CRM hebt versunkene Schätze

25.02.2008
Von Michael Gottwald
Mittelständische Firmen zeigen reges Interesse am Customer-Relationship-Management. Eigenentwicklungen und Altprodukte wollen sie ablösen.
Kaum ein Anwender will bei CRM-Software auf eine ERP-Integration verzichten.
Kaum ein Anwender will bei CRM-Software auf eine ERP-Integration verzichten.
Foto: Soft Select GmbH
Ähnlich wie bei ERP-Produkten erwarten Anwender von CRM-Lösungen flexible Software und zahlreiche Funktionen. Zwar gibt es Firmen, die ihre CRM-Software austauschen wollen. Noch viel größer ist indes die Anzahl der Unternehmen, die für das Kunden-Management noch überhaupt keine integrierten Applikationen verwenden.
Ähnlich wie bei ERP-Produkten erwarten Anwender von CRM-Lösungen flexible Software und zahlreiche Funktionen. Zwar gibt es Firmen, die ihre CRM-Software austauschen wollen. Noch viel größer ist indes die Anzahl der Unternehmen, die für das Kunden-Management noch überhaupt keine integrierten Applikationen verwenden.
Foto: Soft Select GmbH

Rege Nachfrage an CRM entfalten nicht nur große Unternehmen, sondern zunehmend auch Firmen des Mittelstands. Sie suchen nach Software und Konzepten, die helfen, Kundenbeziehungen professionell zu verwalten. Laut dem Softtrend-Barometer 2008, für das über 350 IT-Leiter mittelständischer und großer Unternehmen aller Branchen befragt wurden, gaben gut 64 Prozent an, kurz- und mittelfristig weiter in CRM zu investieren.

Best-of-Breed versus Suite

Am Markt gibt es zahlreiche CRM-Speziallösungen. Daneben bieten viele ERP-Hersteller CRM-Module an. Manche Softwarehersteller tanzen auf beiden Hochzeiten: Microsoft zum Beispiel hat mit "Dynamics CRM eine Spezialsoftware im Programm. Die ERP-Produkte Dynamics NAV und AX verfügen über eigene CRM-Komponenten. Letztere runden in der Regel den Funktionsumfang des Pakets ab, sind aber in den seltensten Fällen Grund für die Anschaffung. Der Softwarekonzern Oracle verfolgt eine ähnliche Strategie: Mit Siebel erwarb der Datenbankspezialist einen führenden CRM-Anbieter, dessen Produkte unabhängig von den ERP-Suiten angeboten werden. Konkurrent SAP hingegen verkauft das eigene CRM-Paket praktisch ausschließlich an Kunden, die R/3 beziehungsweise SAP ERP verwenden.

Ob ein CRM-Modul als Teil einer ERP-Suite oder eine dedizierte CRM-Lösung für ein Unternehmen geeigneter ist, hängt von vielen Faktoren ab. Je mehr integrierte und durchgängige Prozesse die Firmen betreiben, die beispielsweise von einer ERP-Software gesteuert werden, desto eher greifen sie zu einer CRM-Software ihrer ERP-Lieferanten, hat das Beratungshaus Gartner festgestellt. Dort, wo dies nicht der Fall ist, entschlie-ßen sich die Verantwortlichen eher zu einer CRM-Anwendung. Hier geht es vornehmlich darum, rasch neue Funktionen einzuführen. Somit ist laut Gartner noch nicht entschieden, welche Produktkategorie - ERP-Modul oder Speziallösung - am Ende den CRM-Markt dominieren wird. Frank Niemann

Software soll Abläufe kundenfreundlicher machen

Zu den Aufgaben einer CRM-Software zählt nicht mehr nur, neue Marktpotenziale zu eröffnen und die Kundenbindung zu sichern. Sie soll zudem helfen, die Kosten in Marketing, Vertrieb und Service zu senken sowie diese Prozesse an den Kundenanforderungen auszurichten. Bisher hatte sich der Mittelstand in Sachen CRM zurückgehalten. Doch nun wollen viele Unternehmen ihre Ausgangssituation verbessern. Ihr Interesse an CRM-Produkten ist vermehrt darauf ausgerichtet, Abläufe zu straffen, zu automatisieren und mittels bereichsübergreifender Workflows Geld zu sparen. Neben einem effizienten Service und Support gehört dazu, Kunden Informationen über die angebotenen Produkte zur Verfügung zu stellen. Dazu verwendet ein Industrieunternehmen beispielsweise technische Dokumentationen, Einsatzberichte, Service- und Wartungspläne und Ersatzteillisten. Ferner wollen diese Unternehmen ihre Lieferanten, Partner, Dienstleister und sämtliche Vertriebskanäle in ein einheitliches IT-Konzept einbinden.

Von einem CRM-Systemanbieter erwarten mittelständische Unternehmen flexible Software. Wichtig ist diesen Anwendern, auf welcher IT-Architektur das Produkt aufsetzt. Sie beeinflusst maßgeblich sowohl die Gesamtbetriebskosten des IT-Systems als auch die Möglichkeiten, die Software an neue Anforderungen anzupassen. Dabei sollen die Systeme eine Kommunikation ohne Medienbrüche ermöglichen. Gefragt sind darüber hinaus Methoden, um Kundendaten aussagekräftig zu analysieren. Ferner benötigen Firmen Integrationsfunktionen, um andere interne Anwendungen und vermehrt auch Systeme externer Unternehmen einzubinden, seien es Partner, Kunden oder Lieferanten. Hier kommen Industriestandards wie XML, Web-Services sowie Web-Portale zum Tragen. Kunden, Lieferanten und Partner steuern ihre Daten ein und zeichnen dafür verantwortlich. Dies kann das Portal abbilden.

CRM als Portal für Kunden und Geschäftspartner

Am Markt gibt es bereits zahlreiche ausgereifte CRM-Lösungen. Einige davon setzen auf einer Web-Plattform auf. Beispielsweise bietet der schweizerische CRM- und Service-Management-Spezialist Actricity Anwenderunternehmen ein von der Organisationsstruktur und dem Standort unabhängiges CRM-Portal. Es soll Funktionen für Marketing, Vertrieb und Service bereitstellen und sämtliche Geschäftspartner einbinden. Actricity will mit der CRM-Plattform die unternehmerische Wertschöpfungskette vom Hersteller über die Partner bis zu den Endkunden abdecken. Ursprünglich entwickelt für die Investitionsgüterindustrie, die sich durch komplexe und mehrstufige Pre-, Aftersales- und Serviceprozesse auszeichnet, soll es der CRM-Ansatz gestatten, Kunden zu verwalten und den Vertrieb zu steuern. Weitere Komponenten umfassen den Kundendienst, Serviceprozesse sowie das Knowledge- und Ersatzteil-Management. Je nach Organisationszugehörigkeit oder Aufgabengebiet des Anwenders präsentiert das Portal unterschiedliche Sichten auf Kunden, Produkte, Installationen, Dokumente und Wissen. Kunden finden zum Beispiel ein Ticketing-System, um Probleme zu beschreiben, einen Ersatzteil-Shop und einen Download-Bereich für Software.

Nahtlose Integration in ERP und Business Intelligence

Softwarehersteller entwickeln ihre Produkte weiter, da Anwender bereichsübergreifende Lösungen wollen. Auf dem Markt finden sich Speziallösungen für CRM sowie CRM-Module, die Teil einer ERP-Suite sind. Boten in der Vergangenheit fast nur CRM-Bausteine von ERP-Suiten ein durchgängiges Workflow-Management, so haben mittlerweile die Anbieter von dedizierten CRM-Applikationen nachgezogen. Mit Hilfe von Workflow-Komponenten lassen sich erprobte Verfahren und Vorgehensweisen (etwa Gesprächsunterstützung, Verkaufstechniken und Kampagnen-Management) unternehmensweit etablieren und einheitliche Qualitätsstandards leichter umsetzen. Kanalisieren und analysieren Unternehmen die in operativen Kundenprozessen gewonnenen Daten, so können sie aus dem gesammelten Wissen viel lernen.

CRM fordert inzwischen auch Analysefunktionen

Anbieter bauen beispielsweise die Funktionen aus, mit denen sich Kundeninformationen auswerten lassen. Im Softtrend-Barometer stufte mehr als die Hälfte der IT-Leiter solche Business-Intelligence-Funktionen (BI) als wichtig bis sehr wichtig ein. Diese Module sollen einerseits eng mit der ERP-, aber auch mit der CRM-Applikation verbunden sein. Aus aktuellen Auswertungen wollen Anwender proaktiv kaufmännisch relevante Prozesse gestalten. An einer rein reaktiven Aufarbeitung des Datenmaterials sind sie nicht interessiert. Unternehmen wollen ERP, CRM und BI zu einer Applikationsfamilie verzahnen, um einen sauberen Datenaustausch zu gewährleisten.

Allerdings sollten Firmen nicht über das Ziel hinausschießen: Letztlich soll mit CRM eine Marketing-Automation und Produktivitätserhöhung erreicht werden, doch dies gelingt nicht, wenn Anwender die Software eher als Be- und nicht als Entlastung wahrnehmen. Zeit, die Benutzer zur Softwarebedienung benötigen, fehlt unter Umständen für die Kundenbetreuung.

Allerdings verwenden viele Unternehmen Individuallösungen beziehungsweise stark individualisierte und veraltete Standardsoftware, die in vielen Fällen einen hohen Pflege- und Betreuungsaufwand erfordern, der jährlich zunimmt. Gleichzeitig lassen sich neue Anforderungen nur schwer realisieren, weil die Altprodukte Funktionen vermissen lassen und wenig flexibel sind. Der Handlungsdruck, Prozesse zu verbessern, steigt und damit die Bereitschaft zum Systemwechsel. Als wichtigste Anforderungen bei der Auswahl des CRM-Anbieters nannten die im Softtrend-Barometer befragten Unternehmen vor allem die einfache Datenmigration, die Beratungskompetenz des Anbieters, Investitionssicherheit, Prozessverbesserungen durch die Software, zertifizierte Schnittstellen etwa zu ERP-Software von SAP sowie ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. (fn)