Satire

CW-Wert

23.02.2001

Jeden Sonntag: Telefonieren umsonst mit ISDN. Die Telekom verwöhnt ihren Kunden. Nicht ihren Aktionär.

Kennen Sie die Szene: Der Büronachbar steuert im Internet verstohlen Onvista oder Boerse.de an. Wenige Sekunden später sinkt er mit leerem Blick in seinen Sessel. Dann greift er verstohlen in seine Schreibtischschublade, um in einem scheinbar unbeobachteten Augenblick einen kräftigen Schluck zu nehmen. Überflüssig zu erwähnen: Er besitzt T-Aktien!

Das Unheil kam in mehreren Schüben über das Land - genauer: in drei Chargen. Zeichner der ersten Charge laufen noch mit neutralem Blick über die Flure, die Umgangsformen haben sich kaum geändert. Die zweite Charge neigt schon zu gequältem Blick und mieser Laune. Die dritte Charge anzusprechen, empfehlen wir nicht. Das ist gefährlich. Mehr noch als unter dem materiellen Verlust leidet diese Gruppe unter dem Spott ihrer Umwelt und der bitteren Erkenntnis, ganz offenkundig zu den Verlierern zu gehören.

Dabei gibt es für alle drei Gruppen Hoffnung - vorausgesetzt, es gelingt Ron Sommer, den Schuldenberg abzutragen, T-Mobil trotz Orange-Flop erfolgreich an die Börse zu führen, den Wettbewerb im Ortsnetz abzuwehren, jedem UMTS-Kunden möglichst schnell ein paar Tausender aus der Tasche zu ziehen, T-Online zu sanieren und den personellen Aderlass bei T-Systems zu stoppen. Die T-Aktie dürfte also ihre alten Höhen bald wieder erklimmen.

Wichtig wäre dazu allerdings, dass sich die Politiker einig würden. Es gibt keinen Sinn, wenn Herr Eichel einerseits im Sinne der Aktionäre (also im eigenen Interesse) die Regulierung lockern möchte, gleichzeitig aber die SPD-Mitglieder Tauss, Heil und Barthel in basisdemokratischer Eintracht einen billigen Netzzugang für alle fordern. Herr Schröder, wir erwarten ein Machtwort.