Total Quality Management

Das Qualitäts-Management hilft, Produktionsfehler zu vermeiden

08.11.1991

Die Verantwortlichen in der Industrie machen sich meist erst dann Gedanken um die Produktion, wenn die Mißstände bereits zu Tage treten. Vorbeugende Maßnahmen sind aber für eine fehlerfreie Fertigung unabdingbar. Fritz Schmidhäusler* zeigt Aspekte eines Total Quality Management (TQM) auf.

Die Qualitätssicherung stellte in vielen Unternehmen ausschließlich eine Qualitätskontrolle dar. Bei diesem Vorgang wurden Rohstoffe, Halbfertigfabrikate oder Fertigprodukte auf verschiedene Kriterien hin untersucht. Die dabei ermittelten Ist-Daten verglich man mit den Qualitäts-Soll-Daten. Augeschlossene Erfassungsgeräte übermittelten die Ist-Daten von den einzelnen Stufen des Fertigungsprozesses. Daraufhin führte der Rechner einen Soll-Ist-Vergleich durch, gab gegebenenfalls Warnungen aus und speicherte die Daten für den Druck von Zertifikaten und Qualitätsnachweisen sowie für statistische Auswertungen.

Das nannte man dann CAQ wobei dieses Kürzel entweder für Computer Aided Quality oder für Computer Aided Quality Assurance stand. Dieser Prozeß beschränkte sich in der Regel auf fertigungstechnische Schwerpunkte und lieferte die statistischen Auswertungen relativ spät.

Das Ergebnis: Bis die jeweilige Fehlerquelle gefunden wurde, waren schon viele mangelhafte Produkte fertiggestellt.

Bestandteil des TQM ist das Prozeß-Management, das auf der Untergliederung von Produktion oder Dienstleistung beruht. Ein solcher Prozeß hat meßbaren Input und Output, fügt - dem Produkt oder der Dienstleistung - Wert hinzu. Die Mitarbeiter an einem solchen Prozeß bezeichnet man als Prozeßeigner; sie haben Lieferanten (entweder externe Lieferanten oder interne Lieferanten, nämlich die Mitarbeiter der vorhergehenden Fertigungsstufe) und Kunden (externe oder interne Kunden der nachfolgenden Fertigungsstufe). Dadurch ist jeder Prozeßeigner gleichzeitig interner Lieferant und interner Kunde.

Auch das TQM benutzt in diesem Sinne CAQ, aber es unterscheidet sich in vier Aspekten von herkömmlichen CAQ-Lösungen: durch die Prozeßzerlegung, die Einbeziehung der Mitarbeiter als ihre eigenen "Prozeß-Manager", die Integration der CAQ-Kontrollplätze und durch die Benutzeroberfläche der CAQ-Arbeitsmittel. Die Integration von CAQ-Kontrollplätzen steht hier als Synonym für das vernetzte SPC-(Statistical Process Control-)System mit den angeschlossenen Bildschirmen.

Aber was bedeutet "statistische Prozeßkontrolle"? Jeder Prozeß ist gewissen Schwankungen unterworfen, die möglichst gering sein sollten. Um dieses Ziel zu erreichen, muß man den Prozeß ständig kontrollieren und nach einem Mittelwert steuern. Dieser Mittelwert wird mit Methoden der Statistik berechnet, die auch Faktoren wie Spannbreite und Toleranzgrenze berücksichtigen.

Den Prozeß zu kontrollieren bedeutet, sowohl das Ergebnis des Prozesses (also etwa das durchlaufende Teil) zu kontrollieren als auch die Prozeßparameter von Bearbeitungsmaschinen und Materialien ständig zu messen. Bei der Leiterplattenbestückung nach der Surface Mounted Technology ist es wichtig, das Lötbad kontinuierlich zu überwachen, die Höhe und Konsistenz der Lötpaste beim Auftragen ständig zu messen sowie die genaue Plazierung der Leiterplatte an ihrer jeweiligen "Bearbeitungsstation" sicherzustellen. Alle im Prozeß erfaßten Daten werden in das SPC-System übertragen, das sie statistisch auswertet und auf einem Bildschirm sichtbar macht. Allerdings geschieht diese Sichtbarmachung nicht in Form von gigantischen Zahlentabellen oder mehrdimensionalen Grafiken, sondern in Form von drei Farbflächen (Grün, Gelb, Rot), dem sogenannten Ampelsystem, das auf einen Blick zeigt, ob der jeweilige Prozeß sich in der vorgegebenen Spannbreite bewegt oder aus dem Ruder läuft.

Beobachter des Ampelsystems sind im Normalfall nicht Qualitätssicherungs-Fachleute, sondern die für die jeweiligen Prozesse verantwortlichen Mitarbeiter.

Ziel des Prozeß-Managements - und damit auch der SPC - ist es aber nicht nur, einen erreichten Qualitätsstandard zu halten, sondern auch die Prozesse ständig zu verbessern. Diese Verbesserungen müssen sichtbar und meßbar sein. Nur so lassen sie sich mit Hilfe von statistischen Methoden bewerten und verbessern.

Bei dem Stichwort "vergleichen" denken viele an Normen und Standards. Für die Qualitätssicherung gibt es die weltweit anerkannten Normen ISO 9000 bis 9004; die ISO 9000 ist das größte Rahmenwerk und umfaßt alle Abläufe von der Entwicklung bis zum Service, die folgenden Nummern beschränken sich auf einen jeweils kleineren Bereich. Die Einhaltung dieser Normen wird von der Deutschen Gesellschaft zur Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen mbH (DQS) geprüft und gegebenenfalls durch ein Zertifikat bestätigt. Bei der Zertifizierung kommt es darauf an, daß ein Produkt alle Prozesse auf Anhieb einwandfrei durchläuft. Es ist auch möglich, daß am Ende der Fertigungskette Kontrolleure sitzen, die das Produkt solange wieder in die Fertigung zurückschicken, bis es keine Beanstandungen mehr gibt.

Warum dann überhaupt diese Zertifizierung? - nur als Werbeargument für die Firmen? Dazu Peter Kleinsorge, Quality Process Manager der NCR GmbH: "Grundsätzlich sollen diese Normen den Kunden ein gewisses Vertrauen in die Fertigungsumgebung geben. Zur Zeit ist die Zertifizierung sicherlich noch ein Werbeargument, aber im europäischen Markt nach 1992 wird wohl jeder zertifiziert sein, der noch Geschäfte mit öffentlichen Auftraggebern oder mit Großkunden machen will."

Nun sind diese ISO-Normen, die vor 1987 entwickelt wurden, nicht mehr ganz taufrisch; es steht beispielsweise auch nichts von einem Prozeß-Management in den Normen. Sind sie heute überhaupt noch geeignet? Kleinsorge: "Jemand hat einmal gesagt, die ISO setze nur Bojen in das Fahrwasser, die man mit seinem Schiff auf einem bestimmten Kurs passieren muß. Ob man das nun mit einem Schlauchboot oder mit einem Rennboot macht, ist der Norm egal."