CRM-Software hat noch Defizite

28.01.2008
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Abteilungen mit individuellen Wünschen fordern die IT heraus. Softwareanbieter müssen reagieren.

Gute Vertriebsmitarbeiter haben viel Macht. Ihre herausragende Stellung erlaubt es ihnen, Software, die ihnen nicht zusagt, links liegen zu lassen. Oft genug ist das in der Vergangenheit geschehen, zahlreiche ambitionierte Customer-Relationship-Management-(CRM-)Projekte scheiterten. Nicht zuletzt deshalb war es einige Zeit still geworden um das Thema, doch nun nimmt das Interesse wieder zu. "CRM wird wieder strategisch gesehen", meint Nicholas Pöschl vom auf CRM-Projekte spezialisierten Unternehmen Sensix AG aus Wien. Die Firmen würden sich verstärkt mit effizienteren Vertriebsprozessen beschäftigen, statt nur auf die Kosten zu schauen. Über eine funktionierende ERP-Lösung verfügten sie meist schon, nun seien die kundennahen Prozesse an der Reihe.

Mittelstand im Visier

Auf große Nachfrage hoffen die CRM-Hersteller aus dem Mittelstand. Während in den letzten Jahren Konzerne große CRM-Projekte aufgelegt und nicht selten in den Sand gesetzt haben, hielten sich viele mittelständisch geprägte Unternehmen zurück. Statt integrierter Software nutzt so mancher Betrieb im Verkauf einfache Office-Programme, so gut es eben geht. Solche Anwender, so die Erwartung der Anbieter, lassen sich leicht vom Nutzen integrierter Kunden-Management-Programme überzeugen. Oft geht es zunächst einfach nur darum, allen Vertrieblern eine gemeinsame und konsistente Datenbasis zur Verfügung zu stellen.

Zu den Kernbestandteilen einer CRM-Software zählen die Vertriebssteuerung (Sales Force Automation, kurz SFA), Funktionen für Marketing (etwa Kampagnen-Management) und den Service (etwa Helpdesk und Call-Center). Hinzu kommen Auswertungsfunktionen, um Kundendaten zu analysieren und zu messen, ob Marketing-Aktionen Wirkung zeigen. Funktionstiefe ist wichtig, ebenso aber eine einfache Bedienung sowie ansprechende Frontends. Jeder Anwender - vor allem die kritischen Vertriebsspezialisten - soll seine eigene Arbeitsumgebung einrichten können, die Diagramme über das Verkaufsgebiet, die wichtigsten Kunden oder auch anstehende Aktionen anzeigt.

Foto: Experton Group

Viele Unternehmen bilden in ihren CRM-Systemen nicht nur ihre Vertriebssteuerung, sondern auch ihre Serviceprozesse ab. Der Grund dafür liegt nach Überzeugung von Christian Hestermann, Analyst bei Gartner, darin, dass sich manche Firmen in der Vergangenheit mit reinen Vertriebslösungen die Finger verbrannt haben. Unternehmen möchten zudem ihren Service auf Vordermann bringen, da sie hier eine Chance sehen, sich durch bessere Dienstleistungen vom Wettbewerb abzuheben und bei den meist personalintensiven Abläufen Geld zu sparen. Zunehmend denken auch Industriebetriebe in diese Richtung, weshalb die CRM-Softwarehäuser ihre Lösungen darauf vorbereiten. Der Wiener Anbieter Update Software beispielsweise überarbeitete gerade seine Software "update.seven". Kundendienstmitarbeitern eines Anlagenbauers sollen neue Funktionen dabei helfen, Vertragsdaten und bisherige Störungen eines Klienten sofort parat zu haben, wenn dieser anruft. Unlängst hat der auf den Mittelstand spezialisierte Anbieter CAS Software AG aus Karlsruhe eine verbesserte Version des "CAS Configurator Merlin" freigegeben. Mit ihm soll der Kundenberater im Innendienst sowie der mit Laptop bewaffnete Vertriebsaußendienst Angebote für komplexe Maschinen erzeugen können.

Mangelnde B-to-B-Ausrichtung

Zunehmend zu CRM-Programmen greifen Firmen, die keine Konsumenten, sondern Unternehmen als Kunden haben (Business to Business, kurz B-to-B). Doch nicht alle Hersteller können die Nachfrage bedienen. "Schwer tun sich im B-to-B-Segment CRM-Anbieter, die bisher auf Konsumenten ausgerichtete Kampagnen-Werkzeuge verkauft haben", meint CRM-Spezialist Pöschl. Eine mangelnde B-to-B-Ausrichtung vieler CRM-Lösungen moniert auch Eric Scherer. Dem Geschäftsführer des Beratungshauses i2s Consulting aus Zürich zufolge weisen einige CRM-Systeme Defizite beispielsweise bei Prozessen für die Fertigungsindustrie auf. Nicht alle Produkte seien in der Lage, Daten mit einer ERP-Lösung abzugleichen. Auch bei der Mobilität ist es Scherer zufolge nicht immer zum Besten bestellt. Während viele CRM-Programme schon lange über mobile Funktionen verfügten, seien diese bei ERP-Systemen noch nicht selbstverständlich. Um jedoch dem Kunden vor Ort einen Verfügbarkeitstermin von Artikeln für einen komplexen Kundenauftrag zu nennen, sei ein mobiler Zugriff auf ERP- und Produktdaten-Management-Prozesse erforderlich. "Mit solchen Anforderungen erwischt man die auf B-to-C-Abläufe ausgelegten mobilen CRM-Clients auf dem falschen Fuß."

Eine taugliche Lösung zu finden stellt für eine Reihe von Unternehmen jedoch nicht das Hauptproblem dar. "Abteilungsübergreifende CRM-Projekte sind hochkomplex, doch die Firmen wollen nicht viel in Beratung investieren", kommentiert Björn Eggstein, Geschäftsführer des CRM-Anbieters Combit aus Konstanz. Wenn CRM nicht als reines Werkzeug betrachtet wird, sondern Prozesse steuern soll, müssen sich Führungskräfte aus verschiedenen Firmenteilen an einen Tisch setzen. "Oft sitzen Manager der diversen Abteilungen erstmals in Sachen Kunden-Management zusammen und streiten sich über Grundsätzliches, so Eggstein. Wie so oft gelingen solche Vorhaben nur, wenn die Chemie stimmt, CRM ernst genommen wird und auch das Management dahintersteht. Die Realität sieht mitunter anders aus. "Teilweise googeln sich die Anwender Pflichtenhefte zusammen, da tauchen dann Passagen auf, die man im Wortlaut schon anderswo gelesen hat", berichtet der Combit-Chef. Ähnliche Erfahrungen hat Jürgen Topp gemacht, Vorstandsmitglied der Cursor Software AG aus Gießen: "Zum Teil schreiben Praktikanten oder Diplomanden das Pflichtenheft."

Doch nicht alle Firmen wollen umfangreiche CRM-Projekte auflegen. Sie suchen schlicht nach einer Lösung, die sich rasch aufsetzen lässt. Dies ist ein Grund für den Erfolg von Anwendungsvermietern wie Salesforce.com aus Kalifornien. Das Konzept verheißt Nutzern, sich schnell und ohne Beteiligung der IT-Organisation Funktionen zur Vertriebsunterstützung mieten zu können.

Neue Kundeninteraktion

Für die Anwenderunternehmen wird es in Folge des zunehmenden Wettbewerbsdrucks immer wichtiger, nicht nur die eigenen Produkte und Services weiterzuentwickeln, sondern auch die Interaktion und Beziehung zum Kunden, meinen Experten von Gartner. Dies mache neue CRM-Produkte erforderlich: Je näher der einzelne Mitarbeiter am Kunden ist, desto spezifischer müsse sich die Software auf dessen individuelle Anforderungen zuschneiden lassen. Hinzu kommt, dass sich die Kundeninteraktion vermehrt auf das Internet verlagert. Auf Portalen eines Herstellers geben die Surfer ihre Interessen preis. Analysieren lässt sich, welche Web-Seiten ein Kunde besucht und wie lange er dort verweilt. "Das geht über das bloße Auslesen von Log-Dateien weit hinaus", so Michael Sauter, Chef der Münchner Dependance von Sapient, einem international tätigen, auf interaktives Marketing spezialisierten Beratungshaus. "Wir können heute sagen, wie Frauen in einem bestimmten Alter auf Web-Seiten reagiert haben." Teil des elektronischen oder Web-gestützten CRM (eCRM) sei es, immer kleinere Zielgruppen ausfindig zu machen und diese ganz gezielt mit Produktangeboten anzusprechen. Oft handelt es sich um enorme Datenmengen, weshalb die Unternehmen für das Marketing nicht nur CRM-Tools, sondern auch ausgefeilte Business-Intelligence-Lösungen benötigten. Daten aus Online-Kanälen lassen sich - entsprechend aufbereitet - in bestehende CRM-Software einbinden. Die nächste große Herausforderung bestehe darin, im Web erworbene Informationen zum Kundenverhalten gezielt für andere Kommunikationskanäle zu verwenden.

Bei Kundenkontakt Angebot

Firmen aus dem Finanzwesen und der Telekommunikation suchen nach Wegen, die Kundenansprache zu verbessern. Dazu zählt, dem Nutzer eines Dienstes oder Kontoinhabers ein auf seine Situation zugeschnittenes Angebot zu unterbreiten, und zwar nicht nur, indem man ihm einen Brief oder eine E-Mail schickt, sondern dann, wenn er seinerseits Kontakt zum jeweiligen Unternehmen aufnimmt. Softwarelösungen ermitteln, welche Offerte sich zum Beispiel für einen Kunden eignet, der gerade am Geldautomaten steht oder im Kundenportal seinen Finanzstatus überprüft. Dies macht spezielle Software erforderlich, die in der Lage ist, sofort maßgeschneiderte Angebote herauszusuchen. Geschäftsregeln, Prognosemodelle und die Daten aus der aktuellen Sitzung (etwa der Geldtransaktion oder dem Web-Dialog) entscheiden über die Art der Offerte unter Berücksichtigung der finanziellen Situation, der bisherigen Kundenkontakte sowie der Geschäftsstrategie der Bank. Nach Angaben des Softwarehauses Chordiant, einem Hersteller solcher Systeme, lassen sich durch derartige Maßnahmen mitunter deutlich mehr Abschlüsse erzielen als durch klassische Kampagnen.

CRM-Auswahl

Den "CRM-Matchmaker" (www.crm-matchmaker.de) präsentiert die Trovarit AG gemeinsam mit der computerwoche.