IT-Trends/Zeit für eine umfassende Sourcing-Strategie

Das Kerngeschäft muss inhouse bleiben

17.10.2003
Die Rentabilität der Geschäftsprozesse steht mehr denn je auf dem Prüfstand. Folge: Die Unternehmen vergeben Aufgaben, die nicht zum Kerngeschäft gehören und sich über IT standardisieren lassen, an externe Dienstleister. Bei welchen Prozessen lassen sich durch Outsourcing Kosten sparen und wie können Risiken vermieden werden? Von Kamyar Niroumand*

Business Process Outsourcing (BPO) eignet sich insbesondere für wiederholbare Aufgaben, die sich über IT abbilden lassen und eindeutige Arbeitserfolge zeigen wie zum Beispiel Gehalts- und Rechnungswesen, Call-Center-Dienste oder Einkaufsaktivitäten.

Unternehmen, die Geschäftsprozesse auslagern, profitieren von Wissen und Erfahrung des Anbieters sowie dessen Fähigkeit, seine Tätigkeiten effizient auszugestalten. Daneben gibt der Dienstleister Kostenersparnisse, die er durch Skaleneffekte erzielt, in der Regel an seine Kunden weiter. Meist bietet er einen standardisierten Prozess mehreren Firmen gleichzeitig an, was die Leistung insgesamt günstiger macht. Da häufig auch das bisher mit den ausgelagerten Aufgaben betraute Personal sowie die Infrastruktur zum Dienstleister übergehen, kann ein Unternehmen zwischen zehn und 20 Prozent seiner bisherigen Fixkosten einsparen, sie in variable Kosten umwandeln und darüber hinaus seine Investitionen reduzieren.

Die Marktforscher sind sich nahezu einig: Unternehmen, die Geschäftsprozesse ganz oder teilweise auslagern, nutzen moderne Management-Konzepte zur Verbesserung ihrer Organisation und werden dadurch in der Kernkompetenz schlagkräftiger. Die Meta Group zum Beispiel schätzt den deutschen BPO-Markt derzeit insgesamt auf rund zwei Milliarden Euro. "Wir erwarten hier ein Wachstum um jährlich zwölf Prozent, so dass im Jahr 2005 mit einem Volumen von circa 2,5 Milliarden Euro zu rechnen ist", sagt Consultant Thomas Geipel. Die Berater von Pierre Audoin Consultants (PAC) betrachten den so genannten nichtkaptiven BPO-Markt in Deutschland, das ist der Markt für das Outsourcing von Geschäftsprozessen, abgesehen von den Umsätzen, die die Dienstleister konzernintern generieren.

Mittlere Unternehmen lagern aus

PAC beziffert hier das derzeitige Volumen auf 270 Millionen Euro, Tendenz steigend: "Auf dem nichtkaptiven Markt ist die Fertigungsindustrie Vorreiter, gefolgt von den Branchen Telekommunikation und Finanzen."

Insbesondere Firmen mittlerer Größe lagern nicht zum Kerngeschäft gehörende Aufgaben vom Personalwesen bis zur Buchhaltung vielfach gebündelt aus. Da gerade in den Sekundärbereichen die gesetzlichen Anforderungen - beispielsweise im Hinblick auf die Altersversorgung - in den letzten Jahren stark angestiegen sind, verfügen sie oft nicht über das Personal, das sich in allen damit verbundenen Fragen auskennt. Die meisten Großunternehmen hingegen gründen erst einmal eigene Tochterorganisationen (Shared Service Centers), die ihre Leistungen nach einer gewissen Zeit der Reife und Bewährung in Form von Leistungs- oder Profit-Centern dann auf dem freien Markt anbieten.

Für welchen Anbieter sich ein Unternehmen letztlich auch entscheidet, BPO ist eine langfristige Investition. Die Laufzeiten der Verträge liegen zwischen drei und zehn Jahren. Da sich in diesem Zeitraum auch die Struktur oder das Marktumfeld verändern, ist es erforderlich, Abmachungen immer wieder im Hinblick auf den jeweils aktuellen Bedarf zu bewerten und anzupassen. Doch schon zu Beginn der Partnerschaft empfiehlt es sich, die Angebote der Dienstleister anhand vorher definierter Richtwerte genauestens zu prüfen. Ein späterer Anbieterwechsel oder das Wiederhereinholen der Geschäftsprozesse (Insourcing) sind meist mit hohen Aufwendungen verbunden.

Damit BPO-Vereinbarungen erfolgreich werden, müssen die Kunden vorab die strategische Bedeutung der Geschäftsvorfälle prüfen, interne Alternativen abschätzen und Verträge leistungsorientiert abschließen. Vereinbaren beide Seiten bestimmte Prozesskennzahlen, machen diese den Mehrwert für den Kunden messbar, und der Dienstleister unterliegt konkreten Zielvorgaben. So lassen sich etwa eine fortschreitende Kostensenkung vereinbaren oder bestimmte Output-Steigerungen definieren. Schließlich macht erst eine genaue Gegenüberstellung von Leistungen und Aufwand die Kosten transparent.

Outsourcing-Anbieter, welche die Anforderungen des Kunden fair und umfassend berücksichtigen, sind meist nicht die preiswertesten. Am wichtigsten ist die Erfahrung. "Basisanforderungen wie etwa wirtschaftliche Stabilität und Zukunftssicherheit des Diensteanbieters sowie dessen Branchenwissen werden in die Auswahlentscheidung einbezogen", so Geipel. Hinzu kommt, dass die meisten BPO-Nutzer heute große Konzerne sind. "Natürlich wird auch auf die Stabilität des Providers geachtet, desssen möglichst innovative IT und sein Geschäftsprozess-Know-how. Anwenderunternehmen suchen nach einem Dienstleister, der idealerweise sowohl die Effizienz der IT als auch der Non-IT-Aktivitäten steigern kann bei gleichzeitiger Kostenreduktion, was viele aus eigener Kraft eben nicht schaffen", sagt PAC-Analystin Sinz. Darüber hinaus muss der Anbieter international agieren können.

Bei den Outsourcing-Entgelten kommen den Kunden Preismodelle entgegen, die sich dynamisch am Ressourcenverbrauch orientieren. Üblich sind etwa Vereinbarungen auf Basis von Transaktionen oder Nutzerzahlen. Darüber hinaus existiert das Risk-Sharing-Modell, bei dem sich die Dienstleister direkt an den Geschäftserfolg ihrer Auftraggeber binden. Die Meta Group empfiehlt, eine Klausel im Vertrag zu vereinbaren, die nach rund zwei Jahren jeweils ein Preis-Benchmarking vorsieht.

IT in einer Sandwitchposition

Die IT-Leitung gerät in eine Sandwichposition: das Management fordert einen Wertbeitrag der IT zur Unternehmensentwicklung; die Fachfunktionen fordern mehr Unterstützung als nur die Bereitstellung der IT-Infrastruktur. Andererseits gibt es Dienstleister, die "Solutions", das heißt Lösungen für Infrastruktur und Geschäftsprozesse anbieten oder BPO- Services bereitstellen.

Die IT-Leitung muss sich entscheiden: weiter klassisch vorzugehen oder die Angebote des Marktes stärker zu nutzen; entweder den Einkauf von einzelnen Elementen zu organisieren, Lösungskonzepte zu erarbeiten, Geschäftsprozess-unterstützende Lösungen zu entwickeln, diese zu integrieren und im Betrieb zu verbessern oder ein fertiges BPO-Paket einzukaufen.

Damit entsteht ein Sourcing, bei dem das Unternehmen ökonomische Effekte erzielt. Die IT-Leitung tritt als Outsourcing-Relationship-Manager und als Vermittler zwischen ihrem Unternehmen und dem Dienstleister auf. Sie erläutert die Wünsche der Anwender und die technische Machbarkeit. Die Qualität der erbrachten Dienstleistungen kontrolliert der IT-Leiter anhand von Bewertungssystemen wie beispielsweise Balanced Scorecards oder dem Service-Quality-Indikator, der mehrere Service-Levels anhand bestimmter Kriterien zusammenfasst und bewertet.

Strategische Verantwortung

Das Ergebnis lässt sich dann so weit komprimieren, bis es in einer Kennzahl, dem Service-Quality-Indikator, abgebildet wird. So sieht der CIO etwa am Ende einer bestimmten Periode, dass die Abrechnungsfunktionen nicht das volle Soll erfüllten, weil der Druck der Belege einen Tag später erfolgte als vereinbart oder weil diese fehlerhaft waren.

Darüber hinaus übernimmt der IT-Leiter strategische Verantwortung. Er entscheidet gemeinsam mit den Fachbereichen, welche Aufgaben das Unternehmen besser auslagern sollte, statt die notwendigen Lösungen selbst zu entwickeln und zu betreiben. Damit verlagern sich die Schwerpunkte im IT-Management von der reinen Technik- und Integrationskompetenz zur umfassenderen Sourcing-Strategie. (bi)

*Kamyar Niroumand ist Leiter Computing & Desktop Services bei T-Systems in Berlin.

Der deutsche BPO-Markt

Nahezu alle großen Marktforschungsgesellschaften sehen für Business Process Outsourcing (BPO) in Deutschland derzeit einen guten Nährboden. Die Wirtschaftsschwäche erhöht die Bereitschaft, Geschäftsprozesse ganz oder in Teilen auszulagern. "Die Dienstleister eignen sich derzeit Wissen an und kommen auch erst jetzt mit richtigen Angeboten", so Simone Sinz, Analystin bei Pierre Audoin Consultants (PAC). Das Unternehmen schätzt den freien BPO-Markt auf rund 270 Millionen Euro. "Der BPO-Markt birgt hohes Potenzial für IT-Anbieter, besonders auch für kaptive wie etwa BASF IT Services, SBS, Triaton oder T-Systems. In der Regel haben diese internen Dienstleister mehr Einblicke in die Prozesse des Mutterkonzerns als externe. Die IT-Tochter kann deshalb Kompetenz und Erfahrung aufbauen und diese gegebenenfalls auch dem freien Markt anbieten." Den BPO-Markt insgesamt schätzt die Meta Group in der Bundesrepublik auf rund zwei Milliarden Euro. Dem aktuellen "Managementkompass Dienstleistungsfabrik" von Mummert Consulting und dem F.A.Z.-Institut zufolge werden die Ausgaben für BPO in den nächsten fünf Jahren um 50 Prozent steigen.