Herausforderung für den Software-Hersteller:

CIM-Evolution verlangt pragmatisches Vorgehen

13.02.1987

Aus vielfältigen CIM-Fachbeiträgen und Teilrealisierungen bei verschiedenen Industrieunternehmen geht hervor, daß die CIM-Diskussion eine historisch bedingte "Evolution" durchläuft. Trotz von Beginn an vorhandener - wenn auch unterschiedlicher - Gesamtkonzeptionen und Zielsetzungen erzwang die Praxis durch das Vorhandensein gegebener, historisch gewachsener Umgebungen (Hardware-, Software-, Organisationsumgebungen) eine pragmatische Vorgehensweise, Diesem Diktat mußten sich sowohl die Hardware- wie Softwareanbieter als auch die Anwenderunternehmen unterwerfen.

Die CIM-Realisierungen (Abb. 1) bewegten sich im Grunde von unten, von der hardwarenahen, technischen Ebene (Ebene 1, zum Beispiel Werkstattrechner, CNC-Maschinen) zur Datenaustauschebene (Ebene 2, zum Beispiel PPS-Kopplung auf dem Hostrechner an CAD-Abteilungsrechner).

Die darüberliegende, für das Gesamtunternehmen letztlich entscheidende Ebene der Informationsnutzung im Sinne einer integrierten Planung, Steuerung, Kontrolle und Gewinnung aller CIM-Informationen ist noch weitgehend offen (Ebene 3).

Worin liegen die Gründe dieser sicherlich unbefriedigenden Situation? Dies sei an Abbildung 2 erläutert. Aus Sicht des Softwareanbieters besteht die Problematik zum einen in fehlenden, zu den Standards der Ebene 1 analogen Standardisierungen des Austausches von Datenbank-, Programm- und Anwendungssystemen (Ebene 2).

Zum anderen besteht zusätzlich das Problem für den Softwareanbieter, daß sich eine Standardisierung der über Ebene 2 befindlichen Informationssysteme oder -konzepte, wie zum Beispiel MRP II, JIT oder CIM selbst, wohl erst nach und nach herausbilden beziehungsweise durchsetzen müssen (Ebene 3).

Aufgrund der geschilderten Problematik ergibt sich für den Anbieter von hardwareunabhängiger Standardsoftware die Aufgabenstellung, für die Ebene 2 integrierte Systeme und Methoden anzubieten.

Wie aus Abbildung 2 hervorgeht, muß die geforderte Integration drei Integrationsdimensionen durchgängig über alle Teilsystemebenen erfassen.

Diese Forderung resultiert nicht aus einem softwareorientierten Modellansatz, sondern aus den Gegebenheiten in nahezu allen Unternehmen, die eine CIM-Strategie verfolgen.

Die Herausforderung besteht darin, dieser dreidimensionalen Integration gerecht zu werden.

Um der geschilderten CIM-Herausforderung und somit den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden, muß der Softwareanbieter ein, alle drei Integrationsdimensionen berücksichtigendes Konzept aus einer Hand anbieten können. Die Konzeption bezieht sich auf die angebotenen Datenbank-, Programm- und Anwendungssysteme.

Bei der Konzeption der Gesamtintegration muß "top down" von den Anforderungen der Informationssysteme - letztlich dem CIM-Gedanken - ausgegangen werden, um eine Realisierung von "bottom up" durchführen zu können. Die Realisierung muß hier auf der Datenbanksystemebene aufsetzen, die die darunterliegende, zum Teil standardisierte Ebene wie Netzwerke, Protokollebene, Betriebs- und Hardwaresysteme bereits berücksichtigt.

Die Programmsysteme müssen mit dem Datenbanksystem vertikal integriert sein, das heißt, voll die softwaretechnologischen Möglichkeiten des Datenbankmanagementsystems wie zum Beispiel integriertes Data-Dictionary, Maskengenerator, Query-Sprachen oder Listgenerator nutzen.

Diese Datenbankwerkzeuge und auch die 4-GL-Syntax der Programmiersprache (lauffähig im Meta-Objekt-Code) sind Voraussetzung für ein optimales Performance-Verhalten und die schnellstmögliche Umsetzung von betriebswirtschaftlichen Anforderungen in Programme beziehungsweise Anwendungen.

Wenn alle Anwendungssysteme (zum Beispiel BDE-Systeme, PPS/Logistiksysteme, Systeme des Finanz- und Rechnungswesens und so weiter) mit den so definierten Werkzeugen der Entwicklungsumgebung erstellt wurden, ist automatisch eine Integration von Anwendungssystemen, Programmsystemen und Datenbanksystemen erreicht.

Die Informations- und Anwendungssysteme fordern eine geschlossene Sicht aller, auf den drei Rechnerebenen vorhandenen Informationen, unter Berücksichtigung unternehmensrelevanter Datensicherheitsaspekte.

Diese Forderung kann nur erfüllt werden, wenn ein leistungsfähiges, relationales Datenbankmanagementsystem die Steuerung, Kontrolle und den Austausch über die auf den verschiedenen Rechnern verteilten Datenbanken übernimmt.

Die vertikale Integration der Sotwaretechnologie innerhalb eines Hardwaresystems (zum Beispiel Mainframe) ist nicht ausreichend. Sollen zum Beispiel BDE-Datenerfassungsprogramme sowohl auf der Mainframe- als auch auf der Abteilungsrechnerebene eingesetzt werden können, so muß eine Austauschbarkeit der Programme möglich sein. Das heißt, die in gleicher 4-GL-Programmiersprache erstellten Programme müssen ohne Änderung auf Mainframe-, Abteilungsrechner- und C-Ebene lauffähig sein.

Die klassischen Forderungen der Anwendungssysteme nach einer einheitlichen Benutzeroberfläche und Handhabung, zum Beispiel in einer Mainframe-Umgebung, erweitert sich für eine CIM-Konzeption auf die drei Rechnerebenen.

Die hardwareübergreifende Integration der Datenbank- und Programmsysteme ist Voraussetzung, um diese Forderungen der Anwerdungssysteme und somit letzlich die Forderung des Endbenuzers zu erfüllen.

Die Forderung der Informations-, Entscheidungs- und Regelungssysteme, aus allen Anwendungssystemen und Datenbeständen über alle Rechnerebenen - Entscheidungsinformationen zu erhalten, und weitestgehend hardwareunabhängig zentral oder dezentral operieren zu können, kann nur durch die geschilderte Integration der darunterliegenden Ebenen erreicht werden.

Wenn für alle Unternehmensbereiche (zum Beispiel technische und kaufmännische Logistik, Finanz- und Rechnungswesen und so weiten geschlossene Konzepte wie zum Beispiel das Regelkreiskonzept nach MRP II, Steuerungskonzepte wie JIT oder, konzepte der Budget- und Finanzplanung möglich sein sollen, müssen für alle Bereiche eine gemeinsame Datenbasis, ein gemeinsames Programmsystem und durchgängige Anwendungssysteme (Anwendungssoftware) vorhanden sein. Die Realisierung einer gemeinsamen Datenbasis auf einem für alle Bereiche durchgängig genutzten Datenbanksystem, die Verwendung einer durchgängig genutzten Programmiersprache der 4. Generation für alle Anwendungssysteme bietet die Grundlage einer umfassenden, bereichsübergreifenden Nutzung aller Unternehmensinformationen. Damit bietet sich die Möglichkeit der Integration zum Beispiel von technischer Logistik (CAD, CAQ, CAM und so weiten und kaufmännischer Logistik (MRP II) - ein entscheidender Beitrag für ein CIM-Konzept.

Standards von Methoden bei CIM berücksichtigen

Die hardwareunabhängigen Anbieter von Datenbank- und Standardanwendungssoftware können nur dann einen wesentlichen Beitrag zur CIM-Realisierung leisten, wenn sie bei der Produktentwicklung von Datenbank-, Programm- und Anwendungssystemen die sich abzeichnenden Standards von Informationssystemen und Methoden sowie folgende Punkte berücksichtigen:

- Integration dieser Systeme untereinander (vertikale Integration der Softwaretechnologie),

- Integration dieser Systeme über die drei Hardwareebenen: Groß- und Abteilungsrechner und PC-Ebene (hardwareübergreifene Integration),

- Integration der Systeme und Methoden über alle Unternehmensbereiche (horizontale Integration der Methoden).

Wenn die Software diesem Integrationskonzept Rechnung trägt, bietet der Softwarehersteller dem Anwender einen archimedischen Punkt, an dem er den "Hebel" für seine zukünftige CIM-Strategie ansetzen kann und wird somit der CIM-Herausforderung gerecht.

*A. Mauritius und G. Gontermann sind Mitarbeiter der Cullinet Software GmbH, Wiesbaden.