CIO des Jahres

Helvetia Deutschland

CIO Andrea Sturmfels setzt auf Motivation und Schulung

30.10.2023
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
100 Millionen Dokumente galt es zu migrieren, und 800 Mitarbeitende mussten sich von einem Altsystem verabschieden. Das ging nur mit einer großen Veränderungsbereitschaft.
  • CIO des Jahres 2023
  • Finalistin, Kategorie Mittelstand
Andrea Sturmfels, CIO Helvetia Versicherungen, Deutschland: "Alle Mitarbeiter müssen das Ziel verstehen und sich dazu committen."
Andrea Sturmfels, CIO Helvetia Versicherungen, Deutschland: "Alle Mitarbeiter müssen das Ziel verstehen und sich dazu committen."
Foto: Helvetia

Auch ein so traditionsreiches Unternehmen wie Helvetia mit einer 160jährigen Geschichte muss sich modernisieren, vor allem aber auch digitalisieren. Das Unternehmen ist eine Allbranchenversicherung mit Schweizer Wurzeln. In Deutschland bietet Helvetia Produkte in den Bereichen Lebens-, Personen- und Sachversicherung an.

Das Dokumentenmanagementsystem (DMS) ist für das operative Geschäft bei Helvetia ein wesentliches Kernsystem, über das die Kundinnen und Kunden täglich bedient werden. Das DMS wird von 800 Mitarbeitenden an sieben Standorten genutzt. Nun ging es darum, dass 20 Jahre alte System durch ein "zukunftsfähiges, modernes System und einheitliche Prozesse zu ersetzen", wie es Andrea Sturmfels, die CIO des Unternehmens, formuliert.

Im Fokus standen laut der IT-Verantwortlichen "Nachhaltigkeit, papierloses Arbeiten, Einlösung des Leistungsversprechens gegenüber unseren Kunden und Partnern, sowie die Standardisierung von Abläufen." Eine gelungene Kommunikation in das Unternehmen, Einleitung der Change-Maßnahmen sowie eine umfangreiche Qualifizierung der Mitarbeitenden vor und nach der Systemumstellung gehörten mit zu den Zielen.

So lief die Umsetzung

Sturmfels und ihr Projektteam legten bereits bei der Zusammensetzung des Teams großen Wert auf Diversität, d.h. beim Geschlecht, Alter, Arbeitsmodell und den Bereichen. Um eine hohe Identifikation mit dem Projekt zu erreichen, wurde für das Projektteam der Name "Doxifanten" und als Projektlogo ein Doxifant entwickelt. Der festgelegte Einführungstermin 1. August 2022 galt als Fixpunkt und gab die nötige Orientierung für das Kernteam.

In einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem externen Partner, dem Softwarehaus SER, erstellten die Beteiligten ein umfangreiches Pflichten- und Lastenheft für die fachlichen und technischen Anforderungen. Dabei gelang es, die "vielen individuellen Interessen und Anforderungen der verschiedenen Bereiche zu einem gemeinsamen Zielbild zu führen", freut sich die CIO.

Die Umsetzung erfolgte in Iterationen. Jede Iteration hatte sogenannte Quality Gates, die das Kernteam prüfte und abnahm. Dem folgten umfangreiche Systemtests durch über 50 Anwender aus allen Bereichen inklusive Performance-, Sicherheits- und Wiederanlauftests. Große Komplexitätstreiber waren laut Helvetia die Umsetzung des Rechtekonzepts und Anforderungen aus Datensicherheit/Datenschutz, die von intensiven Verhandlungen mit Betriebsräten, IT-Security, Datenschützern und den Fachbereichen begleitet wurden.

Es musste ein Big Bang sein

"Der kritische Pfad im Projekt war die revisionssichere Migration der über 100 Millionen Dokumente inklusive Metadaten", formuliert Sturmfels die besondere Herausforderung des Projektes. Diese basierte auf einem ausgefeilten Migrationskonzept inklusive Migrationsregelwerk.

Die Niederlassung Frankfurt der Helvetia Versicherung.
Die Niederlassung Frankfurt der Helvetia Versicherung.
Foto: Helvetia

Durch die komplexe Verzahnung des DMS mit Umsystemen, war die Umstellung auf das neue System nur im "Big-Bang-Verfahren" möglich. Die Einführung des Systems musste im operativen Tagesgeschäft für alle Anwender gleichzeitig stattfinden. Ab diesem Tag war die Arbeit nur noch mit DOXIS möglich.

Um die Risiken zu senken, habe man größten Wert auf die Rolloutplanung gelegt, inklusive Durchführung einer Generalprobe nach einem vorher festgelegten minuten-genauen Rollout-Drehbuch. Der Rollout fand erfolgreich am letzten Wochenende im Juli 2022 statt.

Power-User und Multiplikatoren machten den Anfang

Bei der Qualifizierung der Mitarbeitenden wurden zuerst zwölf Poweruser (Anwender aus jedem Ressort und Standort) intensiv fachlich und methodisch geschult. Anschließend lernten die Poweruser 75 Multiplikatoren (Anwender aus jeder Organisationsgruppe) ein und diese dann die Kolleginnen und Kollegen direkt in der jeweiligen Organisationsgruppe. Nach der Einführung standen Floor-Walker bereit.

Die IT-Chefin ist froh, dass die Mitarbeitenden vom neuen System "begeistert" sind. Zumal es viele Möglichkeiten bietet, die "zur Effizienzsteigerung bei der Bearbeitung von Vorgängen und Betreuung der Kunden" beitragen. Darüber hinaus führe die Standardisierung zur Kostensenkung in der Wartung.

Sie weist aber auch darauf hin, dass es eine Projektsituation mit Planungsabweichungen gab, die sich durch die Zieländerung während der Konzeptionsphase im Jahr 2020 ergaben. Nämlich von der Eins-zu-Eins-Systemablösung hin zur Neueinführung eines standardisierten Systems mit standardisierten Prozessen. Das hat zu Projektplanänderungen und Kostenerhöhungen geführt, da das Altsystem mit vielen individuellen Sonderwünschen programmiert und historisch gewachsen war.

Dienstleistungsverträge sauber formulieren

"Unser Learning aus diesem Punkt war: Zu Beginn des Projektes sind smart formulierte Ziele zu definieren und es ist sicherzustellen, dass alle Beteiligten und Stakeholder dasselbe Zielbild vor Augen haben und sich dazu committen", so Andrea Sturmfels. Dafür sei eine ausreichend bemessene Planungsphase unabdingbar.

"Außerdem haben wir gelernt, zusätzliches Projektmanagement in Zukunft nicht direkt beim Software-Hersteller, sondern bei einem Beratungshaus einzukaufen", gibt die Helvetia-CIO zu. Und letztes Learning: Es sei wichtig, die Dienstleistungsverträge feingranularer zu schneiden, um eine möglichst hohe Kostensicherheit zu bekommen.

Das sagt die Jury vom "CIO des Jahres 2023"

Mit ihrem Projekt begeisterten Sturmfels und ihr Team auch die Jury vom "CIO des Jahres 2023", die sie unter die Finalistinnen und Finalisten wählte. Jurymitglied Jens Schulze, CIO vom Universitätsklinikum Frankfurt, lobt: "Eine hervoragende und umfassende Leistung, die zum Erfolg dieses Projekt geführt hat. An diesem Projekt wird deutlich, wie umfangreich DMS-Projekte sein können und sind." Jurorin Christina Raab, Accenture und Bitkom, ergänzt: "Das neu eingeführte System verändert grundlegend die Arbeitsprozesse im Unternehmen - auch wurden agile Vorgehensweisen wie Scrum eingesetzt." (kf)