.2016
Drei von vier Deutschen schalten täglich das Radio ein. Unter jüngeren Hörern hat der Hörfunk es jedoch schwerer. Am kommenden Samstag ist Welttag des Radios - ein Blick in die Zukunft.

Das Radio ist schon viele Tode gestorben. Dinah Washington sang bereits Anfang der 1950er Jahre "TV is the thing this year/Radio was great, now, it's out of date". The Buggles behaupteten ein Vierteljahrhundert später "Video killed the Radio Star" - Bewegtbild galt als größter Konkurrent. Am 13. Februar ist Unesco-Welttag des Radios - und das Medium ist immer noch am Leben. Aber ist es noch zeitgemäß?

Das Radio: Vorhergesagt wurde sein Tod schon oft - behauptet hat es sich bis heute.
Das Radio: Vorhergesagt wurde sein Tod schon oft - behauptet hat es sich bis heute.
Foto: Stokkete - shutterstock.com

Heute muss sich das Radio ganz anderer Konkurrenz als der des Fernsehers erwehren: Viele Menschen streamen Musik heute über das Internet. Das Monopol, den passenden Musikmix zu liefern, hat das Radio längst verloren. Was können die Sender also tun, um sich im digitalen Zeitalter zu behaupten?

Radio vs. Streaming-Dienste: Fit für die Zukunft?

Drei von vier Deutschen hören der aktuellen Media-Analyse Agma zufolge täglich Radio - ein Wert, der seit Jahren auf ähnlich hohem Niveau ist. Nur das Fernsehen ist mit rund 80 Prozent beliebter. Alles bestens also? Nicht wirklich. Den höchsten Wert - 81 Prozent und mehr - erzielt das Radio bei den 50- bis 69-Jährigen. Bei den 14- bis 29-Jährigen ist die Quote von 2005 bis 2015 um sechs Punkte auf knapp 67 Prozent gesunken. Ein "Weiter-wie-bisher" kann also keine Option sein. Bislang versuchen viele Sender, junge Menschen mit Präsenzen in den sozialen Netzwerken oder Smartphone-Apps zu erreichen. Ob diese Bemühungen auch künftig ausreichen, ist unsicher.

Für die allgemeine Popularität des Radios seien zwei Faktoren entscheidend, sagt der Medienwissenschaftler Kiron Patka von der Universität Tübingen: zum einen die persönliche Ansprache des Moderators, der Moderator als Marke. Zum anderen der regionale Service-Charakter. Regenjacke oder Wintermantel? Stau oder freie Fahrt? Solche Kompetenzen könne kein Streamingdienst bieten.

Radio im Online-Zeitalter: Regional vs. Global

Apple versucht es dennoch. Der Konzern hat ein Radio in seinen Streamingdienst Apple Music integriert, das rund um die Uhr aus Los Angeles, New York und London moderiert wird. "Egal, wo du bist oder wann du einschaltest, du hörst dasselbe großartige Programm wie alle anderen Hörer", heißt es auf der Webseite. Diese Globalität widerspricht dem Gebot der Regionalität - Patka glaubt deshalb nicht, dass es funktioniert.

Ein weiteres Plus: "Radio ist das Nebenbei-Medium schlechthin", sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Romy Fröhlich von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Der Hörer braucht nichts weiter zu tun, als einzuschalten. Was er nicht muss: nachdenken, welches Lied als nächstes läuft. Nicht umsonst tüfteln die Streamingdienste an immer neuen Algorithmen, die den Geschmack des Hörers treffen sollen.

Das Online-Radio der Zukunft: Der Individual-Plan

Wie aber lassen sich die bisherigen Hörer halten und junge Hörer hinzugewinnen? Romy Fröhlich und auch Golo Föllmer, Musik- und Medienwissenschaftler an der Universität Halle-Wittenberg, sehen die Zukunft in der Individualisierung des Mediums. Einerseits in Sachen Programm, andererseits in Sachen Werbung.

Bislang ist das Radioprogramm vielfach so, wie noch vor Jahrzehnten. Nachrichten, Wetter, Stauwarnung, Musik und dazwischen der Moderator. Eine Alternative kann personalisiertes Radio sein. Wer keinen Sport mag, der bekommt Alternativen geboten. Wer gerne Wortprogramm hört, für den gibt es lange Reportagen und Nachrichtenstücke. Auch eine Taste, mit der Beiträge übersprungen werden können, ist denkbar. Einzelne Versatzstücke, die je nach Hörer verschieden angeordnet sind. Bei den Nachrichten zur vollen Stunde könnte das Programm wieder zusammenlaufen. "Radio à la carte", nennt Fröhlich das.

Ein Treiber dieser Entwicklung könnte die Werbebranche sein. Föllmer spricht von "targeted advertising", zielgerichteter Werbung also. Anstelle des Gießkannenprinzips - jede Werbung für jeden Hörer - könnten die Werbespots auf die Interessen des einzelnen abgestimmt werden. "Extrem attraktiv" sei das für die Werber, sagt Fröhlich. In zehn Jahren könnte es Föllmer zufolge soweit sein. Gestorben ist das Radio bis dahin sicher nicht. (dpa/fm)