Satire

CW-Wert

24.09.1999

Heute müssen wir uns mit einem heiklen Thema beschäftigen: Es geht um Zuwendungen der zweifelhaften Art. Bakschisch gedeiht nicht nur im Dunstkreis von Politikern, Richtern oder Torstehern. Auch der von der Bevölkerung viel geschmähte Journalist wird für wichtig genug erachtet, um Zielscheibe unmoralischer Angebote zu sein.

Natürlich würde niemand wagen, einem Schreiber Bares anzutragen. Es geht auch anders, wie die Firmen Systematics und Jobs & Adverts jetzt bewiesen. Sie verfaßten einen freundlichen Brief an unsere und andere (?) Redaktionen und boten im Vorfeld ihres Börsengangs die Zeichnung eines hübschen kleinen Aktienpakets an.

Redakteure trinken, rauchen, arbeiten viel und sterben früh. Das weiß man. Es ist schade, daß beide Firmen offenbar nichts dabei fanden, die "dritte Kraft" nun auch noch in Gewissensnöte zu stürzen. Nimmt der Journalist das Angebot an, verkauft er seine Seele. Er muß freundlich berichten, um seinen Gewinn nicht zu gefährden - und von der betreffenden Firma nicht als Aktionär geoutet zu werden. Er ist erpreßbar geworden.

Schlägt er die Offerte aus, wird er das triste Leben des verarmten Brotschreibers weiterführen müssen; er kann es allenfalls kurzfristig aufhellen, indem er in seiner Publikation einen vergänglichen Schlag gegen die Verführer richtet. Mit diesem Risiko scheinen die Börsenaspiranten fertig zu werden. Offenbar ist es kleiner als die Chance, eine gute Presse zu bekommen.