Efficient Consumer Response beim DM Drogerie Markt

Damit geliefert wird, was sich verkauft

13.02.2004
KARLSRUHE (qua) - Alle reden über Wal-Mart und Metro, aber auch kleinere Handelsunternehmen haben die Zusammenarbeit mit ihren Lieferanten gut im Griff. Die DM Drogerie Markt GmbH & Co. KG, Karlsruhe, praktiziert bereits mit 17 Lieferanten ein Vendor-Managed Inventory (VMI).

Petra MostbergeR ist der Prototyp einer DM-Mitarbeiterin: intelligent, freundlich und augenscheinlich stolz auf ihr Unternehmen. Nach der Collaboration-Strategie des Unternehmens befragt, antwortet die Leiterin Supply-Chain-Management (SCM): "Wir haben eigentlich weniger eine Strategie als vielmehr eine Philosopie." Der anthroposophisch geprägte DM-Gründer Götz Werner betont lieber die partnerschaftlichen als die militärischen Aspekte des Wirtschaftslebens. So setzt die Handelskette die von Götz praktizierte "dialogische Führung" als "logistikorientierten Dialog" im Umgang mit den Lieferanten fort. Ziel ist die Mitte der 90er Jahre aus den USA herüber gewehte "Efficient Consumer Response" (ECR).

Kundenbindung durch hohe Verfügbarkeit

Selbstverständlich hat DM konkrete Ziele: Um die angestrebte Preisführerschaft im Drogeriesegment zu erreichen, muss der Umsatz pro Filiale den der Konkurrenz übertreffen. Voraussetzung dafür sind treue Kunden. Deren Loyalität lässt durch günstige Preise, eine ansprechende Ausstattung der Läden und freundliche Mitarbeiter erringen, vor allem aber durch eine gut funktionierende Lieferkette, die für eine niedrige Stock-out-Quote sorgt. Die DM-Filialen müssen also Sorge tragen, dass ihre Läger nicht durch schwach nachgefragte Produkte verstopft werden, aber auch kein Kunde, der etwas Bestimmtes kaufen will, den Laden unverrichteter Dinge verlässt.

Das setzt dreierlei voraus: ein cleveres Sortiments-Management auf der Filialebene, eine funktionierende Logistik zwischen den DM-Verteilzentren und den einzelnen Niederlassungen sowie eine reibungslose Abstimmung zwischen den Lieferanten und der Handelskette. Wenn der Bestand gering, die Verfügbarkeit im Regal aber hoch sein soll, müssen die Hersteller genau die Artikel in den Mengen liefern, die DM verkaufen kann.

Wissen teilen bringt beiden Seiten Vorteile

Was für die Absatzplanung notwendig ist, liefert die DM-Zentrale über ihr Extranet: "Ich kann heute sagen, welche Umsätze wir gestern mit bestimmten Artikeln gemacht haben oder wie unser gestriger Rohertrag aussieht", so DM-Geschäftsführer Michael Kolodziej beim "COMPUTERWOCHE"Roundtable zum Supply-Chain-Management (siehe www.computerwoche.de/go/80114348). Dieses Wissen teile er nicht nur mit den Filialen, sondern auch mit den Lieferanten, denn aus seiner Sicht profitierten beide Seiten davon.

Das Extranet wurde vor etwa einem Jahr in der Version 2.0 freigegeben. Auf gesicherten Internet-Pfaden greifen heute etwa 300 Lieferanten via Web-Browser auf das Data Warehouse des Handelsunternehmens zu. Gefüttert wird das auf "DB2"-Datenbanken basierende und mit Microstrategy-Software ausgewertete Business-Intelligence-System aus dem Supply-Chain-Management (Bestandsdaten der Verteilzentren), aber auch direkt aus dem Input der Scanner-Kassen (Abverkaufsdaten). "Das Data Warehouse ist für uns die Drehscheibe des Unternehmens", berichtet Kolodziej.

Dort können Filialleiter wie Zulieferer neben den tagesaktuellen Daten auch wochen- oder monatsweise aggregierte Informationen abrufen - für bestimmte Artikel und ganze Warengruppen, bezogen auf einzelne Filialen oder den Niederlassungstyp. Zudem erhält der Hersteller Auswertungen über seine eigene Liefertreue sowie über den Service vom Verteilzentrum in die Filialen.

Unabhängig davon betreibt DM mit 17 Herstellern - teilweise bereits seit Jahren - ein Vendor-Managed Inventory (VMI). So können sie selbst dafür sorgen, dass ihre Artikel zum richtigen Zeitpunkt und in der benötigten Menge in den Verteilzentren eintreffen. Der dafür notwendige Workflow läuft über einen bilateralen "Electronic Data Interchange" (EDI).

Die auf diesem Weg erhaltenen Daten speist der hierzulande in Mannheim ansässige "Calgon"-Hersteller Reckitt-Benckiser beispielsweise in ein Demand-Planning-System auf der Basis von Manugistics-Software ein (siehe www.computerwoche.de/go/80103670).

Melitta Haushaltsprodukte hingen nutzt SAP-Software, um den Nachschubbedarf für den prognostizierten Absatz zu ermitteln und daraus Transportvorschläge abzuleiten. Konkret setzt das in Minden ansässige Unternehmen R/3 mit dem "Advanced Planner and Optimizer" (APO) ein. Verantwortlich für die Lösung zeichnet die IS4 GmbH & Co. KG, ein Joint Venture von Melitta und Syskoplan.

Zur SAP-Fraktion gehört auch der Kosmetikproduzent L''Oréal. Eigenen Angaben zufolge hilft er DM dabei, die Bestandskosten um 30 Prozent zu senken und den Lieferservice-Grad gegenüber den Filialen zu verbessern. Im Gegensatz zu Reckitt-Benckiser praktiziert Melitta ein VMI nicht nur mit dem Drogerimarkt, sondern seit kurzem auch mit dem belgischen Handelshaus Delhaize.

Bei RFID am Ball, aber nicht offensiv

Ein viel diskutiertes Thema ist derzeit die Radio Frequency Identification (RFID). Hier will DM am Ball bleiben, aber nicht auf bedingungslose Offensive setzen. Im Verteilzentrum Weilerswist leuchtet das Unternehmen die Einsatzmöglichkeiten für Wareneingangs-Verarbeitung und Kommissionierung aus. "Beispielsweise wollen wir feststellen, wie viele Umläufe eine Verpackung macht, bevor sie recycelt wird", erläutert Kolodziej. Eine RFID-Kennzeichnung auf Artikelebene kommt für DM noch nicht in Frage - vor allem deshalb, weil Lippen- und Augenbrauenstifte kaum Platz für Transponder-Chips bieten. Ob Firmenchef Werner auch Bedenken hinsichtlich des Privatsphärenschutzes hegt, ist nicht bekannt, liegt aber nahe.

Steckbrief

Projektart: Vendor-Managed Inventory (VMI) mit unterschiedlichen Lieferanten.

Branche: Handel.

Produkte: Data Warehouse auf Basis von DB2 und Microstrategy-Software, unterschiedliche Lösungen auf Zuliefererseite.

Ergebnis: Abbau der Lagerbestände, mehr Verfügbarkeit im Regal.

Reinlassen, was ankommt

Mit einem Inlandsumsatz von mehr als zwei Milliarden Euro (ergänzt um 800 Millionen im Ausland), 650 Filialen innerhalb der deutschen Grenzen (und mehr als 800 außerhalb) sowie knapp 13 000 Mitarbeitern hierzulande (20 500 insgesamt) ist die 1973 gegründete DM Drogerie Markt GmbH & Co. KG mit Hauptsitz in Karlsruhe die zweitgrößte deutsche Handelskette im Drogeriebereich.

Neben eigenen Marken wie "Alana", "Alnatura" und "Alverde" vermarktet DM vor allem Artikel namhafter Kosmetik- und Reiningungsmittel-Hersteller. Das Sortiments-Management setzt auf "schnell drehende" Produkte; Ladenhüter werden kontinuierlich aussortiert.

Den IT-Betrieb hat DM in eine 220-köpfige Tochter namens Filiadata ausgelagert. Um neue Wege im Supply-Chain-Management zu erkunden, wurde unter der Leitung von Petra Mostberger eine kleine "Forschungsabteilung" ohne Verantwortung für das Tagesgeschäft installiert.